zum Hauptinhalt
Holger Weiss, hat den Assistenten Chris entwickelt. Früher hat er für den Vorläufer des Kartendienstes Here gearbeitet – der ist nun Partner für die Navigation.
© Daniel Mieves/ German Autolabs

Ifa: Sprachsteuerung zieht ins Auto ein

Autohersteller integrieren Sprachassistenten. Berliner Start-up bietet Lösung zum Nachrüsten.

„Hey, Chris, navigiere mich zum Flughafen Schönefeld“, ruft Holger Weiss zum zweiten Mal. Manchmal ist Chris noch ein wenig schwerhörig. Doch dann legt der Assistent los. Eine Frauenstimme weißt den Weg und leitet Weiss vom Sitz seiner Firma German Autolabs in der  Köpenicker Straße Richtung Süden. Seit 2016 hat Weiss mit der Entwicklung des Sprachassistenten angefangen. Nun ist die erste Version fertig und hängt vor ihm an der Windschutzscheibe. Es ist eine kreisrundes Gerät, etwa so groß wie ein Eishockeypuck, das mit einem Saugnapf an die Scheibe gepappt wird. 

47 Millionen Autos könnten nachgerüstet werden

„Hey Chris, spiele Peter Fox“, sagt Weiss. Die ersten Takte von „Alles neu“ klingen aus den Boxen. Der Mann mit den schulterlangen Haaren schaut zufrieden, dann hebt er die Hand und winkt in der Luft von links nach rechts. Die auf dem runden Display des Assistenten angezeigten Songtitel wechseln und damit auch die Musik. In dem Gerät sind neben fünf Mikrofonen auch Kameras verbaut, die Software erkennt Gesten, so dass sich einige Funktionen auch per Handbewegung in der Luft steuern lassen. Doch  der Kern ist die Sprachsteuerung: Damit startet Weiss Telefonanrufe, lässt sich Textnachrichten vorlesen und diktiert Antworten. Und das alles in einem zwölf Jahre alten VW Touran. „Allein in Deutschland können mit Chris 47 Millionen Fahrzeuge nachgerüstet werden“, sagt Weiss.

Sprachsteuerung ist das dominante Thema auf der Ifa. 13 Prozent der Menschen in Deutschland besitzen einer Studie von Bitkom und Deloitte zufolge einen intelligenten Lautsprecher wie Amazon Echo, Google Home oder Apples HomePod. Zahlreiche andere Hersteller zeigen in den Messehallen  entsprechende Geräte, auch die Deutsche Telekom will den Markt nicht den US-Konzernen überlassen. Mehr als jeder Vierte  kann sich  vorstellen, Geräte künftig per Sprache zu bedienen. Und so werden vom Fernseher bis zum Rasenmäher immer mehr Geräte an die Sprachsteuerungssysteme angeschlossen oder sie wird direkt dort integriert.

Auch im  Auto soll es künftig normal werden, Heizung, Radio und viele andere Dinge nicht mehr mit Knöpfen sondern auf Zuruf zu steuern. Neben der Bequemlichkeit hat das noch weitere Vorteile. „Sprachsteuerung im Auto reduziert das Unfallrisiko enorm“, sagt Christopher Meinecke vom Digitalverband Bitkom. Manche Experten glauben sogar, dass die Ablenkung durch Nachrichten auf dem Smartphone mehr Unfälle verursacht werden, als durch Alkohol am Steuer.

Wettkampf der Autobauer um Assistenten

Sprachassistenten werden sich auch im Auto in kurzer Zeit durchsetzen“, sagt Meinecke. Derzeit arbeiten alle großen Hersteller aber auch Zulieferer wie Bosch an entsprechenden Lösungen. So ist BMW dabei, eine umfangreiche Integration von Amazons Alexa in seinen Fahrzeugen umzusetzen. "Wir sind in den letzten Zügen", sagt eine Sprecherin. Zudem will BMW kommende Woche auf einer Konferenz in San Francisco Neues zum Thema Sprachassistenten im Auto verkünden. Schließlich wird die elegante Steuerung der Systeme immer mehr zum Verkaufsargument und die Autobauer liefern sich einen Wettbewerb. Mercedes sorgte in diesem Jahr mit der Sprachsteuerung in der neuen A-Klasse für Furore. Der Assistent lässt sich mit den Worten „Hey Mercedes“ ansprechen und im Gegensatz zu früheren System kann man damit relativ normal kommunizieren. Statt nur ganz bestimmte Kommandos auszuführen, reagiert er beispielsweise auch, wenn der Fahrer sagt „Mir ist kalt“ und stellt die Heizung an.

„Gerade bei Menschen, die  gegenüber solchen Technologien skeptisch sind, ist es wichtig, dass die Kommunikation so natürlich wie möglich abläuft“, sagt Fatima Vital, vom Sprachsoftwarespezialisten Nuance. Dessen Know-How nutzen viele Autobauer und auch Mercedes hat seinen Assistenten mit Nuance-Technologie entwickelt. Auf der Ifa zeigt das Unternehmen, wohin die Entwicklung als nächstes gehen soll. Ein Mercedes-Transporter ist mit Technik vollgestopft: Zwischen Fahrer- und Beifahrersitz liegen Platinen mit Hochleistungschips von Nvidia, an der Windschutzscheibe filmt eine Kamera die Straße. Ihr Bild wird auf einem Display angezeigt, ab und an tauchen dazu die Namen von Gebäuden oder Bahnhöfen auf.  „Was ist das für ein Gebäude?“, fragt Daniel Kindermann von Nuance am Steuer. Das System spricht daraufhin über Geschichte und Fassungsvermögen des Mommsenstadions.

Computer weiß, wohin der Fahrer schaut

„Wie ist dieses Restaurant?“, fragt er dann. Der Computer empfiehlt die Currywurst vom „Olympia-Eck“. Doch wieso wusste das Programm, dass dieses gemeint war und nicht die Kneipe gegenüber auf der anderen Straßenseite?  Hinter dem Lenkrad ist eine Kamera die den Fahrer beobachtet, sie erkennt seine Blickrichtung und schließt daraus, worauf sich seine Frage bezogen hat. „In den nächsten zwei Jahren werden wir solche Systeme   in Fahrzeugen sehen“, sagt Kindermann.    

Doch auch in ältere Fahrzeuge kann man mit dem Nachrüstsystem von German Autolabs zumindest ein wenig Knight-Rider-Feeling integrieren.  Wobei der knapp 300 Euro Assistent derzeit noch eingeschränkt ist. So kann er nur SMS lesen und schreiben. „WhatsApp kommt relativ bald und später auch E-Mail“, verspricht Weiss. Erst einmal musste das Gerät fertig werden, schließlich haben es knapp 1500 Menschen auf der Crowdfunding-Plattform Kickstarter vorbestellt und dabei knapp 300000 Euro in die Entwicklung gesteckt. Ursprünglich sollten sie Chris schon vor einem halben Jahr erhalten, doch die Entwicklung war doch komplexer. Auch jetzt haken manche Dinge, vor allem bei iPhone-Nutzern. Da Apple beim Zugriff auf seine Schnittstellen sehr restriktiv ist, funktioniert die Einbindung von Android-Geräten einfacher und besser. Doch das Gerät soll kontinuierlich mit Updates verbessert und erweitert werden.  

Zur Startseite