Dax unter Druck: Sind ETF im Krisenfall noch die richtige Anlage?
Passive Indexfonds, kurz ETF, gelten als einfaches und sicheres Investment. Was auch in turbulenten Börsenzeiten dafür spricht – und was dagegen.
Für Jeff Bezos waren die vergangenen acht Wochen wohl wenig vergnüglich: Seit Anfang September hat der Gründer von Amazon rund 52 Milliarden US-Dollar verloren. Bezos, der einen 16-prozentigen Anteil an dem Internetriesen hält, musste zusehen, wie die Aktie seit dem 4. September von ihrem Allzeithoch bei 2039 Dollar auf jetzt 1540 Dollar einbrach. Damit gehört Amazon zu den fünf schlechtesten Papieren im US-Tech-Index Nasdaq 100 der vergangenen vier Wochen – neben Unternehmen wie Netflix oder Nvidia.
Der Index zeigt in etwas abgeschwächter Form, wie sehr die Anleger zuletzt durchgeschüttelt wurden: Gut zwölf Prozent hat der Nasdaq 100 seit seinem Allzeithoch Anfang September im Maximum korrigiert. Beim Dow Jones, der seinen Höchststand Anfang Oktober mit gut 26 800 Punkten erreichte, liegt das Minus bei knapp neun Prozent. Deutlich massiver noch trifft es Anleger, die auf deutsche Standardwerte setzen: Zusätzlich zu seinem Minus von zehn Prozent seit Anfang Oktober ist der Dax bereits das ganze Jahr auf Tiefgang. Seit dem Allzeithoch Ende Januar bei 13 560 Punkten hat sich aktuell ein Minus von 17,5 Prozent aufgehäuft.
Was sagen Analysten?
Wie es weitergeht, ist völlig offen und unter Analysten strittig. Die einen sehen die Märkte langfristig in bärischem Terrain, die anderen glauben an eine Phase der Anpassung, an gedeckelte Wachstumsaussichten durch politische Unsicherheiten und die – in den USA weit fortgeschrittene, in Europa begonnene – Straffung der Liquiditätsversorgung durch die Notenbanken. Wieder andere glauben einfach, dass nach langem Aufwärtsmarsch Pausen notwendig sind, und dass es nach dem Abstieg wieder nach oben geht.
Was kann der Anleger tun?
Auch wenn niemand weiß, wie es weitergeht, ob es womöglich sogar zu einem echten Crash mit mehr als 30-prozentigem Minus in den großen Indizes kommt, empfehlen die meisten Experten zunächst: Das Risiko gering halten. Das bedeutet, dass Anleger mit eher geringerer Risikoneigung vorsichtig bleiben und beobachten sollten, ob sich die gegenwärtig eher negative Marktstimmung noch in weiteren Abwärtsschüben entlädt. Anleger mit etwas höherer Risikoneigung und längerem Anlagehorizont könnten hingegen damit beginnen, „selektiv Positionen aufzubauen“.
Gegenwärtig sei „eine gute Zeit für Stockpicker“, also für Anleger, die womöglich bei zu Unrecht im Abwärtsrutsch abgestraften Titeln billig zugreifen könnten, sagt beispielsweise Olivier de Berranger, Chefanleger beim französischen Vermögensverwalter La Financière de l´ Echiquier. Weil die Kunst der richtigen Auswahl oft Glückssache ist, empfehlen andere, gezielt auf ganze Indizes zu setzen, also durch passive Indexfonds, sogenannte Exchange-Traded Funds (ETF), das angelegte Geld breiter zu streuen und das Risiko zu reduzieren.
Wie sieht der ETF-Markt derzeit aus?
Seit dem Beginn der Korrektur sind gerade ETF wieder stärker in die Kritik geraten. Sie könnten, sagen Kritiker, Abwärtsbewegungen verstärken, weil sie passiv einen Index und damit das Herdenverhalten abbilden. Da ETF zuletzt immer mehr Anlegergelder angezogen haben, werde ihre Marktmacht immer größer und gefährlicher. In der Tat ist der ETF-Markt stark gewachsen: Im September 2018 steckten weltweit 5,1 Billionen Dollar in 5714 ETF. Vor fünf Jahren waren es erst 2,3 Billionen in 1259 ETF.
Damit hat sich die Zahl der Produkte verviereinhalbfacht, die angelegten Summen haben sich mehr als verdoppelt – wovon allerdings ein Großteil auch auf die gestiegenen Kurse in vielen Märkten zurückgeht. Diese Zahlen relativieren sich jedoch beim Blick auf den Gesamtmarkt. Trotz der hohen Zuwächse stecken derzeit nur etwa zehn Prozent aller in Aktien und Anleihen angelegten Gelder in ETF.
