Welthandel - TTIP: Rational ist der Protest nicht zu erklären
TTIP ist eine große Chance für kleine Unternehmen - und für den globalen Handel insgesamt, sagt der Koordinator für transatlantische Zusammenarbeit.
Das Reinheitsgebot für Bier fällt! Die deutschen Sparkassen werden verschwinden müssen!
Wir können uns vorstellen, mit welchen Slogans sich die Demonstrationszüge wappnen, die heute gegen TTIP und CETA unterwegs sein werden. Hinzu kommt die angebliche Bedrohung für die Buchpreisbindung, durch gentechnisch veränderte Lebensmittel, durch Hormonfleisch und durch die Macht amerikanischer Anwaltskanzleien sowie manches mehr aus der Waffenkammer der Verschwörungstheoretiker.
Viele Argumente gegen TTIP stammen aus der Waffenkammer der Verschwörungstheoretiker
Umso wichtiger ist es, gerade an diesem Tag aufzuklären: Die oben genannten Behauptungen sind wesentlich älter als die Vertragsverhandlungen zu den Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) und den USA (TTIP). Sie stammen aus der Zeit, als über die Umsetzung des EU-Binnenmarkts diskutiert wurde. Auch damals gab es unbegründete Befürchtungen, von denen sich keine realisiert hat: Deutsches Bier bleibt bei Hopfen und Malz und die Sparkassen sind weiterhin eine stabile Stütze des deutschen Bankenwesens. Viele der Fortschritte, die wir heute schätzen, sind ganz wesentlich Errungenschaften des Europäischen Binnenmarkts und einer auf den Abbau von Handelsbeschränkungen setzenden Außenhandelspolitik von Deutschland und der EU: Starke Exporte und viele davon profitierende Arbeitsplätze, Produktvielfalt und -qualität zu angemessenen Preisen, hoher Gesundheits- und Verbraucherschutz, mehr 'Konsumentensouveränität' durch größeren Wettbewerb.
Die Argumente, die jetzt gegen TTIP vorgebracht werden, haben wir schon einmal gehört: Als der EU-Binnenmarkt geschaffen wurde
In den letzten Jahren hat die Europäische Union viele Freihandelsabkommen ausgehandelt, z.B. mit Peru oder Südkorea. Und stets zu deutschem Vorteil: Seit 2011, also seit das Abkommen der EU mit Südkorea in Kraft trat, stiegen die gesamtdeutschen Exporte um 13 Prozent - mit Südkorea hingegen um 50 Prozent.
Warum also jetzt wieder diese Protestwelle gegen Handelsliberalisierung, die von einigen sogar als Bedrohung von Demokratie und Rechtsordnung dargestellt wird? Es mischen sich durch Intransparenz in der Anfangsphase herbeigeführte Unsicherheit mit genereller Globalisierungskritik, mit Ignoranz vor Sachargumenten und teilweise auch einfach nur dumpfer Antiamerikanismus. Rational ist nicht zu erklären, wie etwa deutsche Gewerkschaften, z.B. die IG Metall, beim Anti-TTIP-Tag dabei sind, wo man doch jedem Arbeitnehmer in der Automobil-, Maschinenbau- oder Werkzeugindustrie in 5 Minuten erklären kann, was freier Handel Gutes für seinen Arbeitsplatz bedeutet.
Zu TTIP und CETA habe ich noch keine abschließende Meinung. Ich habe über Art und Umfang der Verträge und deren direkte Auswirkungen einfach zu wenig Informationen.Und genau deshalb war diese Demo gut: Es MUSS Transparenz eingefordert werden, undemokratische Entscheidungswege ohne Information der Bürger darf es nicht geben.
schreibt NutzerIn A.v.Lepsius
TTIP und CETA sind ambitionierte Abkommen. Wir wollen nicht nur Zölle abbauen, sondern vor allem Stück für Stück nicht-tarifäre Handelshemmnisse beseitigen. Diese Handelshemmnisse haben in der Vergangenheit gerade kleineren und mittleren Unternehmen, dem Rückgrat unserer Volkswirtschaft, den Markteintritt in Nordamerika und somit großes Wachstumspotential verbaut. Zu unübersichtlich, zu umständlich und zu kostspielig sind heute noch viele Genehmigungs- und Prüfverfahren jenseits des Atlantiks, die zusätzlich zu den Prüfungen in Europa zu absolvieren wären. Welch großen Vorteil brächte es da, wenn Zertifikate wechselseitig akzeptiert würden? Genau das ist ein Ziel von TTIP und CETA. Und diese Chance sollten wir nicht auslassen.
