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Oliver Samwer (von links), Vorstandsvorsitzender von Rocket Internet SE, Rocket Internet-Finanzvorstand Peter Kimpel, der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Marcus Englert und Anwalt Hans-Hermann Rösch
© Jens Kalaene / dpa
Update

Hauptversammlung in Berlin: Rocket Internet kann mit neuen Milliarden rechnen

Oliver Samwer will mehr Geld: Sein Unternehmen Rocket Internet soll weiter wachsen. Seit neuestem braucht er dafür das Einverständnis seiner Aktionäre.

Kartoffelsuppe mit Würstchen minimiert das Konzeptrisiko. So würde es Oliver Samwer, Chef von Rocket Internet, wohl formulieren. Das Essen auf der ersten Hauptversammlung der Berliner Start-up-Schmiede am Dienstag orientiert sich ganz an dem, was sich bei Aktionärstreffen bewährt hat: schmackhaft und kostengünstig. Irgendwie passt das zum Selbstververständnis des Unternehmens. „Wir sehen immer die Chancen, wollen aber möglichst wenig Geld verlieren“, erläutert Samwer den rund 80 versammelten Aktionären und Aktionärsvertretern die Strategie. Rocket Internet erfindet keine neuen Geschäftsmodelle, Rocket Internet schaut sich an, was bei anderen funktioniert – und versucht das dann noch besser zu machen. Dass Kritiker sein Unternehmen deshalb „Copycat“ schimpfen, ficht Samwer nicht an. Aus einer Idee ein funktionierendes Geschäftsmodell zu entwickeln, sei ebenso anspruchsvoll wie die Idee selbst.

Damit die bestehenden Geschäftsmodelle ausgebaut werden und neue hinzukommen können, braucht Rocket Internet frisches Geld. In dem schmucklosen Konferenzraum unweit des Bahnhofs Zoo holen sich Samwer und seine Vorstandskollegen Peter Kimpel (Finanzen) und Alexander Kudlich (Produktentwicklung und Technologie) deshalb die Zustimmung der Anteilseigner für zusätzlichen finanziellen Spielraum. Bis zu zwei Milliarden Euro will Rocket Internet über Wandelanleihen einsammeln, also mit Schuldverschreibungen, die später in neue Aktien umgewandelt werden können. Zudem könnte eine Kapitalerhöhung von 50 Prozent des Grundkapitals nach dem aktuellem Aktienkurs rund 2,5 Milliarden Euro bringen.

Allein im ersten Halbjahr 2015 seien mehr als 700 Millionen Euro in Zukäufe und Erweiterungen geflossen, berichtet Kimpel. Rocket Internet gründet weltweit Internetunternehmen und bleibt nach der Startphase an ihnen beteiligt. Dazu gehören unter anderem die Möbelhändler Westwing und Home24, die Haushaltskräfteplattform Helpling sowie die Essenslieferdienste HelloFresh und Foodpanda. Zudem kaufen sich die Berliner bei Konkurrenten ein, die ins eigene Portfolio passen. Nur für den Einstieg bei der ebenfalls aus Berlin stammenden Lieferplattform Delivery Hero blätterte Rocket Internet zu Beginn des Jahres rund 600 Millionen Euro hin.

Ob, wann und in welchem Umfang die Start-up-Fabrik Gebrauch von der neuen finanziellen Freiheit machen will, bleibt auf der Hauptversammlung unklar. Derzeit verfügt Rocket nach eigenen Angaben noch über rund 1,3 Milliarden Euro Barmittel. Angesichts der Tatsache, dass alle Beteiligungen vor allem wegen ihres aggressiven Wachstumskurses Verluste schreiben, könnte dieses Kapital aber bald verbrannt sein. Auch bei den Neugründungen will Firmenchef Samwer das Tempo hochhalten. „Wir planen, weiterhin jedes Jahr zehn neue Unternehmen an den Start zu bringen.“

Schon mit dem Börsengang im vergangenen Oktober hatte Rocket Internet rund 1,5 Milliarden Euro eingesammelt. Seither ist die Aktie auf Schlingerkurs. Nach zwischenzeitlichem Hoch bei 60 Euro bewegt sie sich derzeit mit gut 37 Euro unter ihrem Ausgabepreis. Aktionärsschützer sind dennoch milde gestimmt. „Anleger sollten keine kalten Füße bekommen“, sagt etwa Michael Kunert von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger. Bei einem Teller warmer Kartoffelsuppe ist das ohnehin unwahrscheinlich.

Simon Frost

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