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Autohandel online: Per Mausklick zum Neuwagen

Einkaufen wird digitaler, das gilt auch für den Autokauf. Der Absatz von Neuwagen im Netz hat zugenommen. Staatliche Kaufprämien haben dabei auch Schattenseiten.

Der Weg zum eigenen Tesla ist kurz. Keine zehn Minuten dauert es auf der Website des Herstellers bis zum Ziel. Modell wählen, Farbe, Felgen, Interieur – schon hat die „Customer Journey“ nach wenigen Klicks die Kasse erreicht. Bezahlt, geleast oder finanziert wird per Kreditkarte, Überweisung oder Sofortkasse. Geliefert wird bei Bedarf per Express und direkt vor die Haustür. Den Termin bekommt der Kunde per Mail oder SMS. „Sobald das Fahrzeug eingetroffen ist, unterzeichnen Sie dann einfach die einschlägigen Dokumente und können somit in wenigen Minuten losfahren“, verspricht Tesla.

Mehr als 320.000 Mal hat der US-Autobauer auf diesem oder ähnlichen digitalen Wegen seit Jahresanfang seine Elektroautos verkauft. Ein Rekord mitten in der Coronakrise, in der die Absatzzahlen der Autoindustrie insgesamt um mehr als 20 Prozent eingebrochen sind. Das ist kein Zufall. „Unternehmen, die schon vor dem Lockdown ihre Kunden auch digital ansprechen konnten, haben einen massiven Wettbewerbsvorteil“, analysiert eine aktuelle McKinsey-Studie. Das gelte auch für den Autohandel, der für die Hersteller teuer ist (30 Prozent vom Gesamtumsatz) und mit dem laut Studie nur ein Prozent der Kunden zufrieden sind.

Corona brachte einen Schub für die Digitalisierung, berichten die Betreiber von Onlineportalen für Neu- oder Gebrauchtwagen. „Man kauft heute Produkte eher online, von denen man das früher nicht erwartet hätte. Die Coronakrise hat diesen Trend verstärkt“, sagt Rudolf Rizzolli. Rizzolli ist Geschäftsführer der Mobility Holding, zu der MeinAuto.de gehört, der Marktführer für den Online-Verkauf von Neuwagen und Neuwagen-Leasing in Deutschland. „Hinzu kommt der Trend zur monatlichen Ratenzahlung, im Leasing oder Abo. Das senkt die Hemmschwelle zum Online-Kauf.“ Der Absatz von Neufahrzeugen über die Plattform hat sich im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt. 

Deutlich mehr Nachfrage bei mobile.de und meinauto.de

Auch beim Online-Fahrzeughändler mobile.de, der vor allem Gebrauchte anbietet, zeigt sich der Trend. Auf der Plattform sind rund 1,5 Millionen Pkw, Nutzfahrzeuge und Motorräder inseriert (davon 140.000 Neuwagen), das größte Angebot für den An- und Verkauf von Fahrzeugen in Deutschland. „Die Digitalisierung beim Autokauf ist ein paar Jahre nach vorne gebeamt worden“, sagt Geschäftsführer Malte Krüger. „Darauf muss sich die ganze Branche jetzt stärker einstellen.“ Kunden griffen stärker auf digitale Formate zu und wünschten zum Beispiel auch bei Themen wie Finanzierung, Leasing oder Vertragsabschluss Online-Angebote.

Einige Händler oder Hersteller bieten den digitalen Prozess selbst an, die meisten nutzen die einschlägigen Neuwagenportale. Eine komplett digitale Abwicklung des Kaufs oder der Finanzierung wie bei Tesla ist die Ausnahme, meist wird der Kunde am Ende zu einem Händler weitergeleitet. Zahlen, wie viele Verbraucher den gesamten Kaufprozess ins Internet verlagert haben und sich ihr Fahrzeug nach Hause haben liefern lassen, gibt es nicht. Viele dürften es noch nicht sein.

Den Weg aus der Nische haben Portale wie MeinAuto.de, Carwow oder Autohaus24 gefunden, über die Hersteller vorab konfigurierte Neuwagen absetzen. Immerhin jeder zehnte Neuwagenkäufer hierzulande hat 2019 sein Auto über eine solche Plattform gekauft, weiß der Marktforscher Deutsche Automobil Treuhand (DAT). Zahlen für das laufende Jahr liegen im Januar 2021 vor.

„Immer mehr Menschen legen immer weniger Wert auf eine individuelle Ausstattung und auf Markentreue“, sagt Rudolf Rizzolli. „Das hängt auch mit der De-Emotionalisierung des Autos generell zusammen.“ Ein weiterer Grund: Die Hersteller müssen sparen und reduzieren die Modellvielfalt und die Ausstattungsvarianten. Das senkt die Kosten und vereinfacht den Vertrieb.

Prämien setzen Restwerte für Gebrauchte unter Druck

Erkennbar ist das bei neuen Elektroautos, etwa dem VW ID.3, den es nur in festgelegten Ausstattungsvarianten gibt. VW hatte denn auch angekündigt, stärker auf den digitalen Direktvetrieb des Autos und künftiger Elektromodelle setzen zu wollen. Die Unsicherheit der Kunden, ob sie sich jetzt ein E-Auto anschaffen sollen, fangen die Hersteller dabei auf, indem sie günstige Leasing- oder Abo-Modelle mit ein-, zwei- oder dreijähriger Laufzeit anbieten. Hier spielen die Online-Plattformen ihren Vorteil aus.

„Gerade bei E-Autos ist der Anteil von Leasing-Kunden besonders hoch“, berichtet Mobility-Holding-Chef Rizzolli. „Nach der Erhöhung der Kaufprämie im Sommer ist die Nachfrage durch die Decke gegangen.“ Zeitweise habe es mehr Anfragen für Elektrofahrzeuge als für Diesel gegeben. Doch der von staatlichen Kaufprämien und Steuervorteilen angeschobene Hochlauf der Elektromobilität hat Schattenseiten, die die Online-Anbieter besonders bei der Finanzierung zu spüren bekommen. Denn je günstiger Neuwagen werden, desto größer wird der Druck auf die Restwerte und damit die Gebrauchtwagenpreise.

„Als Finanzierer sehen wir vor allem Plug-in-Hybride mit Blick auf die Restwerte äußerst kritisch“, sagt Rudolf Rizzolli. Kaufprämien für PHEVs stehen in der Kritik, weil die Fahrzeuge selten elektrisch gefahren werden und deshalb viel mehr Sprit verbrauchen als die Hersteller offiziell angeben. „Wenn die Fahrzeuge im Alltagsbetrieb weit weniger effizient sind, welchen Wert haben sie dann noch als Gebrauchtwagen? Warum sollte ein Privatkunde mehr dafür bezahlen als für ein konventionelles Fahrzeug?“, fragt Rizzolli. Ähnliche Verwerfungen sieht Rizzolli bei reinen E-Autos, vor allem kleinen Fahrzeugen, die als Gebrauchte nur mit hohen Abschlägen verkauft werden können, solange Neuwagen mit Prämien künstlich verbilligt werden.

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