Die vielen Genehmigungs- und Prüfverfahren halten kleine und mittlere Unternehmen vom US-Markt fern
Mit den Abkommen CETA und TTIP geben wir eine transatlantische Antwort auf die Globalisierung und bekämpfen gerade mögliche Folgen der Globalisierung, vor denen viele Menschen Angst haben. Wir werden einen Handelsraum schaffen, der mit rund der Hälfte der globalen Wertschöpfung in besonderem Maße im Stande ist, gemeinsame Vorstellungen von freiem, fairen Handel für das 21. Jahrhundert zu setzen: Hohe Produkt- und Qualitätsstandards, auch Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards, die unseren transatlantischen Vorstellungen von fairem Handel entsprechen. Ganz unumwunden sollten wir bekennen: In Zukunft wird jeder, der auf der Welt etwas produziert oder eine Dienstleistung anbietet, entscheiden müssen, ob er die TTIP- und CETA-Standards achten will und damit marktfähig bei uns ist, oder ob er unter den Standards bleibt. Viele werden dann zugunsten hoher Standards entscheiden. Wer will schon auf 50 Prozent des potentiellen Marktes verzichten? Das ist die strategische Dimension von TTIP und CETA. Im Falle hingegen, dass das Abkommen nicht gelingt, würde im Laufe der Jahre der Druck auf europäische und amerikanische Unternehmen und damit auch auf die Politik wachsen, von hohen Standards abzugehen, weil die Konkurrenzfähigkeit für Exportprodukte auf dem Spiel steht. Das gerade ausverhandelte Freihandelsabkommen der USA mit 12 Staaten Asiens und Lateinamerikas ist ein weiterer deutlicher Fingerzeig, dass die Globalisierung voranschreitet und nach Antworten ruft.
TTIP und CETA werden dazu führen, dass Standards angehoben werden
Vertrauen für die Handelsabkommen können wir durch Sachargumente gewinnen. Allerdings ist es schwierig, Vorwürfe auszuräumen, für die es nirgendwo einen konkreten Anhalt gibt. Da hilft nur Transparenz über Verhandlungsziele und -ergebnisse. Die Nationalen Regierungen in der EU sind in die Verhandlungen eingebunden. Die Parlamente sollten informiert sein. Sowohl das Europäische Parlament als auch die nationalen Parlamente der 28 Mitgliedsstaaten werden am Ende zustimmen müssen, damit die Abkommen in Kraft treten können. Die neue EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström hat mit großem Engagement beachtliche Fortschritte zugunsten von mehr Transparenz der Verhandlungen erreicht. Sie hat in der besonders intensiv diskutierten Frage der Schiedsgerichte Parlament und Öffentlichkeit an der Formulierung der EU-Position für die Verhandlungen beteiligt. Jetzt sollten wir noch einen Schritt weiter gehen. Die bis jetzt nur für Regierungsvertreter einsehbaren europäischen und amerikanischen Verhandlungsdokumente sollten auch Abgeordneten zugänglich sein: in allen Hauptstädten und gegebenenfalls vertraulich, wo es um Verhandlungstaktik geht, die nicht in aller Öffentlichkeit diskutiert werden kann. Und was nicht vertraulich behandelt werden muss, kann auch weiterhin im Netz veröffentlicht werden. Es wird wie bisher eh keinen wirklich interessieren. Denn entscheidend ist ja am Ende der endgültige Text, wie er vollständig und in deutscher Sprache dem Bundestag zugeleitet werden wird.
Die Buchpreisbindung wird von TTIP nicht berührt. Die Sparkassen bleiben.
Zuletzt noch eines: Die Buchpreisbindung wird von TTIP nicht berührt. Die Sparkassen bleiben. Das staatliche Monopol bei der kommunalen Daseinsvorsorge auch. Und zu Gentechnik und Masthormonen ist das Verhandlungsmandat ebenso eindeutig wie zum Recht des Gesetzgebers, auch zukünftig Standards neu zu erfinden oder zu erhöhen. Ja sogar beim Schiedsverfahren werden TTIP und CETA weit über das hinaus gehen, was wir in weit über hundert anderen Handelsabkommen als Regel haben und was uns in der Vergangenheit nicht einmal gestört hat. Wir wären schön doof, wenn wir die Chance von TTIP und CETA einfach links liegen ließen.
Jürgen Hardt (CDU) ist Koordinator für die transatlantische zwischengesellschaftliche, kultur- und informationspolitische Zusammenarbeit im Auswärtigen Amt und Außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Jürgen Hardt