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Der neue Aufsichtsratsvorsitzende kennt sich aus im Konzern. Seit 2003 war Hans Dieter Pötsch Finanzvorstand, davor arbeitete er unter anderem für Dürr und BMW.
© Reuters

Volkswagen: Rückruf von Diesel-Autos soll ein Jahr dauern

Die Rückrufaktion von VW soll im Januar starten. Elf Millionen manipulierte Autos sollen dann repariert werden.

Mit einem demonstrativen Bekenntnis zur Aufklärung hat der neue Aufsichtsratsvorsitzende von VW am Mittwoch auf seine Wahl reagiert. Er werde „alles tun, damit die Vorgänge restlos aufgeklärt werden“, sagte Hans Dieter Pötsch in Wolfsburg. Der bisherige Finanzvorstand war zuvor als Nachfolger des kommissarischen Aufsichtsratschefs Berthold Huber gewählt worden. Der neue Vorstandsvorsitzende Matthias Müller machte derweil erste Angaben zu den Details der Rückrufaktion, in deren Verlauf elf Millionen manipulierte Autos repariert werden sollen. „Wenn alles wie geplant läuft, können wir im Januar mit dem Rückruf starten“, sagte Müller der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Bis Ende 2016 „sollen dann alle Autos in Ordnung sein“. Für die meisten Motoren genüge vermutlich ein „Update der Software in der lokalen Werkstatt“. Doch manche Fahrzeugen bräuchten „neue Injektoren und Katalysatoren“. Was VW genau vorhat mit den Autos, wollte der Konzern noch am Mittwoch dem Kraftfahrtbundesamt mitteilen.

Auch Kunden und Aktionäre verklagen VW

Nicht nur von Umweltbehörden, sondern auch von Kunden und Aktionären wird VW auf Schadenersatz verklagt. Eine VW-Fahrerin habe gezielt ein umweltfreundliches Auto kaufen wollen, die angeblich niedrigen Abgaswerte seien für sie „kaufentscheidend“ gewesen, erklärte die Kanzlei Jordan Fuhr Meyer in Bochum zu den Motiven einer Klägerin. Die Frau wirft Volkswagen außerdem vor, dass durch die anstehende Nachbesserung Motorleistung, Beschleunigung und Höchstgeschwindigkeit ihres Fahrzeugs sinken und der Kraftstoffverbrauch steigen werden. Nachbesserungen an dem Fahrzeug reichten „aus juristischer Sicht“ nicht aus, erklärte die Kanzlei. Die Weiternutzung „eines nicht schadstoffarmen Kraftfahrzeugs“ sei für die Klägerin „unzumutbar“. Sie reichte Klage beim Landgericht Braunschweig ein.

VW soll die Aktionäre nicht rechtzeitig über den Abgas-Skandal informiert haben

Ebenfalls dort ging eine Aktionärsklage ein, die von der Berliner Kanzlei Kälberer und Tittel vorgetragen wird. Den Angaben der Rechtsvertreter zufolge hat der Aktionär wegen des Abgas-Skandals Kursverluste von 157 000 Euro erlitten. „Mit dieser und weiteren Klagen, die folgen werden, wollen wir ein Kapitalanleger-Musterverfahren herbeiführen“, teilte die Kanzlei mit. VW wird vorgeworfen, die Aktionäre nicht rechtzeitig mit einer Ad-hoc-Mitteilung über den Abgas-Skandal informiert zu haben. „Angesichts des enormen Wertverlusts von VW an der Börse nach Bekanntwerden der Abgasaffäre wird das VW-Musterverfahren betragsmäßig höchstwahrscheinlich in den Milliardenbereich vorstoßen und damit zu einem der größten dieser Art in Deutschland werden“, meinte die Anwaltskanzlei.

Der neue Aufsichtsratsvorsitzende Pötsch sieht die Ermittlungen auf gutem Wege

Der neue Aufsichtsratsvorsitzende Pötsch (64) sagte nach seiner Wahl am Mittwoch, „die Ermittlungen werden konsequent und mit Hochdruck vorangetrieben“. Die vom Aufsichtsrat mit der Untersuchung beauftragte Anwaltskanzlei Jones Day „dreht dabei buchstäblich jeden Stein um“, sagte Pötsch, der seit rund zwölf Jahren als Finanzvorstand zur VW-Führung gehört. Als Pötsch-Nachfolger berief der Aufsichtsrat Frank Witter (56), seit 2008 Vorstandsvorsitzender der VW Financial Services AG. Zur Kritik an dem direkten Übergang von Pötsch vom Vorstand in den Aufsichtsrat sagte Michael Kunert von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK), „der Gesetzgeber selbst hat im Aktiengesetz die Möglichkeit geschaffen, Ex-Vorstände sofort in den Aufsichtsrat wechseln zu lassen“. Nach Paragraf 100 Abs. 2 Ziff. 4 des Aktiengesetzes ist für Vorstandsmitglieder eines börsennotierten Unternehmens eigentlich eine „Cooling-off-Periode“ von zwei Jahren vorgesehen. Innerhalb dieser 24 Monate sollen Ex-Vorstände nicht dem Aufsichtsrat derselben Gesellschaft angehören. Doch es gibt eine Ausnahme: Der Vorstand wird von Aktionären als Aufsichtsrat vorgeschlagen, die mehr als 25 Prozent der Stimmrechte an der Gesellschaft halten – im Fall VW also die Familien Porsche und Piëch. Auch der frühere BMW-Chef Norbert Reithofer war – mit Unterstützung der Quandt-Familie – übergangslos an die Aufsichtsratsspitze gewechselt.

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