Lebensmittelkontrolleure kritisieren Reform: "Rund 30 Prozent der allgemeinen Regelkontrollen werden wegfallen"
Maik Maschke ist Vizechef des Berufsverbands. Er warnt vor einer Aufweichung des Verbraucherschutzes und sieht auch die Berliner Alleingänge kritisch.
Maik Maschke ist Vize-Chef des Bundesverbands der Lebensmittelkontrolleure und arbeitet selbst als Kontrolleur in Sachsen. Das Bezirksamt Pankow will ab November die Ergebnisse aller Lebensmittelkontrollen im Internet veröffentlichen. Auf Bundesebene tritt zudem demnächst eine neue Verordnung in Kraft, die die Regelontrollen reduziert, Maschke sieht all das kritisch.
Herr Maschke, was bringt es den Verbrauchern in Pankow, wenn sie wissen, wie der Imbiss oder ihr Café um die Ecke bei der letzten Kontrolle abgeschnitten hat?
Grundsätzlich ist es gut, wenn die Menschen informiert werden. Aber zu viele Informationen schaden, die Verbraucher stumpfen ab. Statt sie mit allen Kontrollberichten zu konfrontieren, die für Dritte nicht unbedingt leicht verständlich sind, sollte man sie gezielt über schwarze Schafe informieren.
Was heißt das konkret?
Die Verbraucher sollten erfahren, wenn es gravierende Verstöße gegeben hat und der Unternehmer dafür rechtskräftig mit einem Bußgeld belangt worden ist. Außerdem gibt es ja schon jetzt die Möglichkeit, sich über die Kontrollen zu informieren. Die Bundesländer veröffentlichen ja jedes Jahr entsprechende Berichte. Allerdings liest die kaum jemand. Wir Lebensmittelkontrolleure fliegen unter dem Radar, bis es mal wieder einen großen Lebensmittelskandal gibt.
Umso besser, dass Pankow vorprescht!
Ich halte nichts von Alleingängen einzelner Bezirke. Wir brauchen keinen Flickenteppich bei den Informationen, sondern ein bundeseinheitliches System.
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Davon sind wir aber weit entfernt.
Leider ja, aber das heißt doch nicht, dass das auch so bleiben muss. Pankow informiert, Marzahn-Hellersdorf nicht, was soll das? Nehmen Sie eine Bäckerei mit mehreren Filialen in Berlin: in einem Bezirk muss das Unternehmen die Kontrollergebnisse offenlegen, im anderen nicht. Das ist doch ungerecht und führt auch zu Verunsicherungen.
In Dänemark hängen am Eingang von Restaurants die Ergebnisse der Kontrolluntersuchungen. Jeder Gast kann das sehen und sich dann überlegen, ob er das Lokal betritt. Warum können wir das in Deutschland nicht auch machen?
Dänemark hat ein völlig anderes Kontrollsystem, das Land ist ein Zentralstaat mit einer zentral organisierten amtlichen Lebensmittelüberwachung. In Deutschland haben wir 16 Bundesländer und 401 für die Lebensmittelüberwachung zuständige Ämter. Selbst die Bußgelder sind unterschiedlich. Wir brauchen eine Lebensmittelüberwachung, die bundesweit nach einheitlichen Kriterien arbeitet. Dann kann man auch über die Symbole und die Aushänge sprechen. Ich kann nicht in Berlin mit dem Berliner Bären arbeiten, in Sachsen den Hygienepass machen und in Stuttgart drei Gabeln ins Fenster hängen.
Ein weiteres Problem ist ja auch, dass viele Kontrollen mangels Personal gar nicht stattfinden.
Uns fehlen derzeit in Deutschland rund 1500 Lebensmittelkontrolleure, um die gesetzlich vorgeschriebenen Regelkontrollen durchführen zu können. In Deutschland ist in erster Linie der Unternehmer für die Lebensmittelsicherheit zuständig, wir Kontrolleure überprüfen das. Wie oft das passiert, richtet sich nach der Risikobeurteilung und einem darauf basierenden Punktesystem. Dieses System ist jetzt verändert worden. Die neue Vorschrift tritt in diesen Tagen in Kraft.
Was ändert sich?
Die Kontrollfrequenzen werden deutlich gesenkt. Rund 30 Prozent der allgemeinen Regelkontrollen werden wegfallen. Man passt die Aufgabe dem derzeit vorhandenen Personal an und nicht umgekehrt. Davon profitieren alle Kreise und Städte, die die Vorgaben bislang nicht schaffen. Das führt aber zu einer deutlichen Schwächung des Verbraucherschutzes.
Bundesagrarministerin Julia Klöckner sagt, die Lebensmittelkontrolle müsse sich stärker auf die Problembetriebe konzentrieren.
Wenn ich weniger Regelkontrollen mache, wird es umso schwerer, die Problembetriebe überhaupt zu entdecken. Nehmen Sie das Beispiel Wilke.
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Der hessische Wursthersteller, der jede Menge Gammelfleisch unter die Leute gebracht hat …
Wilke musste bislang mindestens zwölf Mal im Jahr kontrolliert werden, nach der Reform sind es nur noch vier Mal im Jahr. Wenn ein Lebensmittelkontrolleur Schimmel an der Wand entdeckt, kann er das Unternehmen warnen und dem Unternehmer vorschreiben, das unverzüglich zu beseitigen. Wenn man aber seltener kontrolliert, die Wand schon völlig verschimmelt ist und der Schimmel auch auf die Lebensmittel übergreift, muss der Betrieb vielleicht dicht gemacht werden.
Das Agrarministerium will stattdessen die anlassbezogenen Kontrollen stärken.
Aber niemand weiß, was das genau bedeuten soll. Wir haben eine bundesweite Abfrage gemacht, und ich sage Ihnen, da blickt momentan niemand durch, und jeder versteht das anders
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