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Büffeln für einen guten Abschluss - wie hier in Aachen. Doch was, wenn ein Absolvent am Ende weniger verdient als derjenige, der eine Ausbildung gemacht hat?
© dapd

Mäßiger Verdienst: Studieren zahlt sich oft nicht aus

Abitur und Studium zahlen sich längst nicht für jeden aus: In diversen akademischen Berufen gibt es weniger Gehalt als in anderen nach betrieblicher Ausbildung. Politiker fordern ein Umdenken in der Bildungspolitik.

Bildung lohnt sich immer – aber nicht immer im finanziellen Sinne. Wer auf dem Gymnasium das Abitur macht und studiert, hat mitunter weniger Gehalt zu erwarten als andere, die weder Abitur noch Studium vorweisen können. Das belegen Studien des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und des Hochschulinformationssystems (HIS).

Pünktlich zum Schulstart ins neue Schuljahr am Montag fordern daher Politiker und Experten ein Umdenken in der Bildungspolitik. „Mit der Bildung in Deutschland läuft etwas in die falsche Richtung“, sagte Ulla Burchardt, bildungspolitische Sprecherin der SPD im Bundestag, dem Tagesspiegel. Es fehle an Koordination und gebe zu viele Verantwortliche in Kommunen, Ländern und im Bund. „Wir brauchen einen nationalen Bildungsrat“, sagte Burchardt. Das Gremium solle mit Experten und Politikern besetzt werden und eine nationale Bildungsstrategie entwickeln.

Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) betont dagegen den hohen Wert der Bildung. „Je höher der Bildungsstand, desto geringer das Arbeitslosigkeitsrisiko, desto höher das individuelle Einkommen und der Nutzen für die Allgemeinheit“, sagte sie dem Tagesspiegel. Berufliche und akademische Bildung dürfe man nicht gegeneinander ausspielen. „Der deutsche Meister ist ein hochwertiger Bildungsabschluss – er entspricht in vielen anderen Ländern einem Hochschulstudium.“ Ähnlich argumentiert Patrick Meinhardt, bildungspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. „Es ist Zeit, anzuerkennen, dass berufliche und akademische Ausbildung gleichwertig sind“, sagte er.

Den Studien zufolge haben jedoch etliche Berufsgruppen, für die weder Studium noch Abitur erforderlich sind, in Deutschland im Monat bis zu 350 Euro mehr Nettogehalt zu erwarten als andere Berufsgruppen mit Akademikerlaufbahn. So liegt der Stundenlohn für gelernte Kaufleute in den Bereichen Versicherungen, Spedition und Buchhaltung zwischen elf und 13 Euro, während viele Geisteswissenschaftler nur zwischen zehn und elf Euro verdienen. Nach einem Universitätsabschluss in Musik und Sozialarbeit sind es nur um die neun Euro.

Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) hat die Bildungsrenditen von Akademikern mit denen von Arbeitnehmern verglichen, die nach einer betrieblichen Ausbildung einen Meistertitel oder Zusatzausbildung zum Techniker machen. „Da Akademiker bis zu sieben Jahre länger in der Ausbildung sind, als es das Gesetz vorschreibt, verzichten sie auf eine Menge Einkommen“, sagte IW-Experte Axel Plünnecke. Im Schnitt erwartet sie eine Rendite von 7,5 Prozent. Eine nicht akademische Karriere als Meister oder Techniker bringt 8,3 Prozent.

Grund dafür ist nach Ansicht von Axel Plünnecke auch der zunehmende Fachkräftemangel. „Die Menschen, die händeringend gesucht werden, sind im Großteil Praktiker, nicht Theoretiker. In Zukunft bringt eine Berufsausbildung darum glänzende Aussichten.“ Da zudem immer mehr Menschen eine Akademikerlaufbahn einschlagen, werde ein Studienabschluss seltener als exklusive Qualifikation wahrgenommen, heißt es beim HIS und beim Institut für Arbeitsmarkt – und Berufsforschung (IAB). „Es gibt eine Dynamik der Entwertung formaler Bildungsabschlüsse“, sagte auch Harm Kuper, der an der Freien Universität Berlin Bildungsmanagement lehrt, dem Tagesspiegel.

Wertvoller als ein Studienabschluss sei bei Bewerbungen der Nachweis über praktische Erfahrungen, sagten auch Personalberater. Noch mehr als früher zähle bei der Besetzung von Spitzenpositionen künftig die soziale Herkunft, sagte Michael Hartmann, Soziologie-Professor an der Technischen Universität Darmstadt.

Maris Hubschmid, Carla Neuhaus

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