Atomausstieg: Sachlich machbar
Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler versucht, die Energiewende zu erklären. Es bleibt bei einem Versuch.
Berlin - Eine halbe Stunde ließ Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) rund 1000 Energiemanager warten. Dann hielt er eine Rede, die die Chefin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), Hildegard Müller, zum „engagierten Vortrag“ erklärte. Da ging leises Lachen durch die Reihen. Einen Tag vor der Verabschiedung des Energiepakets im Bundestag versuchte Rösler am Mittwoch bei der BDEW-Jahrestagung, die rund 800 Seiten Gesetzestext zu Atomausstieg und Energiewende zu begründen. Es blieb bei einem Versuch.
Nach zwei Monaten ist Rösler noch nicht im Amt des Bundeswirtschaftsministers angekommen. Bevor er 2009 Gesundheitsminister geworden war, fungierte er schon einmal kurzzeitig als Wirtschaftsminister, damals in Niedersachsen. Nun, als Bundesminister, habe sich seine „Sicht auf den Föderalismus völlig geändert“, bekannte er. Kein Wunder, schließlich sollten die Länder ihre Planungskompetenzen für den Ausbau der Stromnetze an den Bund abgeben. Darauf haben die sich aber nicht eingelassen. Stattdessen soll es nach Aussage von Rösler nun eine gemeinsame Netzplanung geben, ähnlich wie beim Bundesverkehrswegeplan. Der Minister versprach eine Verkürzung der Planungs- und Genehmigungszeit von im Schnitt zehn auf vier Jahre.
Die Reform, die Rösler als „Energieumstellung“ bezeichnet, sei ehrgeizig, aber ein „sachlich machbarer Beschluss“. Der FDP-Chef verteidigte seinen Kampf für eine nukleare Kaltreserve in den kommenden zwei Wintern. Im Atomgesetz ist auf Wunsch der FDP vorgesehen, dass ein nun stillgelegtes Atomkraftwerk als „Reservekraftwerk“ vorgehalten werden soll, um „Gefährungen der Netzstabilität“, wie Rösler das ausdrückte, zu verhindern.
Allerdings hat die Bundesregierung auf die Frage, in welchem Zustand eine solche nukleare Kaltreserve gehalten werden solle, keine Antwort. Nachdem die Grünen-Abgeordnete Ingrid Nestle sich erkundigt hatte, ob der Reaktor jederzeit angefahren werden könne soll oder nur „im Eigenbedarf“ vorgehalten werden solle, antwortete die Staatssekretärin im Bundesumweltministerium Ursula Heinen-Esser, der „Reservebetrieb kann verschiedene Betriebszustände erfassen“. Nestle kommentiert das mit der Anmerkung, die Regierung wisse offenkundig nicht, „wovon sie spricht“. Gestritten wurde am Mittwoch in den Fraktionen noch über die Energieeffizienz. Allerdings nicht, wie Philipp Rösler beim BDEW vermutete, über das Förderprogramm der bundeseigenen KfW-Bank zur Gebäudesanierung mit einer Summe von 1,5 Milliarden Euro. Gestritten wurde vielmehr über die Frage, ob – wie im Gesetzentwurf der Koalition vorgesehen – nur große Vermieter in den Genuss von steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten kommen sollen oder auch Einfamilienhausbesitzer.
Wer ein Haus energetisch saniert, sollte diese Investition innerhalb von zehn Jahren abschreiben können – unabhängig von der Größe des Hauses. Ähnliche Steuersparmodelle hat es nach der Vereinigung für die Sanierung ostdeutscher Wohngebäude gegeben. Die Steuermindereinnahmen schätzt die Regierung auf ebenfalls 1,5 Milliarden Euro. Der Bundesrat verlangt, dass der Bund diese Steuerausfälle alleine tragen soll, die Regierung will die Länder an den Kosten beteiligen.
Auf eine Diskussion ließ sich Rösler beim BDEW nicht ein. Stattdessen schickte er seinen beamteten Staatssekretär Jochen Homann in die Debatte, der begründete, warum ein Teil der Regierungspläne noch nicht in Gesetzesform vorliegt. Eine Novelle des Gesetzes zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung kündigte Homann für das Jahresende an. Und die von Rösler in Aussicht gestellte Entlastung der Industrie von der Umlage für die Förderung der erneuerbaren Energien im Umfang von 1,3 Milliarden Euro, müsse – ebenso wie ein Zuschussprogramm für den Kraftwerksneubau – erst von der EU-Kommission genehmigt werden. „Da müssen wir noch Überzeugungsarbeit leisten“, hatte Rösler zuvor gesagt.