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Flugzeug auf der Startbahn.
© Ralf Hirschberger / dpa

Lufthansa: Piloten verschärfen Streik

Die Lufthansa-Piloten haben ihren vierten Streiktag in Folge begonnen. Ein Ende ist nicht absehbar, der Ton hat sich weiter verschärft. Derweil treibt das Unternehmen die Billig-Strategie voran.

Am Montag sprechen sie wieder – allerdings nicht die Pilotenvereinigung Cockpit (VC) und die Lufthansa, worauf die halbe Republik wartet. Vertreter der Airline beraten mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Da geht es um die Tarifverhandlungen der 33 000 Beschäftigten der Lufthansa am Boden und der wenigen von Verdi vertretenen Flugbegleiter. Die haben derzeit weniger zu tun, weil die Piloten am Samstag den vierten Tag hintereinander streiken. „Da tut sich nichts. Es gibt derzeit keine Gespräche“, sagt Lufthansa-Sprecher Helmut Tolksdorf.

VC-Verhandlungsführerin Ilona Ritter schiebt der Lufthansa den schwarzen Peter zu. „Seit Beginn der Streiks am Mittwoch hat sich die Lufthansa nicht gemeldet“, sagte sie am Freitagmittag. Bei der Airline gäbe es keinen „ernsthaften Einigungswillen“. Kritik an den Piloten kommt vom Luftfahrtverband BDL. Ihnen fehle die Verantwortung, die Streiks seien längst unverhältnismäßig, klagte BDL-Präsident Klaus-Peter Siegloch.

Streitpunkt bleibt die Übergangsversorgung: Lufthansa will sie reformieren, die Piloten fürchten erhebliche Einschnitte bis hin zur Abschaffung und wollen dies nicht hinnehmen. Seit einem Jahr streiken die Piloten immer wieder, mittlerweile mehr als ein Dutzend Mal. Man könne dies jahrelang durchhalten, behaupteten VC-Sprecher dieser Tage. Lufthansa-Chef Carsten Spohr lehnt dagegen faule Kompromisse ab. Er scheue den Konflikt nicht, wenn es um die langfristigen Interessen des Unternehmens gehe.

232 Millionen haben die Streiks die Lufthansa bereits gekostet

232 Millionen Euro haben die Streiks die Lufthansa im vergangenen Jahr gekostet, mittlerweile dürften sich die Einbußen auf deutlich mehr als 300 Millionen Euro summieren. Von Mittwoch bis Freitag musste die Lufthansa 1534 Kurz-, Mittel- und Langstreckenflüge streichen. Geplant waren fast 3000. Rund 200 000 Passagiere waren betroffen.

Am heutigen Samstag fällt erneut die Hälfte der geplanten 160 Langstreckenflüge aus. Das trifft weitere 20 000 Fluggäste. Nach Angaben des Unternehmens sollen aber weniger Frachtflüge als zunächst angenommen gestrichen werden. Rund 20 Prozent der Cargo-Verbindungen in Frankfurt seien betroffen, teilte ein Sprecher der Lufthansa am Samstagmorgen mit. Ursprünglich war die Fluggesellschaft von rund 60 Prozent gestrichener Flüge in ihrer Frachtsparte ausgegangen. Kurz- und Mittelstreckenflüge sollten planmäßig stattfinden. So oder so: Die Streiks verschärfen damit die Lage der Airline, die mit deutlich höheren Kosten und deutlich niedrigeren Gewinnen als die Konkurrenz leben muss. Und dies gilt nicht nur für Billigflieger wie Easyjet oder Ryanair.

