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Die Luxusyacht eines Oligarchen wird im Hamburger Hafen überholt. Von Hamburg aus werden keine Container mehr nach Russland verschifft.
© dpa

Deutsche Wirtschaft schwächelt: Stagflation ist wahrscheinlich

DIHK befürchtet hohe Inflationsrate bei stagnierender Wirtschaftsleistung. 250 000 Arbeitsplätze hängen in Deutschland am Außenhandel mit Russland

Nach einer Rezession sieht es derzeit nicht aus, doch eine Stagflation, also eine stagnierende Wirtschaft bei kräftig steigenden Preisen, ist wahrscheinlich. Der DIHK, die Dachorganisation der Industrie- und Handelskammern, bleibt vorerst bei seiner Wachstumsprognose von drei Prozent in diesem Jahr, aber da ist Wunschdenken im Spiel, wie der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Volker Treier am Donnerstag einräumte. Der russische Überfall auf die Ukraine und die folgenden Sanktionen verschärfen die Belastungen durch die ohnehin in den vergangenen sechs Monaten enorm gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise. 90 Prozent der Unternehmen hätten inzwischen mit steigenden Preisen für Vorprodukte zu tun, sagte Treier. Von diesen Unternehmen würden wiederum 71 Prozent die Preissteigerung an ihre Kunden weiterzugeben versuchen, was die Inflation befeuert und eine Stagflation hierzulande wahrscheinlicher macht.

Inflation über fünf Prozent

Nach vorläufigen Zahlen betrug die Inflationsrate im Februar 5,1 Prozent und im gesamten Euroraum sogar 5,8 Prozent. Für das gesamte Jahr befürchten Ökonomen nun eine Preissteigerungsrate von mehr als fünf Prozent – damit läge die Teuerung auf dem höchsten Niveau seit dem zweiten Ölpreisschock Anfang der 1980er Jahre. 2021 stiegen die Preise um 3,1 Prozent.
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Die Europäische Zentralbank kommt in jedem Fall unter enormen Handlungsdruck. Da die Zielinflationsrate von zwei Prozent in weite Ferne rückt, müsste nach mehr als zehn Jahren die Zinswende eingeleitet werden. Eigentlich. Höhere Zinsen bremsen die ohnehin labile Konjunktur. „Die EZB steckt in einem großen Dilemma“, meint die DIW-Wissenschaftlerin Kerstin Bernoth und sieht die Gefahr eines „geldpolitischen Schocks“. Wenn indes nur die Energiepreise die Inflation befeuern, „dann macht eine strengere Geldpolitik keinen Sinn“, sagte Bernoth dem Tagesspiegel. Allerdings deute manches auf „Zweitrundeneffekte“ hin, etwa die deutlich gestiegenen Erzeugerpreise in der Industrie.

DIHK-Vize Volker Treier ist im Dachverband der Kammern für Außenhandel zuständig.
DIHK-Vize Volker Treier ist im Dachverband der Kammern für Außenhandel zuständig.
© Kai-Uwe Heinrich TSP

Alles in allem „gibt es im Moment eine enorme Unsicherheit“, sagte Bernoth weiter. Unsicherheit ist Gift für die Konjunktur. Dazu belasten immer noch die Pandemie und Lieferengpässe sowie zunehmend Handelshemmnisse die exportlastige Industrie. Einer DIHK-Umfrage bei 2700 Unternehmen zufolge beklagt gut die Hälfte (54 Prozent) eine akute Zunahme von Hürden bei internationalen Geschäften. „Das ist exorbitant hoch“, sagt Treier. Und es wird nicht besser: Die Umfrage erfolgte in der ersten Februarhälfte, also vor dem Einmarsch des russischen Militärs in der Ukraine. Ein bislang erwartetes Wachstum der deutschen Exporte um sechs Prozent in diesem Jahr sei kaum noch zu erreichen, meinte Treier.

Exportüberschuss schrumpft

Zu dieser Einschätzung passen die am Donnerstag vorgelegten Zahlen des Statistischen Bundesamtes. 2021 sank demnach der deutsche Exportüberschuss das fünfte Jahr in Folge. Die Exporte übertrafen die Importe um 172,9 Milliarden Euro, das waren 4,2 Prozent weniger als 2020 und sogar 22,8 Prozent weniger als 2019, dem letzten Jahr vor Corona. Zu den wenigen Ländern, aus denen mehr Waren ein- als ausgeführt wurden, gehört Russland mit einem Importüberschuss von 6,5 Milliarden Euro. Hier spiegeln sich bereits die deutlich gestiegenen Preise für Öl und Gas wider. Dennoch liegt Russland mit einem Außenhandelsvolumen von 60 Milliarden Euro nur auf dem 13. Platz im Ranking der Länder, mit denen die deutsche Wirtschaft die meisten Geschäfte macht.

3650 deutsche Firmen in Russland

Seit der Annexion der Krim sind die Beziehungen rückläufig. In den vergangenen zehn Jahren habe sich die Zahl der in Russland tätigen Unternehmen nahezu halbiert, sagte DIHK-Vize Treier. Derzeit seien noch rund 3650 deutsche Firmen mit 280 000 Mitarbeitenden in Russland tätig; in Summe hätten diese Unternehmen 24,5 Milliarden Euro investiert. Alles in allem machen rund 40 000 deutsche Firmen in irgendeiner Form Geschäfte mit russischen Partnern, etwa 250 000 Arbeitsplätze hängen Treier zufolge hierzulande am Wirtschaftsaustausch mit Russland; nahezu alle dürften die Sanktionen zu spüren bekommen. Treier sprach von Maßnahmen in einer „so noch nicht gesehen Breite und Tiefe, die fast einem Vollembargo gleichkommen“.

Keine Alternative zum Gas in Sicht

Beispielsweise verließen keine Container mehr Hamburg oder Rotterdam in Richtung Russland. Die Wirtschaft trage die Sanktionen mit, „es gibt keine kritische Stimme dazu“.
Eine große Sorge des DIHK betrifft den Energiemarkt. Gas macht rund 25 Prozent der Energieversorgung der Industrie aus, sagte Treier. Wenn Gas knapp werde, würden Fabriken runtergefahren, das bedeute eine „immens hohe Betroffenheit“. Wie schwierig die Mobilisierung von Alternativen zum russischen Brennstoff ist, machte er am Beispiel des Flüssiggas (LNG) deutlich, für das die Bundesregierung den Bau von zwei Terminals in Brunsbüttel und Wilhelmshaven fördern will. Derzeit gebe es weltweit rund 600 LNG-Schiffe, sagte Treier. Die 400 größten dieser Tankschiffe seien erforderlich, um allein für Deutschland den kompletten Ausfall des russischen Gases zu kompensieren.

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