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Die Bundesregierung will die Telekom zwingen, für mehr Netzneutralität zu sorgen.
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Update

Konzern reagiert auf massive Kritik: Telekom will nun doch weniger drosseln

Wer zu viel surft, wird auf Schneckentempo gesetzt oder muss mehr bezahlen. So hatte sich die Telekom die Zukunft des Internets vorgestellt. Nun stellt der Konzern fest, das es so einfach wohl nicht ist.

Die Deutsche Telekom rudert ein bisschen zurück. Im April hatte das Unternehmen angekündigt, ab 2016 die Geschwindigkeit von Internetzugängen zu drosseln, wenn der Kunde ein bestimmtes Datenvolumen erreicht hat. Damit hatte die Telekom einen wahren Sturm der Entrüstung bei Kunden, Netzaktivisten und Politikern hervorgerufen und sich den Namen Drosselkom eingehandelt. Am Mittwoch nun teilte das Unternehmen mit, nach dem Erreichen der Volumengrenze das Tempo nicht wie zunächst angekündigt auf 384 Kilobit pro Sekunde zu reduzieren, sondern auf zwei Megabit. Das sei fünfmal schneller, sagte Telekom-Marketingchef Michael Hagspihl. Damit liege das Angebot nicht nur über dem in der Breitbandstrategie der Bundesregierung vorgesehenen Wert von einem Megabit pro Sekunde, sondern es sei zum Beispiel auch nach wie vor möglich, sich einen Film in HD anzuschauen. Die Entscheidung sei nach einem „intensiven Dialog“ mit den Kunden gefallen, sagte der Manager.

Hintergrund sind die enormen Summen, die die Telekom für den Ausbau des Breitbandnetzes braucht. Allein ins deutsche Festnetz will sie in den kommenden Jahren mehr als sechs Milliarden Euro investieren, wie Noch-Telekom-Chef René Obermann immer wieder betont. Dabei zitiert er Schätzungen, wonach sich bis 2016 der Internetverkehr vervierfachen wird. Die Telekom will diese Investitionen refinanzieren, weiß aber nicht wie, bei immer weiter sinkenden Preisen.

Die Idee ist also, diejenigen Nutzer, die einen besonders hohen Datenverbrauch haben, stärker zur Kasse zu bitten. Also eine Rückkehr zu alten Zeiten, wo man für Telefonieren oder Surfen pro Minute oder Kilobyte bezahlte. Nach Angaben der Telekom verbraucht ein Kunde heute im Schnitt 15 bis 20 Gigabyte. Ab 2016 soll das geringste integrierte Datenvolumen 75 Gigabyte betragen. Anders ausgedrückt: Wer im Monat weniger als 75 Gigabyte verbraucht, bei dem wird nicht gedrosselt.

Notfalls soll das Volumen nach oben angepasst werden

Die Telekom rechnet vor: Neben dem Surfen im Netz und dem Bearbeiten von Mails sei dieses Volumen beispielsweise ausreichend für zehn Filme in normaler Auflösung plus drei HD-Filme, plus 60 Stunden Internetradio, plus 400 Fotos und 16 Stunden Onlinegaming. Außerdem sei dieser Wert nicht in Stein gemeißelt, sagte Hagspihl. Wenn der Durchschnittsverbrauch steige, würden die Inklusivvolumina gegebenenfalls angepasst. Flatrates, also Tarife ohne Begrenzung von Volumen und Geschwindigkeit, soll es weiter geben. Allerdings müssen Nutzer dafür dann mehr bezahlen.

Kritik von Netzaktivisten und Politik zog die Telekom vor allem mit der Ankündigung auf sich, dass bestimmte Dienste, wie etwa der Fernsehdienst Entertain der Telekom, von der Drosselung ausgeschlossen sein sollen. Das sei ein Verstoß gegen die Netzneutralität, hieß es. Ein Netzbetreiber darf demnach nicht zwischen Daten unterscheiden und bestimmte Daten mit Priorität durchs Netz schicken. Unter anderem Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) schrieb in einem Brief an Telekom-Chef Obermann, es gelte als oberstes Gebot: „Die Netzneutralität muss gewährt bleiben.“

Probleme entstehen, wenn immer mehr Nutzer massenhaft Videos etwa auf der kostenlosen Plattform Youtube hoch- und runterladen, zugleich aber Anbieter wie die Telekom Kunden kostspielige Videokonferenzen oder Telemedizinprodukte verkaufen wollen, deren Qualität sie nicht garantieren können, wenn es Engpässe im Netz gibt. Derzeit ist die Bundesnetzagentur noch dabei, die Pläne der Telekom mit Blick auf die Netzneutralität zu prüfen. Eine Reaktion des Wirtschaftsministers auf die geänderten Pläne der Telekom gab es am Mittwoch zunächst nicht.

Corinna Visser

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