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Heißes Geschäft. Für die Glasproduktion werden hohe Temperaturen gebraucht - und entsprechend viel Gas.
© mauritius images / Alamy Stock Photos / Vladimir Pomortzeff

Energiepreise belasten Industrie: Rund um die Uhr unter Volldampf

Die Grundstoffindustrien beschäftigen hierzulande knapp 900 000 Arbeitskräfte. Große Abhängigkeit von Strom und Gas.

Ohne Gas kein Glas. Viel Gas ist erforderlich, denn Glas wird bei einer Temperatur von bis zu 1650 Grad hergestellt. In so genannten Glasschmelzwannen lösen sich Rohstoffe wie Altglas, Sand und Karbonate auf und werden zu Glas. Die Anlagen laufen rund um die Uhr: Es muss heiß bleiben, andernfalls würden die 100 bis 500 Quadratmeter großen Schmelzöfen, die 2500 Tonnen Glas fassen können, beschädigt. Ohne Unterbrechung laufen die Öfen bis zu 20 Jahre. Für eine gewisse Zeit abstellen und auf preiswertes Gas warten, kommt nicht in Frage. „Die Glasindustrie benötigt eine Mindest-Erdgasmenge von rund 70 Prozent des Normalbetriebes, um ihre Glaswannen vor Schäden zu schützen“, heißt es beim Branchenverband.

Die Glashersteller gehören zu den sehr energieabhängigen Industrien mit insgesamt 900 000 Beschäftigten in Deutschland. „Jeder Arbeitsplatz in der energieintensiven Grundstoffproduktion sichert etwa zwei Arbeitsplätze in anderen Industriezweigen und im Dienstleistungssektor. Das bedeutet: Es geht um 2,5 Millionen Arbeitsplätze“, betonen die großen Energieverbraucher ihre Relevanz.
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Metallverarbeiter und Stahlproduzenten, Baustoff- und Chemieindustrie stehen am Beginn einer Wertschöpfungskette, die prägend ist für die Volkswirtschaft: „Deutschland erwirtschaftet rund 27 Prozent der industriellen Bruttowertschöpfung der EU, mehr als Großbritannien und Frankreich zusammen“, heißt es beim Bundesverband der Industrie (BDI). Das Verarbeitende Gewerbe steht für 90 Prozent der Exporte; 90 Prozent aller Ausgaben der deutschen Wirtschaft für Forschung und Entwicklung werden von der Industrie aufgebracht.

Der Staat bestimmt den Preis

Um Aluminium, Kupfer und Zink, Dämm- und Kunststoffe sowie Grundchemikalien, Papier und Karton, Glas, Glasfasern, Stahl, Zement, Kalk, Gips und Keramik herzustellen, werden Strom und Gas benötigt. „Gerade im Industrieland Deutschland spielt eine sichere, bezahlbare und klimagerechte Energieversorgung eine entscheidende Rolle", argumentiert der BDI. Dabei ächzt die Industrie seit langem unter hohen Preisen: Emissionshandel, EEG-Umlage, KWK- Umlage, Stromsteuer und Energiesteuer haben in den vergangenen 20 Jahren zu einem Anstieg der Strompreise um knapp 6,4 Prozent beigetragen – in jedem Jahr, wohlgemerkt. 41 Prozent des Endpreises entfallen derzeit auf Steuern, Abgaben und Umlagen. Die IG Metall hat einen Anstieg von knapp 14 Cent pro Kilowattstunde im Jahr 2000 auf aktuell 34,64 Cent ausgerechnet und nennt das „eine besorgniserregende Entwicklung“.

Ammoniakproduktion zu teuer

„Aufgrund der unverändert hohen Gaspreise sieht sich die Geschäftsführung der SKW Piesteritz gezwungen, zeitweise eine Ammoniakanlage herunterzufahren“, teilte der größte deutsche Hersteller von Ammoniak und Harnstoff in der Lutherstadt Wittenberg mit. Und zwar nicht in diesen Kriegstagen, sondern bereits im Dezember. Seitdem ist der Gaspreis am Spotmarkt explodiert, und die SKW bemüht sich, mit der Situation zu leben. Und das heißt: Energiekosten wenn eben möglich an die Kunden weitergeben. SKW ist Marktführer bei der Herstellung von AdBlue, mit dem die Abgase dieselbetriebener Fahrzeuge gesäubert werden. Ammoniak ist der Grundstoff für Düngemitteln und überhaupt für chemische Produkte.

