Die deutsche Finanzbranche 2016: Stress im Bankenviertel
Deutsche Bank und Commerzbank haben ein hartes Jahr hinter sich, sogar eine Fusion schien zwischenzeitlich möglich. Die fand dann stattdessen in der zweiten Reihe statt
Zum Jahresende mag John Cryan ein gewisses Maß an Genugtuung empfinden. Mitte September war der Kurs der Deutsche Bank-Aktie auf ein historisches Tief von 9,90 Euro gestürzt. Gerüchte über eine Pleite der größten deutschen Bank machten die Runde. Nun kann der britische Vorstandschef ein wenig aufatmen: Der Aktienkurs hat sich seit dem Tief zwischenzeitlich fast verdoppelt, auch wenn er im Vergleich zu Ende 2015 immer noch mehr als 20 Prozent im Minus notiert.
Aber sein selbst gesetztes wichtigstes Ziel hat der Brite nur zum Teil erreicht: Die größten der insgesamt rund 8000 offenen Rechtsstreitigkeiten wollte er 2016 beilegen. Cryan setzte deshalb alles daran, die Strafe für den Skandal mit dubiosen Hypothekenkrediten der US-Behörden abzuwenden. Selbst vor einer persönlichen Intervention in Washington schreckte er nicht zurück. Rund 14 Milliarden Dollar forderte das US-Justizministerium ursprünglich vom größten deutschen Kreditinstitut. Vergangene Woche gelang dann ein Durchbruch: Beide Parteien schlossen einen Vergleich – die Bank kam mit einem Bußgeld von rund sieben Milliarden Dollar, verteilt über mehrere Jahre, davon.
Hohe Kosten und juristische Altlasten setzen den Instituten zu
Teuer könnte es auch wegen dubioser Geldwäsche-Transaktionen in zweistelliger Dollar-Milliardenhöhe von Kunden der Bank in Moskau werden. Cryan hat allerdings nur knapp sechs Milliarden Euro für alle Streitfälle zurücklegen lassen. Da droht 2017 eine große Lücke.
Streit gibt es auch mit den Ex-Chefs Josef Ackermann und Anshu Jain und anderen Ex-Vorständen. Weil in deren Amtszeit jene für die Bank heute extrem teuren und rufschädigenden Geschäfte fallen, wurden Boni nicht nur nicht ausgezahlt. Die Ex-Banker sollen jetzt zum Teil sogar bereits gewährte Boni zurückgeben. Ackermann ist empört. Nach Ansicht von Juristen dürften die Forderungen schwer durchzusetzen sein. Cryan dürfte allerdings kein Interesse an neuen Prozessen haben, in denen die Skandale wieder aufgerollt werden.
Trotz allem macht der Brite keinen schlechten Job. Das eigentliche Geschäft läuft. Völlig überraschend hat die Deutsche Bank in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres einen Netto-Gewinn von gut einer halben Milliarde eingefahren. Für das gesamte Jahr könnte wieder ein Milliarden-Gewinn anfallen – nach fast sieben Milliarden Verlust 2015. „Trotz dieser Erfolge will ich nichts schönreden. Vor uns liegt noch viel Arbeit. Wir müssen davon ausgehen, dass die Lage noch eine Weile schwierig bleibt“, warnt Cryan. Sein Haus sieht er aber auf gutem Weg, wieder eine „bessere“ Bank zu werden. Er lobt die Fortschritte bei der Digitalisierung, preist die viel gescholtenen Investmentbanker, die bei wichtigen Fusionen und Übernahmen weltweit dabei seien.
Die Deutsche Bank streicht 9000 Stellen, die Commerzbank 7000
Bei der Übernahme von Monsanto durch Bayer ist die Deutsche Bank allerdings außen vor. Auch in anderen Feldern hinken die gut bezahlten Investmentbanker ihren Wettbewerbern aus den USA hinterher. Für deren Skandale müssen heute alle Mitarbeiter bluten: Weltweit streicht die Bank bis Ende 2017 rund 9000 Jobs, davon 4500 in Deutschland. Fast 200 ihrer 700 Filialen in Deutschland werden geschlossen.
