Energiewende: Sorge um die Kraftwerke
Gabriel und Bsirske diskutieren die Energiewende und die Notwendigkeit konventioneller Kraftwerke. .
Eberhard Schomburg ist in Sorge. 2500 Arbeitsplätze sind in Gefahr, Arbeitsplätze seiner Kollegen. „Kraftwerke werden abgestellt und wir verlieren unsere Leute“, sagt der Betriebsratschef von Eon. Der größte deutsche Energiekonzern hat bei der Bundesnetzagentur die Stilllegung von zwölf konventionellen Kraftwerken beantragt, weil die nicht mehr wirtschaftlich sind. „Uns gehen die Know-how-Träger verloren“, klagt Schomburg. Er gehört zu 500 Verdi-Vertrauensleuten, Betriebsräten und Funktionären, die am Montag aus dem ganzen Land zu einer energiepolitischen Tagung nach Berlin gereist sind. Und die vor allem vom Superminister hören wollen, wie es weitergeht mit der Energiewende und mit den Kraftwerken.
Sigmar Gabriel weiß es nicht. Im Koalitonsvertrag steht dazu, „mittelfristig“ sei ein „Kapazitätsmechanismus zu entwickeln“, der dazu führt, dass ausreichend konventionelle Kraftwerke dann zur Verfügung stehen, wenn die Erneuerbaren nicht genug Energie produzieren. Die Industrie will Geld für die Bereitstellung dieser Reservekraftwerke, Gabriel hat „Angst vor einer Kostendynamik“ und spricht von „einer der größten Fragen“ überhaupt im Zusammenhang mit der Energiewende. „Ich gebe zu, dass ich da noch keine Antwort habe“, sagt der Minister. Doch er arbeitet daran und will bis zum Sommer, früher als erwartet, Vorschläge machen, die den Firmen Investitions- und Planungssicherheit geben.
Der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske, als stellvertretender Aufsichtratsvorsitzender von RWE durchaus im Film, plädiert für eine „Vergütung“ der Reservekraftwerke – aber wer zahlt wie viel? Derzeit sitzen die Konventionellen in der Falle, „eingeklemmt zwischen sinkenden Börsenpreisen für Strom und hohen Brennstoffpreisen“, wie Bsirske sagt. Und da zum Beispiel Gaskraftwerke wegen der Erneuerbaren immer weniger laufen, verlieren sie an Rentabilität. Alle Betreiber zusammen haben deshalb die Stilllegung von 44 Kraftwerken beantragt. Gingen die alle vom Netz, stünde es indes schlecht um die Versorgungssicherheit.
Gabriel erinnerte an einen dunklen und windstillen Tag im November 2011, als es wegen eines Zufalls nicht zu einem Blackout gekommen sei: Nur durch die Berücksichtungen eines neuen Braunkohlekraftwerks, das eigentlich im Probebetrieb gefahren wurde, sei damals das Stromnetz nicht zusammengebrochen. Solche Szenarien sind real.
Der Wirtschafts- und Energieminister hält die Energiewende für die „größte gesamtwirtschaftliche Herausforderung seit der Wiedervereinigung“. Und dabei „mindestens so komplex“. Er gehe nun Schritt für Schritt vor und konzentriere sich erst mal auf die Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes, weil sonst die EU-Kommission die Begünstigung der Industrie verbieten würde – und das würde „hunderttausende Arbeitsplätze bedrohen“. Tatsächlich sieht der Minister und SPD-Vorsitzende die Wirtschaft nun „an einer Wegscheide“, die doch so gut gemeinte Energiewende drohe zu einem „Deindustrialisierungsprogramm“ zum mutieren. Betriebsrat Schomburg sieht das genauso.