Chemieindustrie braucht Hitze

Die Chemie hängt am Erdgas. Nach eigenen Angaben setzt die Branche rund 2,8 Millionen Tonnen Erdgas als Rohstoff (entspricht 27 Prozent des Gesamtverbrauchs) ein, 73 Prozent werden für die Energieerzeugung benötigt. Ähnlich wie die Glasindustrie arbeitet auch die Chemie mit hohen Temperaturen. „Sollte Gas in Europa knapp werden, könnte die Lage äußerst problematisch werden“, sagt Wolfang Große Entrup vom Chemieverband VCI. Viele Betriebe „stehen mit dem Rücken an der Wand. Deshalb diskutieren wir unter Hochdruck mit der Bundesregierung über Lösungen und Maßnahmen für Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit von Energie“, sagt Große Entrup. LNG, sofern überhaupt vorhanden, ist vorerst keine attraktive Alternative. „Flüssiggas vom Weltmarkt und Gas aus europäischer Förderung ist teurer als Erdgas aus Russland“, heißt es beim VCI.

Unterm Damoklesschwert

„Die hohen Strom- und Erdgaspreise schweben wie ein Damoklesschwert über der NE-Metallindustrie“, beschreibt die Wirtschaftsvereinigung Metalle die Situation der Nichteisen (NE)-Industrie, zu der 650 Unternehmen mit gut 100 000 Beschäftigten gehören. Im Kreis der Grundstoffindustrien fällt ist diese Branche durch ihre Stromabhängigkeit auf. Die Preise haben sich binnen Jahresfrist mehr als verdoppelt; wenn die derzeitigen Beschaffungsverträge auslaufen und die Kosten voll durchschlagen, wird es eng. „Zu den aktuellen Strompreisen kann kein Betrieb produzieren“, sagt ein Branchenvertreter, der nicht genannt werden möchte. Die Wirtschaftsvereinigung Stahl wiederum hat ausgerechnet, dass das Preisniveau für Strom und Gas die deutschen Stahlkocher mit ihren 87 000 Beschäftigten mit Mehrkosten von rund zwei Milliarden Euro belastet. Die Wettbewerbsfähigkeit der Elektrostahlproduktion leide, die wiederum wichtig sei für die Erreichung der Klimaziele, sagt Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl.

Stahlwerk runtergefahren

Am Donnerstag stoppten die Lech- Stahlwerke im bayerischen Meitingen die Produktion. Aufgrund der hohen Energiepreise sei die „ wirtschaftlich nicht sinnvoll“. Das Elektro-Stahlwerk produziert jährlich über eine Million Tonnen und verbraucht dabei so viel Strom wie eine Stadt mit 300<ET>000 Einwohnern. Überhaupt stellt das aktuelle Preisniveau die Dekarbonisierung der Stahlindustrie in Frage, die Thyssen-Krupp, Salzgitter und Arcelor Mittal mit riesigen Mengen grünen Stroms respektive Wasserstoff angehen wollen. Mit dem Einsatz einer Tonne klimaneutralen Wasserstoffs seien im Stahl Einsparungen von 28 Tonnen CO2 möglich, rechnet Kerkhoff vor. Doch dafür braucht man viel Strom. Bezahlbaren Strom. Das gilt ebenso für die Dekarbonisierung der Baustoffbranche: Allein die Zementindustrie verursacht im Jahr 20 Millionen Tonnen CO<CW-80><MD->2</MD></CW>.

400 mittelständische Betriebe mit 54<ET>000 Mitarbeitenden produzieren in Deutschland Flachglas und Behälterglas, Gebrauchs- und Spezialglas. In keinem anderen Land in Europa gibt es so viele Glas produzierende Unternehmen wie hier. „Die Situation ist so dramatisch, dass bereits Glasschmelzöfen oder neue Glaswannen gar nicht erst in Betrieb genommen werden“, heißt es beim Verband. Wie alle Energieverbraucher hoffen auch die Glasfirmen auf die Politik, bestenfalls mit einem Industriestrompreis. „Olaf Scholz hatte hier bereits vier Cent/kWh ins Spiel gebracht“, erinnert der Verband der Glasindustrie an frühere Aussagen des Bundeskanzlers.

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