zum Hauptinhalt
Erklärungsnot. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wurde bereits am 4. Oktober über die falschen Zahlen der Bad Bank informiert.
© dpa

Um Milliarden verrechnet: Schäuble braucht Pannenhilfe

Bei der Skandalbank HRE beginnt die Suche nach den Verantwortlichen für den 56-Milliarden-Fehler. Schon am 4. Oktober wurde das Bundesfinanzministerium informiert - nun gerät Wolfgang Schäuble in die Kritik.

Nach Bekanntwerden des Bilanzfehlers von 55,5 Milliarden Euro bei der Skandalbank Hypo Real Estate (HRE) hat am Montag die Suche nach den Ursachen und den Verantwortlichen begonnen. Während das Bundesfinanzministerium mögliche Versäumnisse des Wirtschaftsprüfers Pricewaterhouse-Coopers (PWC) andeutete, erklärten die Prüfer, der erstaunliche Fehler sei offenbar von einem externen Dienstleister gemacht worden, der die Buchführung für die Bad Bank der HRE – die FMS Wertmanagement – übernommen hatte. Finanzkreisen zufolge handelt es sich bei dem Dienstleister um die verstaatlichte HRE selbst. Denn die HRE hat für ihre Bad Bank einen Großteil der Datenverarbeitung übernommen.

Das Bundesfinanzministerium wies jede Verantwortung für den Rechenfehler zurück: „Wir hatten einen testierten Jahresabschluss 2010, der gesagt hat, es ist alles gut“, sagte Ministeriumssprecher Martin Kotthaus in Berlin. Das Ministerium übe nicht die Fachaufsicht über die FMS Wertmanagement aus, sondern die Finanzmarktstabilisierungsanstalt. Für die Aufstellung der Bilanz und das Testat seien die Gesellschaft selbst und der Wirtschaftsprüfer verantwortlich. „Wenn solche Korrekturen in dieser Höhe notwendig werden, ist das, diplomatisch ausgedrückt, ärgerlich“, sagte Kotthaus.

PWC erklärte, im Jahresabschluss zum 31. Dezember 2010 der FMS Wertmanagement habe es „auch unter Berücksichtigung des Tatbestands, dass wesentliche Teile der Buchführung ausgelagert sind, keine Anhaltspunkte für Fehler“ gegeben. Erst im Zusammenhang mit dem Halbjahresabschluss zum 30. Juni 2011 seien entsprechende „Geschäftsvorfälle identifiziert“ worden, bei denen Derivategeschäfte falsch verrechnet worden seien. Dies sei korrigiert worden – mit dem Ergebnis, dass sich Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten massiv reduziert hätten. Die Bilanzsumme der FMS Wertmanagement und damit gewissermaßen auch das Volumen „fauler Wertpapiere“ schrumpfte insgesamt um 55,5 Milliarden Euro.

Lesen Sie auf Seite 2, welche Kritik die SPD an Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble übt.

PWC ergänzte am Montag, die Bilanzpanne sei offenbar auch auf eine falsche Präsentation zurückzuführen. Die Prüfer verwiesen auf eine „nicht zur Veröffentlichung vorgesehene interne Darstellung einzelner Bilanzposten gegenüber dem Anteilseigner“, also dem Bund. Der Fehler drückt zwar die Schuldenquote Deutschlands um 2,6 Punkte auf 81,1 Prozent der Wirtschaftsleistung, hat aber keinen Einfluss auf das Ergebnis der Bad Bank. Auch der Staatshaushalt profitiert nicht von der geänderten Rechnung. Die FMS, die zum Halbjahr einen Verlust von fast 700 Millionen Euro schrieb, will ihr 160 Milliarden Euro schweres Portfolio bis 2020 abbauen.

Obwohl PWC die Verantwortung für den Fehler zurückweist, leitete die Wirtschaftsprüferkammer am Montag ein Verfahren ein, das die Hintergründe der milliardenschweren Panne aufarbeiten und untersuchen wird, „ob die Abschlussprüfer ihren Pflichten nachgekommen sind“, wie es in einer Mitteilung hieß. Werde ein Fehlverhalten festgestellt, könne dies zu „berufsrechtlichen Maßnahmen“ führen. PWC hatte für die Prüfung der FMS-Bücher ein Honorar von 1,2 Millionen Euro bekommen, für Zusatzleistungen noch einmal 65 000 Euro.

Das Finanzministerium wurde nach eigenen Angaben über die dramatisch falschen Zahlen in den FMS-Büchern erstmals am 4. Oktober informiert. Endgültig bestätigte Zahlen hätten am 11. Oktober vorgelegen, zwei Tage später sei die europäische Statistikbehörde Eurostat unterrichtet worden, sagte Ministeriumssprecher Kotthaus. Am 21. Oktober hätte das Finanzmarktgremium des Bundestages informiert werden sollen. Da die Sitzung ausgefallen sei, seien die Abgeordneten am 28. Oktober informiert worden.

Für Mittwoch wurde eine Besprechung mit Vertretern der HRE, der Bad Bank, der PWC-Wirtschaftsprüfer und der Finanzmarktstabilisierungsanstalt anberaumt. „Wir machen mit Hochdruck die Sachaufklärung, wir nehmen die Sache sehr sehr ernst“, sagte Kotthaus. Es gebe eine erste Idee, was passiert sein könne.

Während die Koalitionsparteien Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) das Vertrauen aussprachen, sieht die SPD einen „unfassbaren Fehler in Schäubles Ministerium“. „Es stellt sich die Frage, ob der Bundesfinanzminister in seinem Haus genug personelle Ressourcen für die Analyse und Kontrolle der mit der Banken- und Finanzkrise zusammenhängenden Fragen bereit stellt“, kritisierte der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Joachim Poß. Schäuble trage die volle Verantwortung, da es sich um eine staatliche Bank handle.

(mit rtr, dpa)

Henrik Mortsiefer

Zur Startseite