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Billigere Lebensmittel: Preissenkungen satt: Aldi und Co in der Preisschlacht

Preissenkungen satt: Aldi macht die dritte Woche in Folge die Lebensmittel billiger, andere Discounter ziehen nach. Damit handeln sie entgegen dem Trend - und gewinnen wieder an Marktmacht.

Von Maris Hubschmid

Na so was: Erst vorige Woche stimmte Landwirtschaftsminister HansPeter Friedrich (CSU) die Verbraucher auf steigende Lebensmittelpreise ein. Höhere Energiekosten, eine wachsende Nachfrage aus den Schwellenländern – billiger werde Nahrung jedenfalls nicht, da waren sich auch die Branchenvertreter auf der Grünen Woche einig. Und plötzlich purzeln die Preise, die Discounter machen das Einkaufen billiger: „Dauerhafte Preissenkungen“ kündigen die Händler in ihren Anzeigen an – hier minus zehn, dort minus 20 Cent. „Die Beschaffungspreise für nachfolgende Artikel unseres Sortiments sind gesunken. Die entsprechenden Preisvorteile geben wir gerne an Sie weiter“, informiert Lidl die Konsumenten. Müsli, Wein, Nüsse, Jogurt – bei Eiern fiel der Preis sogar um fast ein Viertel.

Wie kann das sein? „Tatsächlich hat es in einigen Produktgruppen Veränderungen bei den Einkaufspreisen gegeben“, sagt Stefan Hertel vom Handelsverband Deutschland (HDE). Der Weltmarktpreis für Getreide etwa sei vergleichsweise günstig, das wirkt sich auf das Angebot von Cerealien aus. „Bei Eiern gibt es schlicht ein Überangebot.“ 99 Cent kosten zehn Eier aus Bodenhaltung mancherorts lediglich, weniger als einst die Käfigeier, die nicht mehr verkauft werden dürfen. Das ändere aber nichts am Trend, dass Lebensmittel teurer werden, ist sich Hertel sicher. Nicht zuletzt steigende Qualitätsansprüche der Verbraucher und die Notwendigkeit aufwendigerer Kontrollen nach diversen Skandalen trieben die Preise hoch. Der Handelsverband geht darum nach wie vor davon aus, dass der Preis für einen durchschnittlichen Warenkorb auch 2014 überproportional steigt, also stärker als die Inflation. 2013 verteuerten sich Lebensmittel um 3,9 Prozent. „Wenn da Handelsunternehmen bei einzelnen Produkten Spielräume sehen, geben sie die schnell an Kunden weiter“, sagt Hertel – gerade weil das die Ausnahme wird. „Die aktuellen Kampagnen zeigen nur einen Ausschnitt und haben damit zu tun, dass der Markt hart umkämpft ist“, erklärt der Branchenkenner.

Auch Jogurt wurde um bis zu 20 Prozent im Preis gesenkt.
Auch Jogurt wurde um bis zu 20 Prozent im Preis gesenkt.
© IMAGO

Aldi muss sein Image retten

Das bekommt vor allem Aldi zu spüren: Lange Zeit galt der Händler als die Billig-Einkaufsquelle überhaupt. Doch Konkurrenten wie Lidl und Norma setzten Aldi mit spektakulären Rabattaktionen zu. Die Unternehmensgruppe Dieter Schwarz, zu der Lidl und Kaufland gehören, schob sich im vergangenen Jahr sogar an die Spitze der Einzelhändler – mit einem Jahresumsatz von 67,6 Milliarden Euro. Erstmals schlug damit ein Discounter die übrigen Einzelhändler, die traditionell von der Metro Group (Real und Kaufhof) angeführt werden.

Aldi muss also sein Image retten. Der Händler war darum der erste, der die aktuelle Preisoffensive in Gang setzte, zunächst mit Eiern und Instant-Getränken, dann Frühstücksprodukten. „In den aktuellen Fällen der Preissenkungen handelt es sich jeweils um den Vorstoß eines großen Mitbewerbers, den der gesamte Markt nachvollzogen hat, so dass auch wir folgen müssen“, teilte Lidl dem Tagesspiegel auf Anfrage mit. So lief es zum Leid der Bauern mit der Milch, so läuft es jedes Mal, wenn Aldi mit Schleuderpreisen um Aufmerksamkeit heischt. Kaum hatten die anderen ihre Preise angepasst, legte Aldi nach, bewarb auch Cocktails und Nüsse mit den Worten: „Weitere dauerhafte Preissenkungen. Natürlich von Aldi.“

Entgegen dem Trend der letzten Jahre und dem Eindruck, den öffentliche Debatten um die Qualität von Fertigprodukten, dem Trend zu Bio-Lebensmitteln, Fair-trade oder regionalen Waren vermitteln, sind nicht die Supermärkte, sondern die Discounter im Aufwind. Dem Marktforschungsunternehmen GfK zufolge steigerten sie ihren Marktanteil im zurückliegenden Jahr in Deutschland auf fast 44 Prozent – ihr bestes Ergebnis überhaupt.

Dumping zulasten der Tiere

Bauern und Tierschützer klagen indes: Die Dumpingpreise gehen zulasten von Erzeugern und Tieren. „Was die Discounter machen, ist das falsche Signal“, sagt Michael Lohse vom Deutschen Bauernverband. „Niedrigstpreise gehen mit vielen anderen Bewegungen am Markt und Verbraucheransprüchen nicht zusammen.“ So bereitet die Fleischwirtschaft eine Initiative für mehr Tierwohl vor, die mit Mehrkosten für die Bauern verbunden ist. „Wenn die Betriebe rote Zahlen schreiben, haben sie kein Geld, um zu investieren“, sagt Lohse. Der HDE warnt: Die Lebensmittelmärkte sind sehr volatil. Ein, zwei Wetterextreme könnten den Getreidepreis im Nu korrigieren. Wie dauerhaft also die als dauerhaft angekündigten Preissenkungen sein werden, ist fraglich.

Kaffeetrinker können sich freuen

Auch Kaffee ist in den vergangenen Wochen vielerorts im Preis gesunken. Kaffeetrinker profitieren dabei in erster Linie vom gesunkenen Weltmarktpreis für Rohkaffee. Nach Angaben der International Coffee Organization (ICO) in London liegt er aktuell auf dem niedrigsten Stand seit 2009. Marktführer Tchibo hatte deshalb bereits im Oktober die Preise für Bohnenkaffee gesenkt, Aldi Nord folgte als erster Discounter vor zwei Wochen mit einiger Verzögerung. Aldi Süd, Norma und Netto, das zu Edeka gehört, zogen nach.

Aber auch Teeliebhaber sind nicht benachteiligt: Im deutschen Großhandel ging der Preis für Tee um fast 15 Prozent zurück. Auch das dürften Verbraucher an den Kassen bald merken. Zunächst verbilligte Aldi seinen Instant-Tee um zehn Cent.

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