Wie zukunftsfest ist die deutsche Autoindustrie?: Peter Altmaier sucht im Silicon Valley nach Antworten
Peter Altmaier ist in die USA gereist. Er will wissen, wie weit die Amerikaner beim autonomen Fahren sind – und richtet eine Kampfansage an Amazon und Microsoft.
Peter Altmaier steht mit dem Smartphone in der Hand am Straßenrand in San Francisco und wartet auf ein Taxi. Gleich muss es da sein, auf dem Display nähert sich ein schwarzes Autosymbol und tatsächlich, da biegt der Toyota Highlander um die Ecke. Auf dem Dach des schwarzen SUV´s sind zahlreiche Kameras, Radar und Lidarsensoren verbaut, es ist ein Robotertaxi des kalifornischen Start-ups Zoox.
Doch das futuristische Gefährt lässt den deutschen Wirtschaftsminister einfach stehen und braust weiter den Berg hinauf, es war ein anderes aus der Zoox-Flotte, die hier ganz regulär im Straßenverkehr ihre Runden drehen. Die autonomen Fahrzeuge gehören hier schon zum Stadtbild, zwei Blocks weiter beispielsweise fahren die weißen Chevy Bolts der Firma Cruise um die Blocks. Es ist ein weiteres Start-up, das gerade sechs Jahre alt ist und schon mehr als fünf Milliarden Dollar von Investoren bekommen hat. Inzwischen gehört es zu General Motors, darf aber weitgehend unabhängig agieren.
Altmaier ist ins Silicon Valley gereist, um sich selbst ein Bild davon zu machen, wie weit die Entwicklung ist. „Beim autonomen Fahren entscheidet sich, wer die Führung bei der Künstlichen Intelligenz (KI) hat“, sagt Altmaier. Ihn treibt die Sorge um, dass das eher Tesla, Uber oder Google mit seiner Robotertaxitochter Waymo sind, als Daimler, BMW und Volkswagen. Verliert die deutsche Autoindustrie womöglich den Anschluss, wenn inzwischen gar Firmen wie Zoox oder Cruise, von denen der durchschnittliche deutsche Autokäufer wahrscheinlich noch nie gehört hat, die Platzhirsche herausfordern?
Deutschland muss „Gas geben“, sagt der Minister
„Das war schon beeindruckend“, sagte Altmaier, nachdem ihn das Zoox-Fahrzeug fast eine Viertelstunde durch die steilen und belebten Straßen San Franciscos gefahren hat. Auf der Strecke von gut drei Kilometern musste der zur Sicherheit mit im Auto sitzende Fahrer kein einziges Mal eingreifen. „Der Algorithmus wird immer besser und lernt ständig dazu“, sagt die Firmenchefin Aischa Evans anschließend, als sie Altmaier das Kontrollcenter zeigt.
Auf den Bildschirmen sieht man wo die Autos gerade fahren und wie sie die Stadt sehen: In Sekundenbruchteilen die Umgebung scannen, blaue Linien um andere Autos ziehen und Menschen als rosafarbene Figuren registrieren. Manchmal komme es vor, dass zwei Fahrzeuge in ähnlichen, schwierigen Situationen unterschiedlich reagieren. „Dann wird es besonders interessant“, sagt Evans. Und mit ihrem Team versuchen sie zu analysieren, was die Maschinen dabei gelernt haben.
Wer nun wirklich vorn liegt, wagen auch die Experten kaum einzuschätzen. Kaum jemand lässt sich richtig in die Karten schauen. Und womöglich liegen die Deutschen ja auch gar nicht so weit zurück. „Die haben auch alle ihre Testflotten aber das wird nicht so an die große Glocke gehängt wie hier“, sagt ein deutscher Zoox-Mitarbeiter.
