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FINANZKRISE Folgen und Gegenmaßnahmen: Rettung per Paket

Viele Milliarden vom amerikanischen Staat sollen das Bankensystem vor dem Chaos retten – und in Not geratenen Bürgern helfen

Berlin - Die USA stehen angesichts der Finanzkrise vor dem größten Eingriff des Staates in die Wirtschaft, den es dort je gegeben hat. Zwar ist der Rettungsplan zwischen Demokraten, Republikanern und der Regierung in Washington noch umstritten. „Wir werden ein Paket verabschieden“, bekundete US-Präsident George W. Bush aber am Freitag. Bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe waren allerdings erst einige Teile des Vorhabens im Detail bekannt.

Wie soll der Plan funktionieren?

Der amerikanische Staat soll dem US-Finanzministerium 700 Milliarden Dollar (rund 480 Milliarden Euro) zur Verfügung stellen. Mit diesem Geld soll das Ministerium in Abstimmung mit der Notenbank den Banken Kredite und solche Wertpapiere abkaufen, die an Immobilienkredite gekoppelt sind. Wegen des dramatischen Preisverfalls am Immobilienmarkt sind in den vergangenen eineinhalb Jahren bereits viele Hypothekenkredite geplatzt. Die, die nicht geplatzt sind, haben deutlich an Wert verloren. Wie viel, weiß niemand so genau, denn der Handel mit Krediten ist zwischen den Banken praktisch zum Erliegen gekommen. Auch weil sie einander nicht mehr über den Weg trauen und nicht wissen, welches Risiko wirklich in den oft kompliziert verpackten Kreditpapieren steckt. Die Regierung soll diese Kredite nun aufkaufen und später, wenn sich die Lage womöglich beruhigt hat, wieder weiterverkaufen. Die Banken würden so von großen Risiken entlastet.

Sind 700 Milliarden Dollar genug, um die Krise zu stoppen?

Der US-Ökonom Brad Setser hat eine Rechnung aufgemacht: Nach Daten der Notenbank Fed gibt es in den USA ausstehende Immobilienkredite von rund 13,6 Billionen Dollar. 7,8 Billionen davon seien bereits in der Hand staatlicher Immobilienfinanzierer. Blieben also Kredite in Höhe von 5,8 Billionen Dollar übrig, die sich irgendwo im Finanzsystem befinden. Natürlich sind nicht alle diese Kredite faul, aber im Zuge der Finanzkrise dürften alle an Wert verloren haben. Die Frage ist: wie viel? Da es keine Marktpreise gibt, muss die Regierung selbst die Preise setzen. Von der Höhe hängt auch ab, wie viel sie für 700 Milliarden Dollar kaufen kann. Zahlt sie durchschnittlich 50 Prozent des ursprünglichen Preises, könnte sie Kredite im Volumen von 1,4 Billionen Dollar kaufen, bei 30 Prozent sogar für 2,1 Billionen. Allerdings könnte bei besonders niedrigen Preisen das Interesse der Banken abhandenkommen, die Papiere überhaupt zu verkaufen. Wenn sie nämlich deutlich weniger als den Wert bekommen, zu denen die Kredite in ihren Geschäftsbüchern stehen, müssen sie weitere Abschreibungen vornehmen. Die Krise könnte sich für sie also noch verschärfen.

Wer kontrolliert den Verkauf?

An dieser Frage haben sich Demokraten und Republikaner im US-Kongress zerstritten. US-Finanzminister Henry Paulson beansprucht einen Ermessensspielraum beim Ankauf der Kreditpapiere. Die Demokraten beharren dagegen darauf, dass das Verfahren parlamentarisch kontrolliert wird. Sie wollen der Regierung keinen Blankoscheck ausstellen. Eine Überlegung ist nun, die 700 Milliarden Dollar in mehreren Tranchen auszuzahlen, die jeweils vom Kongress genehmigt werden müssen. Als erste Summe könnten laut dem demokratischen Senator Charles Schumer 250 Milliarden Dollar bereitstehen. Die nächsten 100 Milliarden Dollar könne der Präsident später freigeben, die restlichen 350 Milliarden im Mai 2009. Auch ein parlamentarisches Aufsichtsgremium, das die Käufe des Ministeriums kontrolliert, ist im Gespräch.

Welche Bedingungen müssen die Banken erfüllen, um ihre faulen Kredite an den Staat verkaufen zu dürfen?

Wenn der Staat schon so viel Geld für die Banken ausgibt, soll er wenigstens etwas davon haben, meinen vor allem viele Demokraten im US-Kongress. Deshalb wollen sie, dass der Staat im Gegenzug Anteile der Unternehmen erhält, die den Rettungsplan in Anspruch nehmen. Dieser Vorschlag ist jedoch auf großen Widerstand gestoßen. Als wahrscheinlicher gilt eine Regelung zur Begrenzung der Managergehälter. Die Unternehmen, die staatliche Hilfen in Anspruch nehmen, sollen die Bezüge ihrer Manager deckeln. „Das amerikanische Volk ist wütend über die Vorstandsbezüge, und das zu Recht“, sagte Finanzminister Paulson. Notenbank-Chef Ben Bernanke warnte allerdings, dass dies viele Banken davon abhalten könnte, sich an dem Plan zu beteiligen.

Wird es Hilfen für Hausbesitzer geben, die ihre Kredite nicht mehr bezahlen können?

Die 700 Milliarden Dollar sollen langfristig der gesamten Volkswirtschaft helfen. Zunächst helfen sie aber nur den Banken, allen voran denen, die zu hohe Risiken eingegangen sind. Aus Gerechtigkeitsüberlegungen soll deshalb auch den verschuldeten Hausbesitzern geholfen werden, die ihre Kredite nicht mehr zurückzahlen können und denen die Zwangsvollstreckung droht. Die Rede ist von Refinanzierungshilfen in Höhe von rund 50 Milliarden Dollar.

Sorgt das Paket für mehr Wachstum?

Es wird nicht unmittelbar die Wirtschaft ankurbeln, weil einige Zeit vergehen wird, bis sich die Lage für Börsen und Unternehmen stabilisiert. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer rechnet damit, dass die US-Wirtschaft im vierten Quartal 2008 und im ersten Quartal 2009 schrumpft, weil die Banken die Kreditvergabe einschränken. Deutschland dürfte seiner Ansicht nach im dritten und vierten Quartal – also bereits jetzt – in der Rezession stecken.

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