Rohstoffe: Seltene Erden - auf nach Kasachstan
Die deutsche Industrie umgeht China und findet einen neuen Lieferanten für Seltene Erden. Kasachstans Staatschef Nasarbajew kommt nach Berlin.
Wenn man Wladimir Putin einen lupenreinen Demokraten nennen wollte, wäre Nursultan Nasarbajew wohl so etwas wie ein trüber Demokrat: Er regiert als Präsident die zentralasiatische Republik Kasachstan seit der Staatsgründung 1991. Beobachter bezeichneten die Parlamentswahl vor einem Monat als „Inszenierung“. Dennoch werden Bundespräsident Christian Wulff und Bundeskanzlerin Angela Merkel dem 71-Jährigen an diesem Mittwoch in Berlin den roten Teppich ausrollen. Denn Nasarbajews Land hat etwas, was Deutschland (fast) nicht hat: Rohstoffe.
Die deutsche Wirtschaft braucht jeden Lieferanten, wie der jüngste Bericht der Deutschen Rohstoffagentur (Dera) zeigt: Demnach wurden hierzulande im Jahr 2010 Rohstoffe im Wert von 17,7 Milliarden Euro produziert, vor allem auch Energierohstoffe wie Braunkohle und Erdgas. Daneben werden Kies, Ton und Gips in signifikanten Mengen gefördert. Zugleich musste Deutschland aber Rohstoffe für mehr als 109 Milliarden Euro importieren.
Eine wichtige und ausbaufähige Rolle spielt Kasachstan, das fast achtmal so groß wie Deutschland ist, aber kaum mehr Einwohner hat als Nordrhein-Westfalen. Kasachstan ist schon heute nach Russland und Großbritannien unser drittgrößter Rohöllieferant. Künftig soll das Land für die deutsche Wirtschaft aber auch den Zugang zu den berühmten Seltenen Erden sichern. Dahinter verbergen sich Spezialmetalle wie Samarium, das in Lasergeräten steckt. Oder Neodym, das man etwa zum Bau superstarker Magnete braucht, wie sie in Kernspintomographen oder Computerfestplatten verbaut werden. Andere Metalle braucht man etwa für Batterien von Elektroautos.
Um an diese Stoffe zu kommen, führte bisher kaum ein Weg an China vorbei. Die Chinesen haben die Kontrolle über rund 95 Prozent der erschlossenen Vorkommen für Seltene Erden – obwohl nur ein Drittel dieser Metalle in Chinas Böden liegt. Auch in Australien oder eben Kasachstan gibt es größere Vorkommen, die bisher aber kaum ausgebeutet werden. China nutzte sein Quasi-Monopol, und setzte die Seltenen Erden vor zwei Jahren auf eine Liste mit nunmehr 270 Produkten, die strengen Exportbeschränkungen unterliegen. Das verteuerte diese Metalle auf dem Weltmarkt extrem – mit Folgen für die Verbraucher: Vor einigen Monaten rechtfertigten zum Beispiel die führenden Leuchtmittelersteller Philips und Osram eine kräftige Verteuerung ihrer Energiesparlampen mit dem Verweis auf Chinas Rohstoffpolitik.
Was die deutsche Industrie für den Rohstoffnachschub tut
Die Welthandelsorganisation WTO hat erst vor wenigen Tagen einen Schiedsspruch gegen China gefällt, wonach die Chinesen Exportzölle für Bauxid, Zink, Koks, Phosphor und Magnesium abzubauen haben. Selbst wenn China dem folgt – die Seltenen Erden sind von dem Urteil nicht betroffen. Das könnte eine Chance sein für den Kasachen Nasarbajew, dessen Unterhändler im Vorfeld seines Berlin-Besuches signalisiert haben, dass ihr Land bereit wäre, auch mit deutscher Hilfe die unerschlossenen Vorkommen der Seltenen Erden und anderer Elemente wie Uran und Kupfer zu heben. Zwei Jahre intensiver Verhandlungen waren nötig, heißt es beim Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft. Nun endlich können Nasarbajew und Merkel „Abkommen über die strategische Zusammenarbeit im Rohstoff-, Industrie- und Technologiebereich“ unterzeichnen. Kasachstan sucht im Gegenzug Zugang zu deutschem Know-how.
Im Rahmen des Nasarbajew-Besuchs werden Unternehmen beider Länder insgesamt 30 verschiedene Geschäfte vereinbaren. Unter den Vertragspartnern sind Siemens, Linde und Thyssen-Krupp, aber auch die Leipziger Takraf GmbH, die unter anderem große Anlagen zur Ausbeutung von Gruben und Minen baut und wartet.
Ebenso lang wie an dem Abkommen mit den Kasachen feilte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) an der Gründung einer Allianz zur Rohstoffsicherung (ARS), deren Konzept der Verband erst vergangene Woche vorstellte: Dabei handelt es sich um ein „privatwirtschaftliches und gewinnorientiertes Unternehmen“, wie man beim BDI betont, das sich für die Gesellschafter an konkreten Rohstoffexplorationsvorhaben in aller Welt beteiligt.
Es soll geführt werden von dem ehemaligen Eon-Manager Dierk Paskert und in den kommenden Wochen ins Berliner Handelsregister eingetragen werden. Derzeit feilt man beim BDI noch an einem schmissigen Namen für die Allianz, der auch auf Englisch aussprechbar ist. Andere rohstoffarme Industriestaaten wie Japan und Südkorea haben solche – allerdings staatliche – Unternehmen schon seit den 1960er Jahren. Unter den ersten zwölf Gesellschaftern der deutschen Allianz sind Bayer, BASF, BMW, Daimler, Evonik, Thyssen-Krupp und Wacker Chemie.
Angeblich zahlen sie jeweils zunächst 300.000 Euro in das Unternehmen ein. Das ist ein eher bescheidener Beitrag, allerdings heißt es gerüchteweise, dass die Firmen in den kommenden fünf bis zehn Jahren gemeinsam bis zu einer Milliarde Euro in Schürfrechte, Förderunternehmen und Beteiligungen investieren wollen. Auch das ist noch wenig: Nach einer Schätzung der Weltbank wird China im Jahr 2015 rund 50 Milliarden Dollar allein in Afrika in Rohstoffe investieren.