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Karl-Erivan Haub führt die familieneigene Unternehmensgruppe Tengelmann.
© picture alliance / dpa

Schicksalswoche für Kaiser's Tengelmann: Ringen um jeden Arbeitsplatz

Wird Kaiser's Tengelmann jetzt doch zerschlagen? In NRW kursiert eine Liste von Filialen, die geschlossen werden. In Berlin gibt es keine Schließkandidaten, sagt der Betriebsratschef.

Die Drohung steht im Raum. Und sie scheint zu wirken. Weil die Übernahme von Kaiser’s Tengelmann durch Edeka nicht vorankommt, droht Tengelmann-Eigentümer Karl-Erivan Haub mit massivem Stellenabbau bis hin zur Zerschlagung der defizitären Kette. Bei der Aufsichtsratssitzung am nächsten Freitag soll es zur Sache gehen. Die Lage spitzt sich dramatisch, vor allem in Nordrhein-Westfalen. Nach Informationen der "Bild am Sonntag" gibt es eine Liste mit Filialen, die geschlossen werden sollen. Demnach sollen zusätzlich zu den 16 bereits geschlossenen Läden 18 weitere aufgegeben werden, weil sie wirtschaftlich schon jetzt nicht mehr zu retten seien. Die meisten sollen zum Jahresende schließen. Auch für 46 Filialen, die eigentlich Edeka übernehmen und fortführen wollte, gibt es den Plänen zufolge ohne den Verkauf keine Zukunft. Auch Läden in Bayern und Berlin stünden auf dem Prüfstand, heißt es. Der Betriebsratschef von Kaiser's in Berlin, Volker Bohne, widerspricht: "Wir haben keine Schließkandidaten mehr in Berlin", sagte Bohne dem Tagesspiegel. 24 unrentable Filialen seien bereits im Zuge der geplanten Übernahme durch Edeka dichtgemacht worden, eine weitere Filiale in der Bismarckstraße sei geschlossen worden, weil der Mietvertrag ausgelaufen sei. In Berlin hat Kaiser's jetzt noch 125 Läden

.Mitarbeiter der Lebensmittelkette von Kaiser's Tengelmann wollen in dieser Woche mit Aktionen auf den drohenden Verlust ihrer Arbeitsplätze aufmerksam machen. Zweck der Aktion sei es, Rewe und die anderen Beschwerdeführer dazu zu bewegen, ihre Klage beim Oberlandesgericht Düsseldorf gegen die Ministererlaubnis für die Fusion Edeka/Tengelmann zurückzuziehen. „Wir wollen nicht einfach zusehen, wie die Chance verspielt wird, unsere Arbeitsplätze zu retten“, teilten die Mitarbeiter der Deutschen Presse-Agentur mit. Angeblich rechnet Haub mit einem Verlust von 90 Millionen Euro in diesem Jahr für Kaiser's Tengelmann.

Während die Beschäftigten in den Filialen noch versuchen zu retten, was zu retten ist, gehen andere Mitarbeiter scharenweise von Bord. Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" hat Tengelmann-Geschäftsführer Raimund Luig in einem Brief an Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub geschrieben, im Oktober müsse daher das Team "Nationales Qualitätsmanagement" aufgelöst werden. Im zentralen Dienstleistungszentrum habe es in den vergangenen zwei Jahren 100 Eigenkündigungen gegeben. Die gesamte IT, an der die Logistik und das Kassensystem hänge, drohe zusammenzubrechen.

Politiker wollen Krisengipfel

Sowohl CSU-Politiker Peter Ramsauer als auch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) machen sich für einen Krisengipfel stark, auf dem alle Beteiligten – Edeka, Kaiser’s Tengelmann, aber auch die Edeka-Konkurrenten Rewe, Markant und Netto – versuchen sollen, zu retten, was zu retten ist. „Ungeachtet aller juristischen Spitzfindigkeiten“ sollte „mit marktegoistischen Rangeleien“ Schluss gemacht werden, fordert Müller – im Interesse der bundesweit rund 15 000 Beschäftigten und der vielen Kaiser’s Tengelmann-Kunden.

Auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), der die Übernahme der Kaiser’s-Tengelmann-Filialen im Frühling per Ministererlaubnis ermöglicht, dann aber vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf Schiffbruch erlitten hatte, fände einen neuen Anlauf zur Rettung der Arbeitsplätze gut. Das Problem: Außer Lippenbekenntnissen ist bisher nicht viel passiert. Nach Tagesspiegel-Informationen gibt es bisher weder einen Termin für ein solches Krisentreffen noch konkrete Zusagen. Dafür jede Menge Appelle. Etwa von der Gewerkschaft Verdi, die die Idee lanciert hatte. Deren Chef Frank Bsirske sagte der Deutschen Presseagentur, er würde es „sehr begrüßen, wenn beide Seiten hier mit einer ernsthaften Bereitschaft in die Gespräche gehen, eine Lösung miteinander zu finden.“

Druck konzentriert sich auf Rewe

Der Druck konzentriert sich auf Rewe, Markant und Netto, die gegen die Ministererlaubnis geklagt und gewonnen hatten. Sie sollen ihre Klage zurückziehen und damit den Weg freimachen für die Übernahme durch Edeka, meint Ramsauer. Doch warum sollten sie das tun? Rewe-Chef Alain Caparros hat stets erklärt, auch sein Unternehmen stehe für die Übernahme von Kaiser’s-Tengelmann-Filialen – sowohl für alle als auch für einzelne Läden. Das gilt bis heute.

Gibt es einen Plan B?

Glaubt man der „Lebensmittelzeitung“, könnte diese Strategie vielleicht doch noch zum Tragen kommen. Angeblich hegt Edeka – desillusioniert – den Plan B, nur noch einzelne Filialen von Kaiser’s Tengelmann zu kaufen. Das Problem: Auch hier könnte das Bundeskartellamt einschreiten, vor allem in Berlin. Die Wettbewerbsbehörde hatte seinerzeit Filiale für Filiale untersucht und sieht bei vielen der 125 Berliner Kaiser’s-Filialen Wettbewerbsprobleme, wenn Edeka übernimmt. Bei den 5600 Menschen, die in Berlin bei Kaiser’s arbeiten, liegen die Nerven inzwischen blank. Die wiederholten Drohungen Haubs zeigen Wirkung. „Keiner denkt an die Mitarbeiter“, sagte Betriebsratschef Volker Bohne dem Tagesspiegel, „es ist fatal, was gerade passiert.“

Oder einen neuen Interessenten?

Kann Haub am Freitag aber vielleicht noch eine unerwartete Lösung präsentieren? In der Branche will man das nicht ausschließen. Gerüchten zufolge soll Tengelmann mit der Karstadt-Eigentümerin Signa verhandeln. Im Vorstand der Immobiliengruppe sitzt mit Dieter Berninghaus ein Kenner der Branche. Der Manager war bei Rewe und Migros. Ist da was dran? Eine Bestätigung gibt es nicht. „Gerüchte oder Spekulationen kommentieren wir grundsätzlich nicht“, sagte ein Signa-Sprecher.

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