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Erst ging Konzernchef Hiesinger, jetzt auch Lehner (rechts).
© Reuters/Thilo Schmuelgen
Update

Traditionskonzern: Thyssenkrupp verliert auch Aufsichtsratschef Lehner

Thyssenkrupp taumelt in die nächste Krise: Nach Vorstandschef Hiesinger tritt nun auch Chefaufseher Lehner zurück. Der warnt vor einer Zerschlagung des Konzerns.

Dem über 200 Jahre alten Traditionskonzern Thyssenkrupp geht mit Aufsichtsratschef Ulrich Lehner ein weiterer Top-Manager alter Schule im Streit gegen aufmüpfige Investoren verloren. Der 72-Jährige ehemalige Henkel-Boss begründete seinen Schritt am Montagabend wie schon der vor nicht mal zwei Wochen zuvor ausgeschiedene Vorstandschef Heinrich Hiesinger mit einer mangelnden Unterstützung durch die Großaktionäre. Er warnte zugleich vor einer Zerschlagung des Mischkonzerns mit rund 160.000 Mitarbeitern wie sie von manchen Investoren gefordert wird. Die Arbeitnehmervertreter bedauerten Lehners Rücktritt und riefen zur Geschlossenheit auf.

Lehner stieß in seiner Begründung in dasselbe Horn wie Hiesinger, dessen Begründung auch als Kritik an der Krupp-Stiftung interpretiert wurde - des größten Einzelaktionärs mit 21 Prozent der Anteile. "Das Vertrauen der großen Aktionäre und ein gemeinsames Verständnis im Aufsichtsrat über die strategische Ausrichtung von Thyssenkrupp waren Grundlage meiner Arbeit und Voraussetzung für mein Versprechen an Berthold Beitz, das Unternehmen im Interesse von Aktionären, Mitarbeitern und Kunden erfolgreich weiterzuentwickeln", betonte Lehner und fügte hinzu: "Das ist heute nicht mehr gegeben."

Stiftungschefin Ursula Gather hatte die Vorwürfe zurückgewiesen und Hiesingers Nachfolger Guido Kerkhoff erst am vergangenen Freitag ihre Unterstützung zugesagt. In Konzernkreisen war Lehner ein angespanntes Verhältnis zu der Professorin nachgesagt worden, die seit einigen Monaten auch im Aufsichtsrat des Konzerns über die Geschicke wacht. Von der Stiftung war am Abend zunächst keine Stellungnahme zu erhalten. Sie hatte nach eigenem Bekunden Hiesingers Pläne für das kürzlich geschlossene Stahl-Joint-Venture mit Tata Steel unterstützt, das jedoch dem Finanzinvestor Cevian und dem US-Hedgefonds Elliott nicht weit genug geht. Sie fordern, alle Geschäfte auf dem Prüfstand zu stellen und auf Rendite zu trimmen - oder abzustoßen.

Burgfrieden hielt nur kurz

Lehner hatte den renditehungrigen Investoren in der vergangenen Woche in einem Interview der Wochenzeitung "Die Zeit" die Leviten gelesen. "Wir sprechen nicht nur in der Hauptversammlung, sondern in vielen Treffen mit unseren Aktionären. Bedauerlicherweise beschreiten einige aber auch andere Wege, die teilweise schon als Psychoterror bezeichnet werden könnten." Einige aktivistische Investoren seien dafür bekannt, dass Manager, die sie loswerden wollten, später in psychiatrische Behandlung gemusst hätten. Mit der einstimmigen Wahl des bisherigen Finanzchefs Guido Kerkhoff zum Nachfolger Hiesingers durch den Aufsichtsrat - ob nun nur vorübergehend oder nicht - schien der Konzern gerade in etwas ruhiges Fahrwasser zu geraten, da macht Lehner mit seinem Rücktritt zu Ende des Monats das nächste Fass auf.

Er gehe diesen Schritt bewusst, um eine grundsätzliche Diskussion bei den Aktionären über die Zukunft von Thyssenkrupp zu ermöglichen, betonte er. "Meine Entscheidung möge dazu beitragen, das notwendige Bewusstsein bei allen Beteiligten zu schaffen, dass eine Zerschlagung des Unternehmens und der damit verbundene Verlust von vielen Arbeitsplätzen keine Option darstellt – weder im Sinne des Stifters noch im Sinne unseres Landes."

Lehner ist seit 2008 im Aufsichtsrat des Konzerns und hatte 2013 die Führung des Gremiums übernommen. "Ich respektiere die Entscheidung Lehners, bedauere sie aber", sagte Konzernbetriebsratschef Wilhelm Segerath der Nachrichtenagentur Reuters. "Es ist nun die Aufgabe der Hauptaktionäre, insbesondere der Krupp-Stiftung, das Unternehmen gemeinsam weiterzuentwickeln. Es gehe um Tausende Arbeitsplätze. Nach der Stahlsparte müssten auch die übrigen Sparten zukunftssicher aufgestellt werden. "Eine Zerschlagung des Konzerns darf es nicht geben."

Thyssenkrupp-Chef Kerkhoff würdige die Verdienste Lehners. "Mit seiner ruhigen und verlässlichen Führung des Aufsichtsrats hat er immer den Ausgleich zwischen Aktionärs- und Arbeitnehmerinteressen gefunden." Er habe den Vorstand immer unterstützt und so auch das Stahl-Joint-Venture mit Tata möglich gemacht. Thyssenkrupp teilte mit, dass der Aufsichtsrat über die Nachfolge Lehner kurzfristig entscheiden werde. (Reuters)

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