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Schwieriges Geschäft: Die Nachfrage sinkt, der Gaspreis auch.
© Peter Endig/dpa

Gazprom steigt aus: Poker um die Mehrheit an der Leipziger VNG

Der russische Staatskonzern Gazprom will seinen Anteil verkaufen. Interesse haben die Oldenburger EWE und der Leipziger Stadtkonzern LVV.

Die Zukunft eines der größten Unternehmen Ostdeutschlands hängt in der Schwebe. Beim Leipziger Energieversorger Verbundnetz Gas AG (VNG) entscheidet sich in den kommenden Tagen, wer künftig den Ton angibt: Der Oldenburger Energieversorger EWE oder die städtische LVV Leipziger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft. Die VNG- Gruppe, die sowohl im Gashandel, in der Förderung, im Transport und in der Speicherung von Gas tätig ist, kam zuletzt mit knapp 1200 Mitarbeitern auf einen Umsatz von zehn Milliarden Euro. Der Jahresüberschuss betrug 184 Millionen Euro.

Es gibt zu viel Gas auf dem Markt

Das klingt auf den ersten Blick nicht schlecht, doch der Gewinn verdankte sich vor allem dem Verkauf der Beteiligung an der Erdgasversorgungsgesellschaft Thüringen-Sachsen. Und der Umsatz fiel um eine Milliarde gegenüber dem Vorjahr, weil der Preis für Gas seit Längerem fällt. „Die anhaltende Überversorgung der europäischen Märkte führte zu einem spürbaren Rückgang der Marktpreise“, hieß es Anfang März bei der Vorlage der VNG-Bilanz für 2014.

Zur Überversorgung trägt vor allem das Fracking in den USA bei. Und in Deutschland, dem mit Abstand größten Markt der VNG, fiel die Erdgasnachfrage im vergangenen Jahr um 14 Prozent. „Neben der konjunkturellen Entwicklung und dem milden Winter war auch eine höhere Energieeffizienz der Grund“, heißt es bei der VNG. Und die Energiewende hat die Geschäftsaussichten der Gasverkäufer auch nicht gerade verbessert: Die Versorger wollen vielmehr Gaskraftwerke hierzulande stilllegen, weil sich deren Betrieb wegen der erneuerbaren Energien nicht mehr lohnt.

BASF ist schon ausgestiegen

Vor diesem Hintergrund hatte bereits im vergangenen Jahr die BASF-Tochter Wintershall ihren Anteil von 15,79 Prozent an der VNG an die Oldenburger EWE verkauft. Die EWE ist mit knapp neun Milliarden Euro Umsatz und mehr als 9000 Mitarbeitern eines der größten kommunalen Unternehmen des Landes. Die Mehrheit der Anteilseigner sind Städte und Landkreise aus dem Gebiet Ems-Weser- Elbe. Die Stuttgarter EnBW Energie, mehrheitlich im Besitz des Landes Baden-Württemberg, ist der strategische Partner der EWE und mit 26 Prozent an den Oldenburgern beteiligt.

Sowohl EWE als auch Gazprom und VNG selbst äußerten sich am Dienstag nicht zu möglichen Kauf- oder Verkaufsplänen. Gazprom hat aber dem Vernehmen nach bereits einen Vorvertrag geschlossen, und zwar offenbar mit der EWE. Der Leipziger Stadtkonzern LVV, der aktuell 25,79 Prozent an der VNG hält, würde demnach leer ausgehen. Das sah vor Kurzem noch anders aus, wie jedenfalls die „Leipziger Volkszeitung“ berichtete. Demnach wollte die LVV gemeinsam mit dem australischen Finanzinvestor Macquarie die Anteile von EWE und damit die VNG-Mehrheit übernehmen. Angeblich wurde schon über den Preis verhandelt – zwischen einer Milliarde und 1,4 Milliarden Euro sollen die Vorstellungen gelegen haben. Doch nun könnte EWE mit der Übernahme des Gazprom-Anteils auf knapp 75 Prozent kommen und über eine Kapitalerhöhung den Anteil der LVV unter 25 Prozent drücken und mithin die Sperrminorität des Leipziger Stadtkonzerns sprengen. Soweit die Spekulationen.

Gazprom hat eine neue Strategie

Fakt ist wohl, dass sich Gazprom zurückzieht. Der russische Staatskonzern hatte wegen des Preisrückgangs und der schwachen Nachfrage in Europa im vergangenen Jahr einen Gewinnabsturz um 70 Prozent auf umgerechnet drei Milliarden Euro zu verkraften. Und für Westeuropa ändert Gazprom seine Strategie, wie auch an dem Aus für das Pipeline-Projekt South Stream deutlich wurde. „Das ist der Anfang vom Ende unseres Modells, bei dem wir uns auf Lieferungen bis zum Endverbraucher auf dem europäischen Markt orientierten“, hatte Gazprom-Chef Alexej Miller im vergangenen Dezember gesagt. Der Konzern orientiert sich verstärkt Richtung Asien und plant derzeit eine Pipeline durch Sibirien nach China.

Die Politik erschwert das Geschäft

Im vergangenen Dezember war auch ein Vermögenstausch zwischen BASF und Gazprom geplatzt. Die beiden Konzerne hatten bereits 2012 vereinbart, dass die Kasseler Öl- und Gastochter Wintershall das hiesige Gashandels- und Gasspeichergeschäft vollständig an Gazprom abgibt. Dafür sollte BASF im Gegenzug mehr Anteile an großen Erdgasfeldern in Sibirien erhalten. Wegen des schwierigen politischen Umfelds, konkret geht es um die russischen Interventionen in der Ukraine und Sanktionen des Westens gegen Russland, werde der bis zum Jahresende geplante Anteilstausch nicht vollzogen, hatte BASF damals mitgeteilt. „Wir bedauern, dass der Asset-Swap nicht abgeschlossen wird“, hatte BASF-Chef Kurt Bock erklärt. Er hatte sich trotz der anhaltenden Spannungen zwischen dem Westen und Russland noch Anfang Dezember zuversichtlich gezeigt, den Deal mit Gazprom im laufenden Jahr in trockene Tücher bringen zu können. „Wir werden unsere mehr als 20-jährige Zusammenarbeit mit Gazprom in unseren bestehenden Joint Ventures fortsetzen“, kündigte Bock an. Das Platzen des Geschäfts belastete das Ergebnis der BASF um rund 113 Millionen Euro.

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