Rohstoffe: Seltene Erden: Das chinesische Öl
Peking schränkt den Export von Rohstoffen massiv ein, die für E-Motoren, iPods und Laser nötig sind. Die Verknappung führt zu einem Anstieg der Preise und lässt die Kurse beteiligter Bergbauunternehmen in die Höhe schnellen.
Eine neue Rohstoffkrise droht: China hat die Ausfuhr sogenannter seltener Erden radikal gekürzt. Die Europäische Union, die USA und Japan sind alarmiert. Das Reich der Mitte dominiert den Weltmarkt und lieferte bisher rund 97 Prozent dieser speziellen Rohstoffe, die heute für viele neue Technologien gebraucht werden. So wird Cerium in Autokatalysatoren oder Ölraffinerien benutzt. Aus Neodym werden starke Magnete gebaut, die in Festplatten oder iPods stecken. Wie Yttrium dient es auch in der Lasertechnik.
Seltene Erden kommen häufig auch in der Waffentechnik zum Einsatz, zum Beispiel in Raketenlenksystemen, Düsen von Kampfjets, Satelliten oder Kommunikationssystemen. Doch die Welt ist völlig abhängig von der Förderung und Verarbeitung dieser besonderen Metalle in China.
„Der Nahe Osten hat sein Öl, China hat seltene Erden“, sagte schon 1992 der einst starke Mann und marktwirtschaftliche Reformer, Deng Xiaoping.
Während sich der entwickelte Westen immer weniger um die Ausbeutung seiner Vorkommen scherte, sind sich die kommunistischen Führer in Peking der Bedeutung dieser Grundstoffe bewusst. „Ohne seltene Erden kann es keine Zukunftstechnologie geben“, verkündete jüngst der Bürgermeister von Baotou, Hùercha, in der Inneren Mongolei, der größten Förderstätte in China. Für die zweite Jahreshälfte hat das Land jetzt seine Ausfuhrquote um 72 Prozent auf nur noch 8 000 Tonnen beschränkt. Ein drastischer Schritt, nachdem im Vorjahreszeitraum noch 28 000 Tonnen ausgeführt wurden. Als Gründe werden neben einem zu niedrigen Preis und nationalen Sicherheitsinteressen auch der Umweltschutz und der Kampf gegen illegale Förderung genannt.
Die künstliche Verknappung führt zu einem Anstieg der Preise und lässt die Kurse beteiligter Bergbauunternehmen in die Höhe schnellen. „Die seltenen Erden sind früher vergleichsweise billig verkauft worden“, sagt Chen Jiazuo, Experte der auf Rohstoffe spezialisierten chinesischen Beratungsfirma Antaike in Peking. „Andere Länder wie die USA und Australien haben auch Vorkommen, beuten sie aber nicht mehr aus, weil die Kosten zu hoch sind.“ In den USA schlug der Rechnungshof des Kongresses schon im April Alarm, weil die US-Verteidigungsindustrie von den Lieferungen aus China abhängig ist. Die Lieferkette in den USA wieder aufzubauen, „kann bis zu 15 Jahre dauern“, heißt es in einem Bericht. Es hänge auch von neuen Investitionen, der Entwicklung neuer Technologien und dem Erwerb von Patenten ab, die heute internationale Firmen hielten. Die USA erwägen sogar eine Klage bei der Welthandelsorganisation (WTO) in Genf.
Auch die Europäische Union ist beunruhigt. „Das wird die Lieferkette heftig stören“, sagt Jörg Wuttke, der frühere Vorsitzende der Europäischen Handelskammer in Peking. Er geht davon aus, dass ein Preisanstieg die Förderung an anderen Orten der Welt wiederbeleben dürfte. Über Chinas Motive kann er nur rätseln: „Manchmal gibt es auch protektionistische Hintergründe.“ Auf jeden Fall sorgt sich China um seine eigene Lieferkette. Ein Forschungsbericht des US-Kongresses zitierte Schätzungen, „dass bis 2012 Chinas Bedarf die heimische Förderung überschreiten wird“. Mit seinen hohen Wachstumsraten schießt der heimische Bedarf der zweitgrößten Wirtschaftsmacht in die Höhe. „Es geht um unsere nationale, beziehungsweise industrielle Sicherheit“, sagt der chinesische Experte Chen Jiazuo.
Ist das Riesenreich bei Eisenerz und anderen Bodenschätzen von Lieferungen aus dem Ausland abhängig, kann es bei seltenen Erden den Spieß umdrehen. In der Rohstofffrage steht für den Vizepräsidenten der Europäischen Kommission, Antonio Tajani, „die führende Rolle Europas in neuen Technologien und Innovation“ auf dem Spiel, wie er in Brüssel mitteilen ließ: „Deswegen müssen wir sicherstellen, dass der Zugang zu Rohstoffen für Unternehmen nicht behindert wird.“ dpa
Andreas Landwehr