Streit der Gewerkschaften: Schon wieder Ärger bei der Bahn
Die Eisenbahnergewerkschaften GDL und EVG streiten um Einfluss, der Konzern will einen Machtkampf vermeiden und versucht zu vermitteln.
Es sind drei Dinge, die der Reisende heutzutage bei der Eisenbahn zu fürchten hat: Überforderte Klimaanlagen im Sommer, eingefrorene Weichen im Winter und Streiks des Personals – zu jeder Jahreszeit. All das behindert sein Fortkommen. Während sich Hitze und Kälte aber noch einigermaßen vorhersagen lassen, besitzen Arbeitskämpfe ihre eigene Dynamik. Besonders wenn – wie bei der Deutschen Bahn – mehrere Gewerkschaften am Tisch sitzen und sich profilieren wollen.
Tagelange Streiks und bundesweite Zugausfälle waren 2007 und 2008 die Folge, als die Lokführer ein eigenständiges Tarifwerk verlangten. Jetzt könnte den Bahn-Kunden ein ähnliches Szenario ins Haus stehen. Der damals geschlossene Burgfrieden zwischen der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) einerseits und der Gewerkschaft deutscher Lokomotivführer (GDL) andererseits ist ausgelaufen. Beiden Seiten geht es nun darum, ihren Machtbereich auszuweiten – die GDL will nicht mehr nur für die Lokführer Tarifverträge abschließen, sondern auch für Zugbegleiter und Bordpersonal. Umgekehrt möchte die EVG auch die Lokführer vertreten.
Die Bahn will nicht unter dem Machtkampf der Gewerkschaften leiden
Und zwischen den Stühlen sitzt die Bahn, die vor allem eines vermeiden will: durch einen Machtkampf der Arbeitnehmervertreter vergrätzte Fahrgäste, die überhaupt nicht verstehen, wie ihnen geschieht. An diesem Montag wollen alle drei Seiten einen Versuch unternehmen, sich auf neue Spielregeln zu einigen – die Chancen stehen schlecht.
Die anstehenden Tarifverhandlungen betreffen 170 000 Beschäftigte. Bisher verhandelte die EVG für rund 140 000 Bahn-Angestellte, darunter Zugbegleiter, Mitarbeiter im Bordservice und Lokrangierführer. Die GDL zeichnete verantwortlich für die rund 20 000 Lokführer. Der Tarifvertrag, der die Zuständigkeiten abgrenzte, ist Ende Juni ausgelaufen. Als wäre das noch nicht genug, muss parallel dazu auch noch die Bezahlung der Bahner neu geregelt werden.
Die GDL will fünf Prozent mehr Geld
Die GDL hat frühzeitig ihre Forderungen angemeldet: Zum einen will sie für das gesamte Zugpersonal streiten, schließlich gehöre es „untrennbar zusammen“, erklärte GDL-Chef Claus Weselsky. Zudem will die GDL die Arbeitszeit von 39 auf 37 Stunden verkürzen, bessere Schichtregelungen und fünf Prozent mehr Geld. Das Paket summiere sich auf ein Plus von 15 Prozent, hat die Bahn ausgerechnet – und abgeschmettert.
Auch die EVG strebt nach mehr Einfluss. Die bisherige Regelung mit der GDL habe sich „nicht bewährt“, befand der EVG-Vorsitzende Alexander Kirchner – und meldete seinerseits Ansprüche auf die Vertretung der Lokführer an. Beim Geld ist er noch nicht so weit, erst Ende August will die Gewerkschaft ihre Forderung präsentieren. Immerhin: Eine Kooperation mit der GDL kann sich Kirchner unter bestimmten Bedingungen vorstellen – angesichts der jahrelangen Fehde zwischen beiden Lagern immerhin ein Signal.
Einigungsversuche in kleiner Runde
Die Bahn vernimmt es gerne, denn eine fortwährende Konkurrenz zwischen GDL und EVG ist für die Manager ein Schreckensszenario. „Tarifkonkurrenz müssen wir um jeden Preis vermeiden“, mahnte nun ein hochrangiger Manager. Der Staatskonzern fürchtet Chaos im Alltag, etwa durch unterschiedliche Verdienst- und Arbeitszeitregelungen je nach Gewerkschaftszugehörigkeit. Bei bis zu sieben Millionen Schichten der fraglichen Klientel sei das nicht zu bewerkstelligen.
In kleiner Runde haben die drei Seiten nun versucht, den komplizierten Knoten aufzulösen. Die Gewerkschaftsbosse Kirchner und Weselsky sowie Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber haben sich bislang dreimal getroffen. Dass man überhaupt noch miteinander rede, sei schon ein Fortschritt, heißt es aus der Runde. Sogar ein mögliches Konstrukt für künftige Tarifrunden, ein achtseitiger Vertragsentwurf, hat die Spitzengruppe erarbeitet. Demnach könnten GDL und EVG künftig kooperieren, je nach Berufsgruppe darf die Organisation verhandeln, bei der die meisten Beschäftigten organisiert sind. Schließlich, heißt es bei der Bahn, müssten sich Gewerkschaften in Zukunft ganz anderen Fragen widmen, etwa der Herausforderung durch die Demografie, statt die Kunden mit ihren Spielchen zu nerven.
Bahn-Kunden steht womöglich ein heißer Herbst bevor
Während die EVG dem Bahn-Entwurf aufgeschlossen gegenübersteht, gibt es bei der GDL eher Ablehnung. „Wir halten das, was auf dem Tisch liegt, nicht für geeignet, unsere Arbeit als eigenständige Gewerkschaft zu gewährleisten“, sagte ein GDL-Sprecher. Man werde am Montag einen eigenen Entwurf vorlegen. Klar sei aber, dass die Gespräche „nicht mehr ewig“ gehen könnten. Ähnliche Töne gibt es auch bei der EVG, irgendwann müsse man eben mit einem Streik den Arbeitgeber an die Forderungen der Gewerkschaft erinnern, heißt es.
Womöglich wird es also ein heißer Herbst für die Bahn-Kunden – mit immerhin einer Sicherheit: Ausfallende Klimaanlagen sind bei weniger als 20 Grad Außentemperatur eher unüblich. Die übrigen Risiken bleiben bestehen.