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Wirtschaft: Schöne neue Lidl-Welt

Eine PR-Offensive soll den Discounter als Qualitätsmarke positionieren, doch Werber sind skeptisch.

Düsseldorf - Wispernde Mädchenstimme. Melancholische Musik. Sanfte Bilder im Gegenlicht. Keine Frage, der Imagefilm des Discounters Lidl ist schön anzusehen. Und doch erntet er ordentlich Kritik in der Werbefachwelt: „Wenn er nur nicht so völlig neben der Marke Lidl und ihrer Realität liegen würde“, bemängelt zum Beispiel Britta Poetzsch, Kreativchefin der Werbeagentur Ogilvy. Als Absender des Spots könnte man alles erwarten: Lebensversicherungen, Bioapfelsaft – aber auf keinen Fall Lidl.

Mit einem gewaltigen Werbevolumen überzieht der zur Schwarz-Gruppe gehörende Discounter seit Februar die Werbeflächen der Republik. Und greift damit nicht nur Discountpionier Aldi an, sondern auch Supermärkte – im Fachjargon Vollsortimenter – wie Edeka und Rewe. Nach Berechnungen des Hamburger Marktforschers Ebiquity, die dem Handelsblatt exklusiv vorliegen, hat Lidl zwischen Anfang Januar und Mitte März brutto fast 50 Millionen Euro für Werbung im Fernsehen, in Printmedien, im Internet, im Radio und auf Plakaten ausgegeben. Das ist fast doppelt so viel wie im Vorjahreszeitraum.

Und deutlich mehr, als der Rest der Handelswelt für Eigenwerbung spendierte: Aldi gab im selben Zeitraum knapp 21 Millionen Euro aus, Edeka rund 20 Millionen und Rewe gut 19 Millionen. Weitaus werbeunlustiger gaben sich Kaufland (ebenfalls Schwarz-Gruppe) mit knapp drei Millionen Euro und Kaiser’s Tengelmann mit rund zwei Millionen. Lidl selbst mache keine Angaben zu Kennzahlen der Kampagne, heißt es bei Lidl.

Das Ziel der Kampagne, die der Discounter als „Qualitätsoffensive“ bezeichnet, ist laut Lidl klar. „Wir wollen nach wie vor Maßstäbe in der Qualität unserer Produkte setzen, aber auch darüber hinaus: als Arbeitgeber und als Unternehmen, das seine Verantwortung gegenüber Umwelt und Gesellschaft wahrnimmt“, teilt Lidl mit. Hintergrund sei ein Erneuerungsprozess. Seit 2008 – damals sorgte der Skandal um die Überwachung von Mitarbeitern bei Lidl für Empörung und wochenlange Diskussionen – habe man sämtliche Vorgänge und Strukturen überarbeitet.

Lidl wirbt mit Qualität – doch was steckt dahinter? Fakt ist: Der Discounter modernisiert seine Filialen in Deutschland und hat das Sortiment in den vergangenen Jahren stark erweitert, vor allem im Frischebereich und auch bei Wein. Lidl wird mehr und mehr zum Vollversorger mit einem breiten Angebot. Statt Grundversorgung auf Paletten gibt es Brötchen aus Backstationen, Delikatessen, fair gehandelte und regionale Produkte oder Bio-Lebensmittel.

„Lidl will weg vom reinen Billig-Image, Vorurteile zerstören und Akzeptanz schaffen. Und sich natürlich gegenüber anderen Discountern wie Netto oder Penny absetzen“, sagt Boris Planer vom Handelsforschungsinstitut Planet Retail. „Es geht Lidl darum, sich im mittleren Marktsegment – also als günstiger Händler, aber mit einer recht großen Auswahl an Eigenmarken und Markenartikeln – zu positionieren.“ Diese Nische zwischen Discounter und Supermarkt ist seiner Ansicht nach noch nicht wirklich besetzt. „Lidl setzt bei seiner Imagewandlung auf eine dominante und omnipräsente Werbestrategie“, so Dietmar Kruse, Europachef von Ebiquity. Dem Discounter könne seit dem Kampagnenstart Mitte Februar mit deutlichem Abstand wöchentlich der höchste Werbedruck über alle Medien auf Markenebene zugeordnet werden. Doch ist die Dominanz-Strategie auch im Fall Lidl richtig? Darüber streiten die Marketingexperten trefflich. Für Kruse ist klar: „Trotz aller Kampagnenkritik werden sich die hohen Werbeinvestitionen in Bezug auf die Steigerung der Markenbekanntheit lohnen.“ 

Doch gerade dies bezweifelt Andreas Pogoda, Gesellschafter der Markenberatung Brandmeyer. In der Werbekampagne würde Lidl über die Qualität von Waren an sich sprechen, über gute Weine, besonderes Brot. Doch welche Rolle der Händler Lidl tatsächlich dabei spielt, bleibe unklar. Es fehle ein Hinweis in der Art „und dies gibt es nur bei Lidl“, kritisiert Pogoda.

Pogoda prognostiziert daher eine eher „schlechte Werbezuordnung“ in späteren Marktforschungsuntersuchungen. „Die hochtrabenden Werbeaussagen werden beim nächsten Einkaufserlebnis gelöscht“, urteilt er. Die Frage der Zielpositionierung des Händlers, so meint der Markenexperte, sei im Kern noch immer nicht gelöst. Und bis dahin sei die schöne, aber austauschbare Lidl-Kampagne lediglich „ein teurer Spaß“. 

Catrin Bialek, Kirsten Ludowig (HB)

Catrin Bialek

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