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Wartende sitzen am im Jobcenter der Bundesagentur für Arbeit.
© dpa

Erwerbslose in der EU: Studie: Lange Arbeitslosigkeit trifft in Deutschland besonders Ältere

Europa erholt sich von der Krise, doch Langzeitarbeitslosigkeit hält sich hartnäckig. Selbst in Deutschland, wo ein Jobrekord den nächsten jagt.

Während viele EU-Staaten noch immer unter den Auswirkungen der Finanzkrise leiden, wird in Deutschland von einem Beschäftigungsrekord nach dem nächsten gesprochen. Die gute Wirtschaftslage lässt sich unter anderem an der sinkenden Quote der Langzeitarbeitslosen ablesen: Betrug ihr Anteil im Jahr 2008 3,7 Prozent, ist sie 2015 auf 1,9 Prozent gefallen. Deutschland ist damit das einzige EU-Land, in dem die Zahl der langfristig Erwerbslosen seit Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise deutlich gesunken ist. Das geht aus einer Studie der Bertelsmann Stiftung hervor, für die Daten der Europäischen Arbeitskräfteerhebung (AKE) ausgewertet wurden. Was sie aber auch zeigt, ist: Langzeitarbeitslose profitieren in Deutschland kaum vom Beschäftigungsaufschwung.

Im vergangenen Jahr war in der EU von 22 Millionen Arbeitslosen fast jeder Zweite länger als zwölf Monate erwerbslos. Knapp ein Drittel schon länger als zwei Jahre. Am höchsten ist die Langzeitarbeitslosigkeit in den südlichen Ländern; in Griechenland (17,7 Prozent), Spanien (10,8 Prozent) und Kroatien (10,4 Prozent). Anders als in Deutschland bleibt Langzeitarbeitslosigkeit dort nicht auf sogenannte Risikogruppen wie Geringqualifizierte beschränkt, sondern zieht sich quer durch die Gesamtbevölkerung. Niedriger als hierzulande ist die Langzeitarbeitslosigkeit nur in Großbritannien und Schweden (1,5 Prozent), Luxemburg, Dänemark und Österreich (1,6 Prozent).

Obwohl die generelle Arbeitslosenquote in Deutschland ein historisches Tief erreicht hat, können viele langfristig Erwerbslose nicht von der guten Konjunktur profitieren. Mehr als jeder dritte Arbeitslose ist in Deutschland nach wie vor lange ohne einen Job. Das sind 796000 Menschen, für die das Risiko von Armut und sozialer Ausgrenzung nach wie vor hoch ist. Mit zunehmender Dauer der Nichtbeschäftigung steigt die Zahl jener, die ihre Jobsuche aufgeben und sich vollständig vom Arbeitsmarkt zurückziehen. Ihre kritische Lage verfestigt sich.

"Jobverlust im Alter wird in Deutschland zu einer Falle"

In Bezug auf das Alter der Betroffenen und die Dauer ihrer Erwerbslosigkeit schneidet Deutschland schlecht ab: Mehr als ein Viertel (26 Prozent) zählt zu der Gruppe der älteren Personen über 55. In Finnland ist der Anteil mit 29 Prozent noch etwas höher. Im EU-Schnitt liegt er bei 13 Prozent. Zwei Drittel der langfristig Erwerbslosen in Deutschland sind bereits seit mehr als zwei Jahren ohne Arbeit. In Schweden und Österreich sind das nur rund 40 Prozent. Zurückzuführen ist der Unterschied laut der Studie auch auf die sozialrechtlichen Regelungen in den EU-Staaten. In Ländern wie Dänemark, Schweden oder Österreich beziehen deutlich mehr nichterwerbstätige Personen Früh- oder Erwerbsminderungsrenten. Und verschwinden so aus den Arbeitslosenstatistiken.

In Deutschland sei die Praxis der vorzeitigen Verrentung Arbeitsloser zugunsten der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt aufgegeben worden. „Jobverlust im Alter wird in Deutschland aber zunehmend zu einer Falle, aus der sich die Betroffenen nicht befreien können", sagte Aart De Geus, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung. „Angesichts des demografischen Wandels und des steigenden Renteneintrittsalters müssen Politik und Unternehmen gemeinsam daran arbeiten, auch älteren Arbeitslosen neue Beschäftigungschancen zu eröffnen."

Joscha Schwarzwälder, Arbeitsmarktexperte der Bertelsmann Stiftung, ergänzte, dass sich die Langzeitarbeitslosigkeit nicht allein mit den herkömmlichen Aktivierungsmaßnahmen beheben lasse. Die Politik des Förderns und Forderns stoße beim „harten Kern" der Langzeitarbeitslosigkeit an ihre Grenzen. Neben der Betreuung in den Jobcentern brauche es Instrumente, die neben der Erwerbsintegration die soziale Teilhabe im Fokus hätten. Er ist für den Aufbau eines „sozialen Arbeitsmarktes". Einen eigenen, aus öffentlichen Mitteln geförderten, Arbeitsmarkt für Langzeitarbeitslose.

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