Nokia eröffnet Forschungszentrum: Sicheres Netz aus Berlin
Nokia will Cyberkriminellen mit geballter Macht entgegentreten. Die Finnen eröffnen ein Forschungszentrum am Siemensdamm in Charlottenburg und setzen dabei auf die Hilfe von Berliner Start-ups.
Schwerelos wie ein Raumschiff gleitet das kleine Smartphone über den Touchscreen. Konzentriert lenkt der Nutzer das Flugobjekt mit dem Zeigefinger durch den Parcours aus bunten, übergroßen Viren. Als das blinkende „Game over“ aufleuchtet, hat der Spieler nicht nur das Online-Game auf seinem Smartphone verloren. Auf einem großen Computermonitor taucht der genaue Standort auf, die IP-Adresse, die privaten Fotos aus dem Speicher: Das Smartphone ist gehackt, das Spiel war eigentlich ein Schadprogramm, heruntergeladen aus einer der zahlreichen App-Plattformen.
Das leben ist netzfähig
Szenarien wie dieses entstehen künftig im Nokia Security Center am Berliner Siemensdamm. Und die Lösungen gleich mit, betonte Jan Kok, der das Sicherheitszentrum leitet, bei der Eröffnung am Mittwoch. In einem Prototyp haben die Finnen gemeinsam mit dem niederländischen Mobilfunknetzbetreiber KPN eine Möglichkeit entwickelt, wie sie Nutzer herausfiltern und warnen können, deren mobile Geräte von Schadsoftware attackiert wurden.
„Selbstverständlich wird der Kunde vorher auf den Dienst aufmerksam gemacht und hat sich einverstanden erklärt“, sagte Kok. Bei allem, was künftig an Diensten den Weg aus dem Nokia- Center findet, geht es letztlich um Vertrauen. „Das ist ein Riesenthema“, sagte Hans-Jürgen Bill, Aufsichtsratschef von Nokia Networks in Deutschland. In zehn Jahren seien bis zu sieben Milliarden Menschen weltweit vernetzt, 50 Milliarden Dinge von der Zahnbürste bis zum Auto netzwerkfähig, die Hälfte der Kommunikation werde zwischen Maschinen ohne menschliche Beteiligung stattfinden. Damit steige das Bedrohungsszenario exponentiell. Von abgehörten Gesprächen über Sicherheitslücken als Hintertüren für Kriminelle in Programmen bis hin zu DDos-Angriffen, die komplette Netze lahmlegten, sei alles denkbar. Die Sicherheit der Netze sei deshalb ein zentraler Punkt. „Wir wollen das Leben der Menschen verbessern und nicht einschränken“, erläuterte Bill weiter.
LTE-Testnetz
Um das zu erreichen, sucht Nokia Networks – bis zum Ausstieg von Siemens als NSN bekannt – den Austausch: Kunden, Wissenschaftler, politische Entscheidungsträger und Start-ups, sie alle sollen Einblick in die Arbeit des Sicherheitszentrums bekommen und gegebenenfalls in Projekten mitwirken. Die Konzentration von wissenschaftlichen Einrichtungen – Universitäten, Fraunhofer-, Hasso-Plattner-Institut – und einer vitalen Start-up- Szene seien neben anderen Standortfaktoren ausschlaggebend gewesen, warum das Sicherheitszentrum in Berlin angesiedelt sei, sagte Kok. Auch dass der konzerneigene Verkehrs- und Geodatendienst Here, der unter anderem Inhalte für Navigationsgeräte liefert, mit mehreren hundert Mitarbeitern in Berlin sitzt, dürfte die Standortwahl erleichtert haben. Den Start-ups macht Kok die Zusammenarbeit mit Nokia schmackhaft: Für erfolgversprechende Ideen, die das Unternehmen gemeinsam mit den jungen Firmen entwickele, könnten diese beispielsweise auf finanzielle Förderung mit Wagniskapital aus dem konzerneigenen Fonds der Finnen hoffen. Herzstück des Sicherheitszentrums ist ein eigenes LTE-Testnetz, auf dem beispielsweise Angriffe auf die kritische Infrastruktur simuliert werden können. „Solche Bedrohungsszenarien kann man nicht hochrechnen, die muss man ausprobieren“, sagte Kok. Zu den Investitionskosten hält sich der Konzern bedeckt. Sie seien „signifikant“, lautet die dürre Aussage. Auch Arbeitsplätze entstünden durch die Ansiedlung nicht in nennenswerter Größenordnung.
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