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Klaus Abel ist Erster Bevollmächtigter der IG Metall in Berlin. Heute wollen Siemens-Mitarbeiter demonstrieren.
© promo

Stellenabbau in Berlin: "Siemens begeht Vertragsbruch"

870 Arbeitsplätze sollen in Berlin gestrichen werden. Der Berliner IG Metall-Chef Klaus Abel kündigt harte Gegenwehr an. Heute wird demonstriert.

Herr Abel, in Berlin werden zahlreiche Arbeitsplätze bei Siemens wegfallen. Hatten Sie das so erwartet?

Nein. Denn es gibt überhaupt keinen Grund für einen solchen Kahlschlag. Sowohl das Dynamowerk als auch das Gasturbinenwerk arbeiten hoch produktiv. Aber Siemens-Chef Joe Kaeser reichen Renditen von sieben bis acht Prozent nicht. Er denkt nicht an die Arbeitsplätze und den Industriestandort Deutschland, sondern nur an die Kapitalmärkte. Siemens hat im vergangenen Geschäftsjahr 6,2 Milliarden Euro Gewinn gemacht, ein Rekordgewinn in der Unternehmensgeschichte. Was soll denn jetzt der Stellenabbau?

Siemens sagt, das Kraftwerksgeschäft lohnt sich nicht mehr.

Aber das ist doch Unsinn. Es gibt eine große Nachfrage etwa aus Asien. Und die Energiewende und der Ausstieg aus der Kohle schaffen neue Möglichkeiten. Die Gasturbinen sind kein Auslaufmodell, man müsste das Geschäft vielmehr weiterentwickeln, statt es abzubauen. Und mit General Electric zieht sich jetzt ja auch ein Bewerber zurück, der mit Kampfpreisen Druck gemacht hatte.

Vor sieben Jahren hatte Kaesers Vorgänger Peter Löscher eine umfassende Standort- und Beschäftigungsgarantie gegeben …

Was Siemens jetzt macht, ist Vertragsbruch. Wenn der Konzern das so durchsetzen will, muss er sich auf enormen Widerstand einstellen. Wir Arbeitnehmervertreter werden jede Menge Druck machen, mit Demonstrationen, mit der Einschaltung der Politik, aber auch mit Konzepten, wie man die Standorte profitabel weiterentwickeln kann.

Was versprechen Sie sich von Michael Müller und Ramona Pop?

Herr Müller hat ja schon an Herrn Kaeser und Frau Merkel geschrieben, das finden wir sehr gut. Kaeser nutzt aber die Situation aus, dass wir derzeit nur noch eine geschäftsführende Wirtschaftsministerin und einen Übergangsaußenminister haben. Die Bundesregierung könnte sonst doch ganz anders eingreifen. Hinzu kommt: Im Aufsichtsrat geht der Vorsitzende Gerhard Cromme nächstes Jahr. Kaeser nutzt diese Übergangsphasen aus, um einen großen Industriekonzern kleinzumachen.

Wie sicher sind die übrigen Siemens-Stellen in Berlin? Der Konzern hat ja 11.500 Beschäftigte hier.

Sehr unsicher. Im Dynamowerk soll das Engineering bleiben. Aber ohne Produktion ist der Bereich ganz schnell weg. Das läuft im nächsten Schnitt auf eine Werksschließung hinaus. Das sehen wir ja jetzt bei Bombardier.

Air Berlin, Siemens und Ledvance, in Berlin häufen sich die schlechten Nachrichten. Steht es doch nicht so gut um die Berliner Wirtschaft?

Das sind unterschiedliche Fälle. Air Berlin kann man nicht mit Siemens oder Ledvance, dem früheren Osram-Werk, vergleichen. Der Stellenabbau bei Ledvance geht letztlich auch auf Siemens zurück. Siemens hat Osram so lange behalten, wie die Tochter hohe Gewinne abgegeben hat. Dann hat Siemens Osram an einen chinesischen Investor weitergereicht. Der macht jetzt die Drecksarbeit. Statt in die Industrie zu investieren, werden die nicht ganz so profitablen Teile abgebaut, und die Mitarbeiter werden der Gesellschaft vor die Füße geworfen. Es ist doch kein Zufall, dass Kaeser für das bedingungslose Grundeinkommen ist. Er verlagert Verantwortung auf die Gesellschaft. Aber es gibt in Berlin auch andere Beispiele. Daimler investiert 500 Millionen Euro, um das Werk zukunftsfähig zu machen. BMW hat investiert, der Kartenhersteller Here auch. Der Stellenabbau ist ein spezifisches Siemens-Thema. Ich sehe weiterhin großes Potential in der Industriestadt Berlin.

Heike Jahberg

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