Der Ton hat sich weiter verschärft

Ein Ende der Streiks ist nicht absehbar, der Ton hat sich weiter verschärft. Mit der vierten Streikankündigung in nur einer Woche hätten die Piloten den Tarifkonflikt nicht nur über jedes Maß hinaus eskaliert. Sie entfernten sich immer mehr von einer Lösung, die ausschließlich am Verhandlungstisch gefunden werden könne, heißt es bei der Lufthansa. VC solle wieder zu Verhandlungen bereit sein. Lufthansa habe schließlich Mitte März ein verbessertes Angebot vorgelegt. Seit fast einem Jahr warte man auf den angekündigten konkreten Vorschlag von VC für Kostensenkungen und für eine Deckelung bei den Aufwendungen für die Übergangsversorgung.

VC-Verhandlungsführerin Ritter sprach zum Ende der Woche von einer „Verweigerungshaltung“ der Lufthansa. Das Verhalten des Vorstandes komme ihr vor wie ein Schattenboxen. Dabei gebe es eine Vielzahl von Stellschrauben, an denen beide Seiten drehen könnten. Welche das sein sollen, sagte sie nicht. Das mache VC am Verhandlungstisch und nicht in der Öffentlichkeit. Man sei jederzeit gesprächsbereit. Ritter drängt allerdings auf eine Gesamtschlichtung, in der es nicht nur um die Übergangsversorgung gehen soll. „Wenn, dann reden wir über alles.“ Insgesamt 15 Tarifverträge für die Piloten sind derzeit offen.

Lufthansa lehnt eine Gesamtschlichtung ab

Die Lufthansa lehnt eine Gesamtschlichtung ab, weil sie befürchtet, dass VC dann auch das Billig-Konzept der Airline für die Mittel- und Langstrecke diskutieren – und torpedieren – will. Bei dem Punkt schafft das Management neue Fakten: So gab das Unternehmen am Freitag eine Kooperation seiner Tochter Eurowings mit dem weltgrößten Touristikkonzern Tui bekannt Die Botschaft lautet: Die Strategie ist eine unternehmerische Entscheidung, kein Thema in Tarifgesprächen.

Die derzeit allein von der Lufthansa finanzierte Übergangsversorgung sieht vor, dass Piloten mit 55 Jahren ausscheiden können und dann bis zum Eintritt ins Rentenalter bis zu 60 Prozent der letzten Bezüge bekommen, was sich auf 120 000 Euro im Jahr summieren kann. Die Regelung stammt aus den 1960er Jahren, als das Gesetz Piloten verpflichtete, aus Gesundheits- und Sicherheitsgründen mit 55 Jahren aufzuhören. Dieses Gesetz gilt längst nicht mehr. Heute scheiden die Lufthansa-Piloten im Schnitt mit 59,5 Jahren aus. Die Lufthansa will es auf 61 anheben und Piloten, die ab 2014 eingestellt wurden, dazu verpflichten, zumindest einen Teil der Übergangsversorgung mitzufinanzieren.

Auch mit der Flugbegleitergewerkschaft Ufo streitet das Management über die Übergangs- und Altersversorgung. Aber hier haben sich beide Seiten auf eine Schlichtung verständigt. Sie soll demnächst unter der Führung der ehemaligen Bundes-Justizministerin Hertha Däubler-Gmelin und des CDU-Finanzexperten Friedrich Merz beginnen.

Streik findet wenig Rückhalt in der Bevölkerung

Der Streik der Lufthansa-Piloten findet übrigens wenig Rückhalt in der Bevölkerung. Bei einer repräsentativen Yougov-Umfrage im Auftrag der Kommunikationsagentur Ketchum Pleon erklärten 55 Prozent der Befragten, dass sie den Streik nicht mehr für verhältnismäßig halten. Eine Mehrheit von 52 Prozent sieht VC als wesentlichen Verursacher des Streiks an, der den Flugbetrieb der Lufthansa seit einem Jahr in inzwischen zwölf Wellen behindert hat. Rund eine Million Passagiere waren betroffen. Das Lufthansa-Management sahen nur 19 Prozent als Urheber des heftigsten Tarifkonflikts in der Unternehmensgeschichte. (mit dpa)

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