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Die Zinsplattform Raisin vermittelt Fest- und Tagesgeld an Banken in ganz Europa.
© picture alliance / SZ Photo

Berliner Fintech: Raisin kauft sich eine Bank

Mit der Übernahme der MHB-Bank will sich der Zinsplattform-Betreiber unabhängig machen. Geld sammelte Raisin auch beim Schwager von Ivanka Trump ein.

Von Laurin Meyer

Normalerweise läuft es so: Ein innovatives Finanz-Start-up weckt das Interesse einer großen Bank, das Geldinstitut investiert. Ein Berliner Start-up dreht das jetzt um – und kauft eine Bank. Der Betreiber von Zinsplattformen, Raisin, hat angekündigt, die MHB-Bank zu übernehmen. Das Finanzhaus mit Sitz in Frankfurt am Main ist spezialisiert auf Firmenkunden und zugleich einer der größten Anbieter für Fintechs. Bislang arbeiteten beide Unternehmen nur als Partner zusammen. Der Grund: Haben Fintechs ein erlaubnispflichtiges Geschäft, sind sie von einem Partner mit vorhandener Bankenlizenz abhängig.

Raisin vermittelt Tages- und Festgeld an Banken in ganz Europa. Über seine insgesamt sieben Plattformen – in Deutschland heißt sie Weltsparen – können Kunden die Zinskonditionen von 65 Partnerbanken in etwa Italien, Estland oder Portugal nutzen. Dort gibt es auf Festgeldeinlagen aktuell bis zu 2,2 Prozent Zinsen im Jahr, aufs Tagesgeld immerhin 0,7 Prozent – häufig mehr als bei der eigenen Hausbank. Die Kunden müssen sich lediglich online anmelden, sich identifizieren und den Anlagebetrag auf ein extra eingerichtetes Konto bei der MHB-Bank überweisen. Den Rest übernimmt dann Raisin. Das Start-up selbst verdient an den Provisionen der Partnerbanken.

Bankenlizenz bringt den Fintechs Vorteile

Mit dem Kauf der MHB-Bank will das Jungunternehmen sein Angebot jetzt vereinfachen. Raisin bekommt etwa Zugriff auf mehr Anlegerdaten, außerdem müssten Kunden nur noch einmal statt wie bisher doppelt die Geschäftsbedingungen unterzeichnen. Zwar hätte das Fintech auch selbst eine eigene Bankenlizenz beantragen können. „Wir hätten die Strukturen einer Bank trotzdem aufbauen müssen“, sagt Mitbegründer Tamaz Georgadze.

Fintechs würden meist schnell nach einer eigenen Bankenlizenz streben, um unabhängig zu sein, sagt Bernd Oppold von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG. „Übernimmt ein Fintech seinen regulierten Bank-Partner, erwirbt er zugleich auch Sicherheit für sein zukünftiges Geschäftsmodell.“ Schließlich stelle sich die Frage, inwieweit Partner bei Innovationen und Wachstum überhaupt mitgehen könnten, sagt Oppold. Dass das Übernahmemodell von Raisin Schule machen könnte, glaubt der Experte aber nicht. Ein Jungunternehmen müsste finanziell in der Lage sein, einen Partner zu übernehmen. Außerdem könnte ein Kauf auch Nachteile mit sich bringen – dazu gehört die meist deutlich höhere Bilanzsumme der gekauften Bank in den Büchern.

Auch Schwager von Ivanka Trump beteiligt

Seit der Gründung vor fünf Jahren hat Raisin bereits 10 Milliarden Euro von gut 160.000 Kunden an Banken vermittelt und damit nach eigenen Angaben gut 80 Millionen Euro an Zinsen erzielt. Im Durchschnitt kommen Kunden also auf eine Rendite von 0,8 Prozent – ein beachtlicher Wert in Zeiten der Niedrigzinsen.

Das Potenzial scheint groß: Besonders die Deutschen lieben ihre Tages- und Festgeldkonten trotz spärlicher Zinsen. Derzeit stecken gut 2400 Milliarden Euro in Bankeinlagen. Das hat neben Raisin auch andere Gründer auf den Plan gerufen. Unternehmen wie Savedo oder Deposit Solutions setzen auf ganz ähnliche Konzepte.

Sie alle verfolgen das Ziel, das weltweite Einlagengeschäft auf einer Plattform zu bündeln – und für die Kunden höhere Renditen zu erzielen. Auch Investoren springen auf. Raisin konnte bislang 170 Millionen Euro einsammeln. Zu den Geldgebern gehören Finanzdienstleister wie PayPal oder Thrive Capital, die Firma von Joshua Kushner, dem Schwager von US-Präsidententochter Ivanka Trump. Erst vor Kurzem schloss das Unternehmen eine Finanzierungsrunde mit mehr als 100 Millionen Euro ab.

Höhere Rendite, größeres Risiko

Von einer Finanzmarktregel können sich aber auch die Geldvermittler nicht freimachen: Eine höhere Rendite bedeutet zwangsläufig ein größeres Risiko. Das bekamen im vorigen Jahr die Kunden zu spüren, die über Vermittler ihr Geld bei der estnischen Versobank angelegt hatten. Auf Drängen der estnischen Behörden hat die Europäische Zentralbank die Abwicklung der Bank angeordnet. Das Institut soll Gesetze gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung gebrochen haben.

Zwar sind Anleger bei einer Bank in der EU durch die europäische Einlagensicherung bis zu einer Summe von 100.000 Euro geschützt. Bei höheren Beträgen müssen Anleger aber nicht selten um ihr Geld bangen. Reichen die Mittel der Einlagensicherung darüber hinaus nämlich nicht aus, müsste der Steuerzahler einspringen. Und das hängt vom politischen Willen der Mitgliedstaaten ab.

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