zum Hauptinhalt
Hin und weg. In Russland wird jetzt über eine Amnestie für Kapitalflüchtlinge nachgedacht.
© dpa

Krim-Krise: Putin gibt eigene Kreditkarte heraus

Der Rubel fällt, reiche Russen verstecken ihr Geld im Ausland. Präsident Putin reagiert mit der Herausgabe einer eigenen Kreditkarte. Die deutsche Industrie setzt derweil auf Kontinuität.

Angesichts gewaltiger Kapitalabflüsse aus Russland wegen der Krim-Krise hat die Führung in Moskau den Banken frisches Geld in Aussicht gestellt. Erwogen würden etwa ungedeckte Kredite, um rasch für Liquidität zu sorgen, sagte Zentralbankchefin Elvira Nabiullina am Donnerstag in Moskau. Als Reaktion auf die westlichen Sanktionen kündigte Kreml-Chef Wladimir Putin zudem ein eigenes Bezahlsystem als Konkurrenz zu US-Kreditkartenanbietern an. Die weltgrößten Kreditkartenanbieter Mastercard und Visa hatten wegen der US-Sanktionen gegen russische Unternehmer und die Bank Rossija vorübergehend Dienste für russische Banken eingestellt. Putin drohte den US-Unternehmen nun mit dem Verlust eines „lukrativen“ Marktes. „Wir müssen unsere Interessen schützen und werden dies auch tun.“

Russland steht unter Druck. Immer mehr reiche Russen bringen ihr Geld außer Landes. Der Vizeminister für Wirtschaftsentwicklung, Andrej Klepatsch, rechnet allein im ersten Quartal 2014 mit einer Kapitalflucht von 70 Milliarden US-Dollar (51 Milliarden Euro). Ex-Finanzminister Alexej Kudrin erwartet auf Jahressicht sogar, dass umgerechnet 160 Milliarden Dollar das Land verlassen könnten. Der Rubel sackte zwischenzeitlich auf ein historisches Tief ab. Um Kapital zurückzuholen, schlug Föderationsratschefin Valentina Matwijenko eine „Amnestie für Kapital“ vor. Wer sein Geld aus Offshore-Firmen zurückhole, solle keine Strafen befürchten müssen, forderte Matwijenko bei einem Treffen mit Putin. Eine „Kapital-Amnestie“ müsse geprüft werden, sagte auch Putin. „Es besteht aber kein Grund zur Eile.“

Deutsche Wirtschaftsvertreter stehen treu zu Russland

Deutsche Wirtschaftsvertreter halten dem Land jedoch die Treue. Am Mittwoch hatte Siemens-Chef Joe Kaeser Präsident Putin getroffen. Nächste Woche wird der Logistik-Vorstand der Bahn, Karl-Friedrich Rausch, nach Moskau reisen. Auch Bahn-Chef Rüdiger Grube plant einen Besuch in Russland – Mitte April, zusammen mit Rausch. „Für uns ist das oberste Gebot Deeskalation“, betonte der Manager. Die Bahn nehme in Russland 250 Millionen Euro ein, diese Summe „wollen wir nicht gefährden“. So transportiert die Bahn quer durch Russland Güter in Richtung China. Der Chef der russischen Staatsbahn RZD, Wladimir Jakunin, steht angesichts der Krim-Krise auf der Sanktionsliste der USA. Als vor Jahren über eine Privatisierung der Bahn diskutiert wurde, war die RZD zeitweise sogar als Käufer eines Teils der Bahn-Aktien im Gespräch.

Die deutsche Wirtschaft müsse „alle bestehenden Dialogmöglichkeiten mit Russland nutzen“, sagte der Vorsitzende des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft, Eckhard Cordes, dem Tagesspiegel. Es sei „ gut und richtig, dass deutsche Unternehmen in Abstimmung mit der Bundesregierung geplante hochrangige Treffen weiter wahrnehmen.“ Allein die 30 Dax-Unternehmen beschäftigten in Russland rund 45.000 Mitarbeiter.

Die Situation in Russland wird genau beobachtet

Nicht alle sehen das so. „Man hätte Kaeser davon abraten sollen“, hieß es am Donnerstag bei einem in Russland engagierten Unternehmen. „Für unseren Vorstand wäre ein solches Treffen in der derzeitigen Gemengelage nicht vorstellbar.“ Andererseits wäre eine Absage des langfristig geplanten Treffens mit Putin wohl eine Brüskierung des Präsidenten gewesen. Wettbewerber äußerten deshalb ein „gewisses Verständnis“, dass Siemens den Termin nicht abgesagt hat. Volkswagen beobachtet die Lage „sehr aufmerksam“, sagte ein Sprecher. „Wir stehen in Kontakt mit deutschen Regierungsstellen.“ Man hoffe, dass der Krim-Konflikt friedlich beendet werde. Der Konzern ist einer der größten ausländischen Automobilinvestoren in Russland. Zwischen 2006 und 2013 investierten die Wolfsburger nach eigenen Angaben insgesamt rund 1,3 Milliarden Euro in die lokale Produktion und neue Modelle. Südlich von Moskau produziert VW in seinem Werk in Kaluga. Bis Ende 2018 will man weitere 1,2 Milliarden Euro in Russland investieren. Auch bei Adidas beobachtet man die Situation sehr genau. „Der russische Markt ist für uns sehr wichtig“, betonte eine Sprecherin. Adidas hat mehr als 1000 Läden in Russland und erzielte dort zuletzt einen Umsatz von mehr als einer Milliarde Euro. (mit brö/dpa)

Henrik Mortsiefer

Zur Startseite