Berliner Start-up-Investor: Rocket Internet will sich von der Börse zurückziehen
Der Kapitalmarkt habe für sie an Bedeutung verloren, argumentiert Rocket Internet. Anlegerschützer sind entsetzt: Viele Aktionäre machen nun Verlust.
Der Start-up-Investor Rocket Internet will sich nach gut sechs Jahren von der Börse zurückziehen. Der Kapitalmarkt habe als Finanzierungsmöglichkeit für das Unternehmen an Bedeutung verloren, teilte Rocket Internet am Dienstag in Berlin mit.
Rocket plant, den Aktionären ihre Anteilsscheine zu je 18,57 Euro abzukaufen. Die Abwesenheit vom Aktienmarkt mit seinen Berichtspflichten und der Vielzahl von Inhabern soll den Besitzern um die Samwer-Brüder einen längerfristigen Unternehmenskurs ermöglichen, hieß es.
Rocket versucht, den Eigentümern ihre Aktien billiger abzukaufen, als sie am Montagabend – also vor der Bekanntgabe der aktuellen Pläne – mit 18,95 Euro zu haben gewesen waren. Die Aktionäre rechnen offensichtlich damit, dass das Unternehmen eine Schippe drauflegt: Im frühen Handel legte der Kurs um 1,3 Prozent auf 19,20 Euro zu. Rocket Internet ist damit etwa 2,6 Milliarden Euro wert.
Der gebotene Preis entspreche dem volumengewichteten Durchschnittskurs der letzten sechs Monate, argumentierte Rocket. Die Corona-Krise hatte den Kurs im März auf 16 Euro einbrechen lassen, was den Durchschnitt nach unten drückt. Sollte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) einen höheren Mindestpreis errechnen, werde dieser maßgeblich sein, hieß es weiter.
Zum Vergleich: An die Börse gegangen war Rocket Internet im Oktober 2014 zu 42,50 Euro pro Aktie. Zeichnern der Papiere, die sie bis heute gehalten haben, drohen also hohe Verluste.
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Aktionärsvertreter kritisierten die Ankündigung von Rocket Internet heftig. “Das ist eine bodenlose Frechheit gegenüber den Aktionären. Die werden hier ausgenommen und übers Ohr gehauen “, sagte Michael Kunert, Experte für Berliner Unternehmen bei der Schutzgemeinschaft für Kapitalanleger (SdK). Rockets Argument, man benötige den Kapitalmarkt nicht mehr, um sich zu finanzieren, sei eine Schutzbehauptung. Tatsächlich habe Rocket 2014 viel Geld eingesammelt, um nun Aktionäre mit diesem niedrigen Kurs im Stich zu lassen.
Aktionärsschützer sprechen vom schwerem Rückschlag
Noch im Mai auf der Hauptversammlung habe Oliver Samer auf die Frage, ob die Gerüchte über ein Delisting zuträfen, geantwortet, es gäbe keine entsprechenden Pläne. “Was soll sich denn seither an der Lage geändert haben?“, fragte Kunert. Er vermute, dass Samwer damals von dem Plan nur kurzfristig Abstand genommen hatte, da die Gerüchte im vergangenen Jahr den Börsenkurs in die Höhe getrieben hatten, was den Börsenrückzug verteuert hätte. Nachdem der Kurs nun wieder gefallen ist, nehme er - wie lange geplant - einen neuen Anlauf.
Der Vorgang sei zudem ein “schwerer Rückschlag für die Börsenkultur in Deutschland”. Natürlich müssten Aktionäre mit dem Risiko fallender Kurse leben, aber ein Abschied nach so kurzer Zeit, sei ein schlechtes Signal und werde es auch anderen Start-ups schwer machen, künftig Geld an der Börse einzusammeln. Der Aktionärsschützer kritisierte auch die Bundesregierung, die - anders als einmal geplant - keine Regelungen getroffen habe, um solches Verhalten zu unterbinden. So könnte sie zum Beispiel ein sogenanntes Spruchstellenverfahren verpflichtend machen, bei dem der tatsächliche Wert eines Unternehmens festgestellt wird und nicht allein der Börsenkurs maßgeblich sei. “Im Anlegerschutz geht es in Deutschland zu wie in einer Bananenrepublik”, sagte Kunert weiter.
Noch im September sollen Aktionäre abstimmen
Auf einer außerordentlichen Hauptversammlung am 24. September sollen die Rocket-Aktionäre über den Einzug der im Rahmen des Delistingprozesses zurückgekauften Aktien entscheiden. Parallel beschloss Rocket Internet ein Aktienrückkaufprogramm zum Erwerb von bis zu 8,84 Prozent des Grundkapitals über die Börse. Das Programm soll Mitte September enden, kommt also vor dem Rückkaufangebot im Rahmen des Börsenrückzugs.
Rund die Hälfte an Rocket Internet halten die Samwer-Brüder, größtenteils über das Vehikel Global Founders GmbH. Diese Aktien sollen nicht angedient werden. Der Konzern hält mit 1,9 Milliarden Euro genug Bargeld, um den Rückkauf der übrigen eigenen Papiere zu ermöglichen.
Rocket Internet gründet oder investiert in Internet- und Technologieunternehmen. Viele seiner aktuellen und früheren Beteiligungen sind mittlerweile an der Börse notiert, wie das Online-Versandhaus Zalando, der Kochboxenversender Hellofresh und der Essenslieferdienst Delivery Hero, der zuletzt in den Dax aufgestiegen ist. (mit dpa)
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