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Im Juni präsentierte Apple-Chef Cook bereits neue Betriebssysteme für mobile und stationäre Rechner. Die passenden Geräte dazu werden für den 9. September erwartet.
© AFP

Apple vor dem iPhone 6: Tim Cook - im langen Schatten von Steve Jobs

Drei Jahre nach dem Tod seines Vorgängers kommt die Persönlichkeit von Tim Cook erst langsam zum Vorschein. Dienstag könnte Apple das iPhone 6 und andere neue Gadgets präsentieren. Cook soll Visionen liefern - ein neues iPhone wird nicht reichen.

Gemessen an normalen Maßstäben hat Tim Cook ganze Arbeit geleistet. Seit dem Tod von Steve Jobs im Oktober 2011 steigerte sein Nachfolger an der Spitze des Unternehmens den Börsenwert von Apple um fast 70 Prozent. Mit China erschloss Cook einen brachliegenden Markt für das iPhone, Umsätze und Gewinne in Asien brummen. Und vor dem Apple-Store in New York warten bereits erste Käufer – Tage bevor am kommenden Dienstag im kalifornischen Cupertino die neuesten Produkte enthüllt werden.

Doch Apple ist keine normale Firma. Und Cook kein normaler Firmenlenker. Er muss immer noch in Jobs langem Schatten seine Arbeit verrichten. Im Schatten des Mannes, der vorausahnte, was die Leute wollten, bevor sie es selber wussten. Der Dinge erschuf, so perfekt, so verlockend, so verführerisch, dass Millionen dafür willig einen Aufschlag zahlen.

Erst langsam komme Cooks eigene Persönlichkeit zum Vorschein, sagen viele. Nicht, dass der 53-Jährige je versucht hätte, Jobs zu kopieren. Dazu sind die beiden viel zu unterschiedlich: hier das ungeduldige, egozentrische Design-Genie. Dort der Mikromanager, der Herstellungsprozesse bis ins Kleinste perfektioniert. Hier der Mittelklasse-Zögling Jobs, aufgewachsen im Silicon Valley, dort der Sohn eines Werftarbeiters aus einem kleinen Städtchen in Alabama, wo sie eine langgezogene, warme Sprache sprechen, die bei Amerikanern die Assoziation von Gastfreundschaft und Gemütlichkeit hervorruft. Eine Eigenschaft, die selbst Jobs Freunde beim besten Willen nicht in ihm entdeckten.

Dennoch sah Jobs in Cook den geeigneten Nachfolger und baute ihn systematisch auf. Nach einem Ingenieur- und einem Wirtschaftsstudium hatte Cook zunächst bei IBM und Compaq gearbeitet, ehe er 1998 Jobs Lockruf erlag – zu einer Zeit, da wenig darauf hindeutete, dass Apple einmal das werden würde, was es heute ist. Trotzdem spürte der Mann, der sonst vor seinen Entscheidungen mit Exceltabellen Kosten und Nutzen analysiert, die besondere Chance. In einer Rede an seiner alten Universität in Auburn erinnerte sich Cook so: „Das Vorstellungsgespräch mit Steve hatte noch keine fünf Minuten gedauert, da wollte ich schon alle Logik und alle Vorsicht in den Wind schlagen ...“ Er nahm den Job als Leiter des weltweiten Geschäfts an, 2007 stieg er auf und leitete das gesamte operative Geschäft.

Cook führt anders als Jobs, aber genauso furchteinflößend

Nach dem Tod von Jobs beteuerte der neue Vorstandschef Cook, dass sich unter seiner Führung wenig ändern werde. Dann begann er, die Führungsmannschaft umzubauen. Dort, wo Jobs als alleiniges Macht- und Kreativzentrum wirkte, setzte Cook eine ganze Mannschaft ein. Die stellte alsbald fest, dass Cooks Führungsstil zwar anders, aber bisweilen durchaus genauso furchteinflößend ist wie der von Jobs. Cook leitet Sitzungen mit stechenden Fragen und, wenn es sein muss, mit seinem gefürchteten Schweigen, das alle in den Boden versinken lässt, die keine Antworten wissen.

Cook gilt als Workaholic, die ersten E-Mails erreichen die Angestellten um 4.30 Uhr. Er ist gesundheitsbewusst und fitnessbesessen. Über sein Privatleben ist fast nichts bekannt, keine Informationen über Kinder oder eine dauerhafte Beziehung, die er mit der Öffentlichkeit teilen würde. Selten verbringt er Zeit mit Arbeitskollegen außerhalb des Büros. Als seine Vorbilder nennt er Bürgerrechtler Martin Luther King und Robert Kennedy, den Bruder des ehemaligen US-Präsidenten John F. Kennedy. Einen also, der seine Arbeit lieber im Hintergrund erledigte als im Scheinwerferlicht.

Cook will Apple grüner machen

Cooks bislang größter Erfolg als Vorstandschef war die Einführung des iPad Mini, seine größte Pleite der Kartendienst Apple Maps. Zudem hat er Apple ein wenig sozialer und grüner gemacht. Laut einem Bericht der „New York Times“ verstörte Cook dafür sogar Investoren, die sich um die Profitaussichten eines Apple-Programms für erneuerbare Energien sorgten. Der Chef beschied ihnen: „Wir tun Dinge, weil sie gerecht und richtig sind. Wenn ich nur Entscheidungen um des Profits willen machen soll, dann sollten Sie die Aktie verkaufen.“

Ein neuer Ton. Er deutet an, was Cooks Legende werden könnte: Apple zu einem grüneren, sozialeren Unternehmen gemacht zu haben. Um seine Kritiker zu besänftigen, wird das nicht reichen. Sie werfen vor, keine Visionen zu haben.

iPhone 6 wird als Vision nicht reichen

Die erwartete Vorstellung des iPhone 6 und einer iWatch sei eine große Sache für Cook, sagte Analyst Roger Kay von Endpoint Technologies dem Branchendienst „MarketWatch“: „Seit dem iPad 2010 hat das Unternehmen zweifellos nichts wirklich Interessantes hervorgebracht.“

Dass im Silicon Valley alte Gurus wie Jobs von neuen wie Elon Musk abgelöst wurden, macht die Sache nicht leichter. Musk, Boss des Weltraumunternehmens SpaceEx, des Elektroautoherstellers Tesla und des Solaranlagenentwicklers SolarCity, ist ein Meister der Visionen. Er will zum Mars fliegen und die Menschheit von fossilen Brennstoffen befreien, darunter macht er es nicht.

Die geduldigen Jünger in New York taugen ebenfalls kaum als Indiz dafür, dass Apple seine Faszination nicht verloren hat: Die Schlangesteher werden für die Aufmerksamkeit, die sie auf sich ziehen, von PR-Firmen bezahlt.

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