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In virtuellen Räumen können die User einem Audio-Chat zuhören oder sich an dem Gespräch beteiligen.
© Christoph Dernbach/dpa

Facebook und Twitter: Tech-Giganten bauen Clubhouse nach

Facebook und Twitter wollen die gehypte App imitieren. Kritiker warnen: Die Telefonnummern der Kontakte gehen unverschlüsselt an die Clubhouse-Server.

Die Digitalkonzerne setzen auf das gesprochene Wort. Nachdem die Audio-Chat-App Clubhouse zumindest medial einen Hype ausgelöst hatte, arbeiten jetzt zwei Internet-Riesen an Kopien des neuen Konkurrenten: Facebook und Twitter.

Dass der Konzern von Marc Zuckerberg ein eigenes Audio-Produkt entwickeln lässt, erfuhr die „New York Times“ durch anonyme Informant*innen, die mit dem Projekt vertraut sind. Öffentlich darüber sprechen dürfen sie nicht. Gegenüber der Zeitung ließ eine Sprecherin von Facebook sich nur mit wenig aussagekräftigen Worten zitieren: „Wir haben die Menschen schon seit vielen Jahren mit Audio und Video miteinander verbunden und suchen stets neue Wege, die Erfahrung zu verbessern.“

Tatsächlich ist die Funktionsweise von Clubhouse technisch nichts Neues. Videochats in Gruppen sind auch mit vielen anderen Anwendungen möglich. Der Reiz liegt offenbar eher in der Exklusivität. Nur auf Einladung können Menschen an den Chats teilnehmen. Clubhouse durchlaufe gerade eine Euphoriephase, schreibt Jochim Selzer vom Chaos Computer Club dem Tagesspiegel, „nicht zuletzt aufgrund des sehr geschickten Marketings“. Die Idee, eine Person aus dem Publikum „auf die Bühne hochziehen“ zu können, scheine „so offensichtlich, dass sich die Leute wundern, warum sie nicht schon längst vorher umgesetzt wurde“.

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Die Zahl der Nutzerinnen und Nutzer liegt nach Angaben des Konzerns bei etwa zwei Millionen. Das ist weniger als ein Tausendstel der Zahlen von Facebook. Dennoch erschien sogar Facebook-Chef Marc Zuckerberg persönlich auf Clubhouse. Unangekündigt sprach er in „Good Time“, einer täglichen Talkshow, und äußerte sich etwa über die Zukunft von VR-Technologien.

Twitters Audio-Konkurrenzprodukt hat bereits einen Namen. In den sogenannten „Spaces“ können unbegrenzt viele Menschen zuhören. Bei Clubhouse gibt es derzeit eine Grenze von 5000. Spaces befindet sich im Testlauf, Twitter-Manager Kayvon Beykpour kündigte aber gerade an, dass dieser nun mehr Nutzerinnen angeboten werde. Das geht nur in der Twitter-App auf Apple-Geräten.

Ein Scherz auf Facebooks Kosten

Auf die Nachricht von den Facebook-Plänen reagierte Beykpour augenzwinkernd. „Ich bin überrascht, dass sie so lange dafür gebraucht haben“, kommentierte er. In der Vergangenheit hat Facebook häufiger populäre Funktionen der Konkurrenz nachgebaut. Die beliebten Stories auf dem Foto-Netzwerk Instagram, das Facebook aufkaufte, sind zum Beispiel von einer bekannten Funktion des Konkurrenten Snapchat abgekupfert.

Kritik gab es schon früh am schwachen Datenschutz bei Clubhouse. Auch die Stiftung Warentest hat die App jetzt untersucht. Das Ergebnis: Standort, Smartphone-Modell, Nutzungsart und -dauer werden an die Mutterfirma aus den USA und an Dritte geschickt. Auch sind die Gespräche nicht so vergänglich, wie es durch den Fokus aufs Gesprochene scheinen könnte. Die Diskussionen werden aufgezeichnet und zumindest zeitweise gespeichert.

Derzeit verstößt Clubhouse laut Stiftung Warentest außerdem gegen die in der EU gültige Datenschutz-Grundverordnung. Die App räume sich etwa zu weitgehende Rechte der Datennutzung ein. Und Clubhouse fehlt etwas Grundlegendes: das Impressum.

Alle Telefonnummern gehen an Clubhouse

Jochim Selzer vom Chaos Computer Club schreibt, dass alle Telefonnummern unverschlüsselt an die Server von Clubhouse geschickt würden. Das hat das Kollektiv „zerforschung.org“ herausgefunden, indem es die Datenübertragung bei Clubhouse auswertete. „Das datenschutzrechtlich bedenkliche Hochladen des Adressbuchs können Sie vermeiden, haben dann aber keine Möglichkeit, Invites zu verteilen“, schreibt Selzer. Er rät jedoch nicht prinzipiell davon ab, die App zu nutzen.

In der Volksrepublik China wurde Clubhouse in der Nacht zum Dienstag vollständig gesperrt. Die Regierung übt eine strenge Kontrolle über die Meinungsfreiheit im Internet aus. Andere Netzwerke aus dem Westen sind ebenfalls nicht frei zugänglich.

Trotz dieser Rückschläge und immer noch vergleichsweise geringer Nutzungszahlen weckt Clubhouse nicht nur das Interesse der Konkurrenz, sondern wird auch hoch bewertet. Auf eine Milliarde US-Dollar schätzen Insider den Wert des Unternehmens, berichtet die Agentur Reuters.

Es ist völlig ungewiss, ob Twitter oder Facebook mit ihren Nachbauten Clubhouse das Wasser abgraben oder ob die junge App die Erwartungen erfüllen wird. Eine repräsentative Befragung der Agentur OMD unter 2000 Menschen im Alter von 18 bis 59 Jahren ergab, dass zwar weniger als ein Prozent die App nutzen, aber fast ein Viertel von ihnen zumindest von dem Angebot gehört haben.

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