Beliebt sind die Produkte aus zwei Gründen: Erstens sind sie sehr günstig, ihre Kostenquote liegt im Schnitt im Aktiensektor bei 0,37 Prozent pro Jahr. Aktiv gemanagte Fonds hingegen, die die Expertise eines Fondsmanagers, häufige Firmenbesuche und Analystenteams bezahlen müssen, verlangen nur selten weniger als 1,5 bis zwei Prozent pro Jahr. Zweitens schaffen es nur wenige aktive Fondsmanager, den Gesamtmarkt zu schlagen: Nach den Statistiken von Morningstar konnten auf Jahressicht nur elf von 119 Fonds für deutsche Aktien den Dax toppen, in längerfristigen Vergleichen geht dieser Anteil gegen null. Immer mehr Anleger ziehen es deshalb vor, direkt in den Gesamtmarkt zu gehen als mit etwas Pech zu einem weniger erfolgreichen aktiven Produkt zu greifen.
Welche Bedenken haben Kritiker?
Kritiker wiederum geben zu bedenken, dass die Performance-Vorteile von ETF vor allem für Zeiten steigender Kurse gelten würden, weniger für schwere Zeiten. Denn während ETF jede Abwärtsbewegung voll abbildeten, könnten aktiv gemanagte Fonds durch hohe Cashquoten und gezielte Käufe von Gewinnerpapieren gegensteuern.
Zweiter Kritikpunkt ist, dass rund 25 Prozent der Produkte die Aktien der abgebildeten Indizes nicht direkt kaufen, sondern die Wertentwicklung über einen „Swap“ abbilden. Der Großteil des Depots sind dabei irgendwelche Aktien, die oft nichts mit dem Anlageziel zu tun haben. Ein kleinerer Teil geht in einen Swap, ein Tauschgeschäft mit einer Bank, die die Performance des Anlageziels für den ETF garantiert. Das in den Swap investierte Geld, meist nicht mehr als ein paar Prozent, ist dabei nicht durch eine Pleite der garantierenden Bank geschützt, muss aber vom ETF abgesichert werden.
Was für Produkte gibt es neben ETF?
Alternativ schlagen manche Analysten nun Dividendenstrategien als Investment vor. Die inzwischen durch die Korrektur recht hohen Dividendenrenditen seien gleichzeitig eine Art Absicherung gegen weiter fallende Kurse, heißt es. In der Tat liegen die Dividendenrenditen vor allem in Europa recht hoch. Im Dax etwa werfen inzwischen 17 der 30 Werte Renditen von mehr als drei Prozent vom Kurs ab. Spitzenreiter sind Daimler mit 7,1 Prozent Dividendenrendite sowie BMW mit 5,4 und Eon mit fünf Prozent. Auch Covestro, Lufthansa, BASF, Allianz, Telekom und Münchener Rück kommen auf mehr als vier Prozent.
Zuletzt hatten allerdings reihenweise Unternehmen ihre geschäftlichen Prognosen zurückgenommen, darunter die BASF, Fresenius, Daimler, BMW, HeidelbergCement und Conti im Dax, aber auch Firmen aus der zweiten Reihe, etwa der Kabelspezialist Leonie, der Schmierstofflieferant Fuchs Petrolub oder der Sitzhersteller Grammer. Gewinnwarnungen kamen auch von Drägerwerk, dem Maschinenbauer Krone und dem Versicherer Talanx.
Womit kämpfen die Unternehmen?
Alle Firmen litten entweder unter den Problemen in der Autoindustrie, niedrigen Pegelständen der Flüsse, hohen Energiepreisen oder, wie Talanx, unter niedrigen Zinsen gepaart mit hohen Belastungen durch viele große Schäden wie den Hurricane Florence. Bis auf den Immobilienkonzern Vonovia, den Finanzdienstleister Wirecard, die Deutsche Börse und Adidas notieren alle Dax-Aktien im Jahresvergleich im Minus.
Trotzdem bleibt die Wirtschaft in den Prognosen vorerst auf klarem Wachstumskurs. Es mehren sich deshalb die Stimmen, die nicht an weitere Desaster für die Aktienmärkte glauben. „Nach unserer Einschätzung wird es in absehbarer Zeit nicht zum viel befürchteten Crash kommen, sondern bei einer massiven Korrektur bleiben“, glaubt der Chefvolkswirt der Targobank, Otmar Lang. Charttechniker weisen auch darauf hin, dass die Börsen derzeit nur aus ihrer sehr expansiven Phase wieder auf dem Weg zurück seien zur Normalität.
Relativiert werden die jüngsten Korrekturen auch mit einem Blick zurück. In den vergangenen fünf Jahren lag der Dax 25 Prozent, der Dow Jones 60 Prozent und der Nasdaq 100 gut 100 Prozent im Plus. Und Jeff Bezos hat mit seinem 16-prozentigen Amazon-Anteil seit 2013 ein Plus von rund 82 Milliarden US-Dollar gemacht.
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