Letzteres ist ein gefundenes Fressen für die Commerzbank. „Es gibt eine Bank, die an Ihrer Seite bleibt“, stichelt sie in Werbeplakaten gegen den Konkurrenten. Filialschließungen sind im Turm der gelben Bank in Sichtweite der Doppeltürme der Deutschen kein Thema. Aber auch hier läuft es alles andere als rund. Die Commerzbank-Aktie steckt tief im Minus. Alles schien auf gutem Weg als im Mai an der Spitze der Stab von Martin Blessing zu Martin Zielke gereicht wurde.
Blessing hatte die Bank seit 2008 geführt, sie mit der Übernahme der Dresdner Bank fast in die Pleite gesteuert. Der Staat musste eingreifen, ist immer noch mit 15 Prozent beteiligt. Immerhin führte Blessing die Bank aus dem Loch. 2015 gab es einen Milliardengewinn und erstmals seit sieben Jahren wieder eine Dividende. Martin Zielke drehte jeden Stein um. Und mit einem Mal zeigte sich: Die Commerzbank hat zwar keine großen Rechtsrisiken, aber die Probleme sind als Folge der verschärften Regulierung und der niedrigen Zinsen trotzdem gewaltig, die Kosten viel zu hoch. Unter dem Strich streicht die Bank bis 2018 rund 7000 ihrer 45000 Stellen. „Der Umbruch in der Bankenbranche ist so massiv, dass wir darauf nicht halbherzig antworten dürfen“, sagt Zielke. Eine Erkenntnis, auf die sein Vorgänger nicht gekommen war. Die Bank sei zwar stabil, die Risiken viel kleiner als vor zehn Jahren. Doch das reiche nicht. „Wir verdienen einfach nicht genug Geld. Unsere Profitabilität ist zu niedrig“, sagt Zielke. Von Januar bis September brach der Gewinn um 90 Prozent auf nicht einmal 100 Millionen Euro ein. Die Dividende ist schon wieder gestrichen.
DZ Bank und WGZ Bank fusionieren
Weil beide Banken mit erheblichen Problemen zu kämpfen hatten, kamen im Sommer Spekulationen über eine Fusion auf. Es gab tatsächlich Vorgespräche. Cryan und Zielke verwarfen die Idee aber schnell: Erst mal im eigenen Haus für Ordnung sorgen, lautete die Devise.
Fast unbeachtet von den Turbulenzen bei den Großbanken ist im Sommer der Schlussstrich unter die größte Bankenfusion in Deutschland seit sechs Jahren gezogen worden: Die beiden Genossenschafts-Zentralbanken DZ Bank und WGZ Bank gehen zusammen als neue DZ Bank. Damit ist nicht nur die drittgrößte Geschäftsbank in Deutschland entstanden. Sie ist 2016 das rentabelste deutsche Geldhaus – mit einem Gewinn von vermutlich mehr als zwei Milliarden Euro.
Ebenfalls eher still und leise kam die traditionsreiche BHF 2016 in französische Hände. Dort haben das Pariser Bankhaus Oddo und deren charismatischer Chef Philippe Oddo als neuer Vorstandschef jetzt das Sagen. Ob das Institut damit wieder in die Spur kommt? Viele Mitarbeiter sind skeptisch. Auch die Chinesen haben bei deutschen Banken jetzt einen Fuß in der Tür. Nach langem Hin und Her bestimmt die Beteiligungsgesellschaft Fosun beim fast 250 Jahre alten Privat-Bankhaus Hauck&Aufhäuser mit Sitz in Frankfurt und München die Richtung. Als „Brücke für chinesische Unternehmen nach Deutschland“ wolle man jetzt dienen, heißt es. Nicht nur die gut 500 Mitarbeiter sind gespannt.