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Mit Sonderaktionen und Rabatten versuchen die Autohersteller, den Absatz anzuschieben.
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Autoindustrie in der Coronakrise: Produktion auf dem Stand von 1975

Das gab es noch nie: Weltweit schrumpfen Absatz und Produktion zweistellig. Bislang schützt hierzulande die Kurzarbeit vor Kündigungen.

Der Weg wird lang und holprig, und wie viele Arbeitnehmer auf der Strecke bleiben, ist eine offene Frage. Die Autoindustrie hat ein einzigartig schlechtes Halbjahr hinter sich und blickt skeptisch in die Zukunft. „Die Brücke der Kurzarbeit wird nicht ewig halten", sagte Verbandspräsidentin Hildegard Müller am Freitag. Die Zahl der Beschäftigten lag Ende April mit 814 000 etwa drei Prozent niedriger als ein Jahr zuvor; aktuell ist jeder Zweite in Kurzarbeit. Entscheidend für die Arbeitsplätze sei eine anziehende Nachfrage, und die hängt wiederum ab von der Wirksamkeit der Konjunkturpakete. Hierzulande sind die entsprechenden Maßnahmen beschlossen und zum Teil umgesetzt, wie die um drei Prozent reduzierte Mehrwertsteuer. Doch auf der EU-Ebene ist das geplante Paket von bis zu 750 Milliarden Euro noch lange nicht geschnürt. Wenn die von Brüssel gesetzten Impulse erst Mitte nächsten Jahres wirkten, könnte das für viele mittelständische Zulieferer zu spät sein, befürchtet Müller.

Deutsche Markt schrumpft um 35 Prozent

Die Präsidentin des Verbandes der Autoindustrie (VDA) musste eine düstere Halbjahresbilanz präsentieren und dazu einen Ausblick bis zum Jahresende wagen. Von Januar bis Juni fielen hierzulande die Neuzulassungen um 35 Prozent auf 1,21 Millionen Pkw, das ist der niedrigste Wert seit 1989. In der Nachbarschaft hielten sich die Autokäufer noch stärker zurück: In Spanien betrug das Minus 54 Prozent, in England 51 und in Italien 50 Prozent. Noch relativ moderat schrumpfte der US-Markt (23 Prozent), dort begann die Pandemie später als in Europa. Und ihn China, der größte Automarkt der Welt, wo die Pandemie im Januar begann, belief sich der Rückgang auf 27 Prozent. Müller erwartet „eine zarte Belebung in den kommenden Monaten“, da die Auftragseingänge derzeit langsam stiegen - vor allem in China.

Europa ist schwächer als die USA und China

Alles in allem rechnet der Autoverband 2020 mit einem Rückgang der weltweiten Autoverkäufe um 17 Prozent auf rund 66 Millionen Fahrzeuge. Besonders stark bricht der Markt in Europa mit 24 Prozent ein. Für Deutschland geht der VDA von rund 2,8 Millionen Pkw-Neuzulassungen aus, das entspricht einem Rückgang um 23 Prozent. Nach jetzigem Stand werde es in den USA (minus 18 Prozent) sowie in China (minus zehn Prozent)nicht ganz so schlimm werden wie in Europa. Diese Prognosen basieren indes auf den Annahmen, dass es keine zweite Coronawelle gibt und dass die Konjunkturprogramme greifen.

Hildegard Müller, Präsidentin des Autoverbandes VDA, hofft auf baldige Verabschiedung und Umsetzung des EU-Konjunkturprogramms.
Hildegard Müller, Präsidentin des Autoverbandes VDA, hofft auf baldige Verabschiedung und Umsetzung des EU-Konjunkturprogramms.
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„Bei den Nutzfahrzeugen ist die Krise noch heftiger als im Pkw-Bereich“, sagte Müller. Der weltweite Absatz von Lkw mit mehr als sechs Tonnen wird nach der Verbandsprognose um 24 Prozent auf 2,6 Millionen Transporter zurückgehen. Für den US-Markt wird mit einem Minus von 40 Prozent gerechnet. In Westeuropa (minus 35 Prozent) und Deutschland (minus 29 Prozent) fällt der Rückgang ebenfalls erheblich aus.

Export fällt um ein Viertel

„Der dramatische Einbruch der Nachfrage, der zeitweise Abriss der Lieferketten sowie wochenlange Produktionsstopps führten dazu, dass die Pkw-Produktion in Deutschland im ersten Halbjahr auf das niedrigste Niveau seit 45 Jahren gesunken ist“, teilte der Autoverband weiter mit. In den deutschen Autofabriken wurden 1,5 Millionen Autos hergestellt, das waren 40 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Für das gesamte Coronajahr erwartet der VDA eine Inlandsproduktion von 3,5 Millionen Einheiten (minus 25 Prozent). Auch hier sei mit einer langsamen Erholung im zweiten Halbjahr zu rechnen. Der Export wird voraussichtlich um 27 Prozent zurückgehen nach einem Einbruch um 40 Prozent auf 1,1 Millionen im ersten Halbjahr.

Die Transformation geht weiter

Trotz Nachfrageeinbruch im Zuge der Pandemie müsse die Industrie „ihre Transformation für neue Antriebe und die Digitalisierung“ vorantreiben. Bis 2024 investiere die Branche hierzulande 50 Milliarden Euro in neue Antriebe und weitere 25 Milliarden Euro in die Digitalisierung. Die E-Modellpalette deutscher Marken werde von aktuell 70 auf mehr als 150 Modelle bis Ende 2023 mehr als verdoppelt, kündigte Müller an. „Wir brauchen weiterhin einen intelligenten Mix an Angeboten: Vom batterie-elektrischen Auto bis hin zu sparsamen und emissionsarmen Fahrzeugen mit hochmodernem Benzin- und Dieselmotor“, sagte die VDA-Präsidentin.

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