Griechenland: Schuldenschnitt oder Pleite
Griechenland wankt am wirtschaftlichen Abgrund. Aus eigener Kraft kann sich Athen nicht mehr retten – nur ein Schuldenverzicht hilft, sagen Ökonomen.
Berlin - Kann Griechenland seine Schulden in den Griff bekommen? Muss es nur hart genug sparen und seine Zusagen einhalten, um wieder kreditwürdig zu werden? Das ist der Kern der Forderungen von FDP und CSU, das Land solle gefälligst heftig sparen, wenn es weitere Hilfen von Deutschland bekommen wolle. Doch dieser Weg funktioniert nicht, haben nun Ökonomen berechnet. „Wenn die Rettungspakete nicht ins Uferlose wachsen sollen, führt an einem kräftigen Schuldenschnitt kein Weg vorbei“, heißt es in einer neuen Untersuchung des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW). In Portugal sei die Lage „ähnlich verfahren“, im Falle Irlands „Wachsamkeit geboten“. Spanien, Italien und Frankreich seien dagegen von der Insolvenz weit entfernt.
Die Ökonomen um den Forscher Henning Klodt stellen sich damit gegen die bisherige Rettungspolitik von EU und IWF. Diese hatten Athen zuletzt im Juli ein weiteres Rettungspaket von zusätzlich 100 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt – in der Hoffnung, dass das Geld eines Tages wieder zurückfließt. Zugleich liefert die IfW-Studie den Skeptikern in der Koalition neue Argumente.
Bei der Frage, ob Griechenland die Wende schafft, geht es im Kern darum, ob es im Haushalt so hohe Überschüsse erwirtschaftet, dass es eines Tages seine Schulden abbauen kann. Fachleute sprechen davon, ob ein Land einen Primärüberschuss erzielt, nachdem die Ausgaben (ohne Zinszahlungen) von den Einnahmen abgezogen werden. Dafür nimmt das IfW verschiedene Szenarien an: Die Zinsen für Staatsanleihen bleiben entweder auf dem aktuell hohen Niveau, oder sie sinken in den kommenden Monaten, wenn die Panik an den Märkten abnimmt. Zudem unterstellen das Institut ein langfristiges Wirtschaftswachstum von zwei und von vier Prozent – angesichts der tiefen Rezession ist das recht optimistisch.
Das Ergebnis: „Selbst unter optimistischen Annahmen wird es Griechenland nicht schaffen, seine Staatsschulden in den Griff zu bekommen“, heißt es in dem Bericht aus Kiel. Der Primärüberschuss müsste demnach bei starkem Wachstum und zugleich sinkenden Zinsen bei 8,45 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung liegen. Im ungünstigsten Fall – weiterhin hohe Zinsen und schwaches durchschnittliches Wachstum – würde die immens hohe Marke von 21,59 Prozent benötigt.
Das Problem: Primärüberschüsse von mehr als fünf Prozent über mehrere Jahre sind extrem selten. Dies gelang europäischen Ländern zwischen 1980 und 2010 nur in sehr wenigen Fällen. Diese Marke ohne Hilfe von außen über Jahrzehnte zu überschreiten, sei „weitgehend illusorisch“, urteilen die Forscher. 2010 wies Athen keinen Primärüberschuss auf, sondern ein Defizit von 1,65 Prozent. Das IfW geht mit den „politischen Institutionen“ OECD und IWF denn auch hart ins Gericht. Ihre optimistischen Prognosen für Griechenland seien „Schönmalereien“ und stünden unter „euphorischen Erwartungen“. Carsten Brönstrup
Carsten Brönstrup