Motorola vs. Apple: Patentklagen als Geschäftsstrategie
Apple muss in Deutschland den Verkauf von iPhones im Internet kurzfristig stoppen. Der Streit geht weiter.
Apple gegen alle. Oder ist es umgekehrt? Fest steht, es herrscht Krieg in der Smartphone-Branche. Den bekamen die deutschen Verbraucher am Freitag hautnah zu spüren. Wer sich im Onlineshop von Apple ein iPhone älterer Bauart – etwa ein 3G, 3GS oder 4 – kaufen wollte, hatte am Freitag zunächst schlechte Karten. Der Hersteller aus dem kalifornischen Cupertino musste die Geräte ebenso von der Webseite nehmen wie alle UMTS-Modelle seines Tablet- Computers iPad. Am Nachmittag schaltete Apple den Verkauf wieder komplett frei. „Alle iPad- und iPhone-Modelle werden in Kürze wieder über Online-Store von Apple in Deutschland verkauft“, sagte ein Apple-Sprecher.
Hintergrund ist ein Urteil aus dem Dezember vergangenen Jahres, in dem das Landgericht Mannheim die Verletzung eines Motorola-Patents durch Apple festgestellt hatte. Motorola hatte dabei ein Technologie-Patent ins Feld geführt (Europäische Patentnummer 1010336 B1), das zum Grundstock des GPRS-Datenfunkstandards gehört. Nun legte der iPhone- Hersteller Berufung ein, weil Motorola es mehrfach abgelehnt habe, das in Frage stehende Patent zu akzeptablen Bedingungen zu lizenzieren.
Die Auseinandersetzung ist nur ein Kapitel in einer ganzen Serie ähnlicher Rechtsstreitigkeiten. Apple, Samsung und Motorola überziehen sich bereits seit geraumer Zeit mit Patent- und Designschutzklagen. „Man kann in der Tat von einem Patentkrieg unter den großen Herstellern sprechen“, sagte Axel Horns, Patentanwalt aus München dem Tagesspiegel. Nicht selten enden Patentstreitigkeiten in der Industrie mit einem Vergleich: Eine Seite einigt sich mit der anderen auf einen bestimmten Betrag, mit dem der Verstoß und bisweilen die weitere gemeinsame Nutzung abgegolten ist.
Die geplante Übernahme von Motorola durch Google macht den Fall besonders interessant.
Doch um die Frage, wem welches Patent gehört, geht es bei den Smartphone- Herstellern nur vordergründig. „Die Sitten in der Branche sind so rau, dass die Durchsetzung einer Unterlassung attraktiver ist, als etwa das Einklagen eines Schadenersatzes“, erläutert Horns. Im Klartext bedeutet das, dass Produkte des Konkurrenten aus dem Markt verschwinden sollen. „In den aktuellen Fällen geht es um Marktanteile in einer hart umkämpften Branche und nicht um einzelne Standards oder Produkte“, sagte Branchenexperte und Blogger Florian Müller dem Tagesspiegel. Durch die Vielzahl der Verfahren werde Deutschland endgültig zum Brennpunkt in der weltweit geführten Konkurrenzschlacht.
In Deutschland laufen Verfahren neben Mannheim auch in Düsseldorf und München. In Düsseldorf versucht Apple, Samsungs iPad-Rivalen Galaxy Tab 10.1 und das modifizierte Modell Galaxy Tab 10.1N aus dem Handel zu halten. In Mannheim scheiterte Samsung zuletzt mit zwei Patentverletzungsklagen gegen Apple. Dem US-Konzern gelang es diese Woche in München im Gegenzug nicht, das Galaxy Tab 10.1N und das neue Samsung- Smartphone Galaxy Nexus per einstweiliger Verfügung zu stoppen.
Nicht wenige Kenner des Marktes sehen Äußerungen des im Oktober 2011 verstorbenen Apple-Chefs Steve Jobs als einen Auslöser des Konflikts. Er hatte Google vorgeworfen, sein mobiles Betriebssystem Android von Apples iPhone-System iOS abgekupfert zu haben. Google vermarktet die Plattform als offen und lizenzfrei, im Smartphone- Markt ist Android inzwischen klarer Marktführer.
Die aktuelle Auseinandersetzung mit Motorola ist besonders interessant: Google ist gerade dabei, den Mobilfunk-Pionier für 12,5 Milliarden Dollar zu übernehmen. Das erklärte Ziel dabei ist, das Patent-Arsenal hinter Android zu stärken. Bei Motorola liegen tausende grundlegende Technologie-Patente. Die Regulierer haben bisher aber noch kein grünes Licht für die Übernahme gegeben. Viele der Motorola-Patente gehören zum Grundstock von Standards und müssen daher zu besonderen Konditionen lizenziert werden. Um genau so ein Patent ging es in dem Fall vor dem Landgericht Mannheim. (mit dpa)