„Wer am Ende die Nase vorne hat, das steht im Augenblick noch nicht fest“, sagt Altmaier. „Doch wir dürfen uns nicht in Sicherheit wiegen, wir dürfen uns nicht zurücklehnen, sondern müssen Gas geben.“ Denn die Herausforderung ist vielschichtig. Zum einen geht es um den Antrieb und bei der Elektromobilität sind andere weiter. Zumal die Batterie gut 30 Prozent der Wertschöpfung ausmacht. Auch deswegen hat Altmaier so vehement für seine Vision einer Batteriezellfertigung in Deutschland gekämpft. Auch gegen die Einwände und Bedenken mancher Chefs aus der Automobilindustrie wird das Projekt nun mit einer Milliarde Euro gefördert. Scheitert das Projekt könnte der Stolz der deutschen Wirtschaft zum reinen Karosseriezulieferer werden.
Altmaier setzt sich für bessere Beziehungen ein
Noch ist das schwer vorstellbar und die akutere Sorge in Ingolstadt oder Sindelfingen, dass der derzeit geltende Waffenstillstand im Handelsstreit von Trump wieder aufgekündigt wird. Bis zum Herbst hat er die Drohung mit Strafzöllen auf Autos ausgesetzt. Damit das so bleibt, führt Altmaier am Mittwoch und Donnerstag in Washington Gespräche mit Regierungsvertretern wie US-Finanzminister Steven Mnuchin und dem Handelsbeauftragten Robert Lighthizer.
Auch in einer Rede vor dem German Marshall Fund warb er wieder für bessere Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Staaten. Der Besuch des Mercedes-Werkes in Alabama am Freitag ist ein weiteres Zeichen. Es war die erste große Fabrik von Mercedes-Benz außerhalb Deutschlands. Heute sind dort mehr als 3800 Personen beschäftigt, im Vorjahr liefen 240.000 Fahrzeuge vom Band.
Wobei gar nicht ausgemacht ist, wie stark Zölle die Autobauer tatsächlich treffen würden. Der Wirtschaftsminister hat die Frage der zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit beim autonomen Fahren als die viel größere Gefahr ausgemacht. „Die Dynamik, die hier im Silicon Valley sichtbar ist macht deutlich, dass größere Veränderungen entstehen, als durch alle Handelskonflikte dieser Welt“, sagt Altmaier.
Zumal darin auch eine enorme Chance steckt. Im Zeitalter der Plattformökonomie sieht Altmaier in Gesundheit und Mobilität die zwei Felder, die bislang noch kein dominanter Anbieter besetzt hat. Man muss diese Möglichkeit aber auch ergreifen.
Think-Big-Mentalität im Silicon Valley
Optimismus, Risikofreude und eine Think-Big-Mentalität zeichnen das Silicon Valley aus. In seinen Gesprächen mit Apple-Chef Tim Cook, Google-Managern, Start-ups, Wissenschaftlern und deutschen Unternehmen war das immer wieder der Tenor. Und Altmaier versucht mit seinen Möglichkeiten genauso zu agieren.
Nachdem er mit der Initiative zur Batteriezellfertigung klar gemacht hat, dass man das Feld nicht den Asiaten und Elon Musk überlassen sollte, bereitet er gerade den nächsten Angriff vor. Seit einiger Zeit wirbt er für die Idee eines „Airbus der KI“. Lange war dabei unklar, wie der den aussehen soll. Nun kristallisiert sich heraus, dass damit eine europäische Dateninfrastruktur aufgebaut werden soll. „Deutschland hat Anspruch auf digitale Souveränität. Deswegen ist uns wichtig, dass nicht nur in den USA große Cloudlösungen entstehen“, sagte Altmaier.
Es ist eine Kampfansage an Amazon und dessen Sparte Web Services und Microsoft, bei denen von deutschen Autobauern bis hin zur Polizei bislang die Daten in der Cloud gespeichert und zunehmend auch analysiert und ausgewertet werden. Genau das will der Wirtschaftsminister ändern und so auch Mittelständlern eine Lösung bieten, bei der idealerweise sogar Daten gepoolt und ausgetauscht werden können.
Wie genau das aussehen soll und wie die europäische Cloud mit der technologischen Power von Amazon und Microsoft mithalten soll muss sich noch zeigen. Man sei im Rahmen der Plattform Industrie 4.0 in Gesprächen mit deutschen Unternehmen wie SAP oder der Telekom. In den nächsten Monaten soll es eine Entscheidung geben, wer sich wo und wie engagiert.