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Zugeknöpft. An die neuen Vorgaben müssen sich künftig nur 1000 von 5000 Produzenten in Bangladesch halten. Einige Großkonzerne wie Ernsting’s Family, Metro, Gap oder Walmart verzichteten auf ihre Unterschrift.
© REUTERS

Nach Unglücksserie in Bangladesch: Pakt der guten Absichten

Große Firmen wie H&M, Primark und Aldi schließen ein Abkommen, um die Näher in Bangladesch zu schützen. Doch nicht alle großen Unternehmen beteiligen sich.

Es waren nur ein paar Unterschriften. Doch für die Arbeiter in Bangladesch könnten sie von großer Bedeutung sein. Rund 30 Handelskonzerne haben sich auf ein Abkommen verständigt, das einen besseren Brandschutz und höhere Standards für die Textilfabriken im Land vorsieht. Das Vorhaben sei wegweisend, hieß es am Donnerstag bei der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in Genf. Die beiden global tätigen Gewerkschaften Industrial Global Union und Uni Global Union sprachen von einem „historischen Durchbruch“. Der Pakt könne helfen, neue Katastrophen zu verhindern.

Mit dem Abkommen reagieren die Konzerne auf den Einsturz eines Fabrikgebäudes am 24. April nahe Dhaka mit mehr als 1100 Toten. Die Absichtserklärung sieht vor, dass künftig unabhängige Inspektoren regelmäßig Bausicherheit und Brandschutz der Firmen untersuchen. Die Ergebnisse der Kontrollen sollen veröffentlicht werden. Außerdem verpflichten sich die westlichen Konzerne, einen finanziellen Beitrag für notwendige Reparatur- und Renovierungsarbeiten zu leisten. Auf die Details wollen sich die beteiligten Konzerne in den kommenden 45 Tagen einigen.

An die neuen Vorgaben halten müssen sich künftig rund 1000 Produktionsstätten in Bangladesch. Doch auch wenn darunter etliche Großschneidereien sind, ist das nur ein Bruchteil. Insgesamt nähen Arbeiter in knapp 5000 Fabriken in Bangladesch im Akkord Hosen, Hemden und Jacken. Längst nicht alle Konzerne aus dem Westen, die in Bangladesch produzieren lassen, unterstützen das Abkommen. Zwar sind unter den Unterzeichnern viele bekannte Namen wie Tchibo, H&M, Primark, Aldi, Lidl, Benetton, Esprit oder Rewe. Doch mit Walmart hat etwa das weltgrößte Einzelhandelsunternehmen seine Unterschrift verweigert. Der Konzern, der seinen Sitz in den USA hat, teilte mit, er werde stattdessen eigene Kontrollen in den 279 Fabriken durchführen, die in Bangladesch für ihn produzieren.

Wie die amerikanische Kette Gap machen auch die deutsche Handelskette Metro Group und die Modefirma Ernsting’s Family bei dem Vorhaben nicht mit. Das Unternehmen habe das Unglück in Bangladesch „mit großer Betroffenheit verfolgt“, sagte eine Metro-Sprecherin auf Nachfrage. Als Folge hätte es über die eigene Einkaufsgesellschaft in Hongkong „Feuer- und Brandschutztrainings für Lieferanten in Bangladesch durchgeführt“. Dennoch habe man sich „nach sorgfältiger Prüfung“ dagegen entschieden, das internationale Branchen-Abkommen zu unterschreiben, hieß es.

Ähnlich lautet die Antwort von Ernsting’s Family. Die deutsche Modefirma wolle erst die genaue Ausgestaltung der neuen Vorgaben abwarten, sagte Firmensprecher Marcello Concilio auf Anfrage. „Es sind noch einige wichtige Fragen zu klären, bevor wir beitreten.“ So sei noch nicht abschließend entschieden, wer wie viel Geld für die Umsetzung des Abkommens gebe. „Wir wissen nicht, welche finanzielle Belastung auf uns zukommt“, sagte Concilio. Im Abkommen heißt es dazu bislang nur, dass die Konzerne pro Jahr maximal 500 000 Dollar (gut 388 000 Euro) leisten sollen.

Gleichzeitig reichen die Vorgaben der Modekette angeblich nicht weit genug. Kritisch sieht Concilio etwa, dass es nach derzeitiger Planung nur einen „Safety Inspector“ geben soll, der prüft, ob die Firmen die Vorgaben einhalten. „Bangladesch ist ein Land mit hoher Korruption“, sagte der Sprecher. „Da ist es problematisch, nur einen einzigen Inspektor für eine so wichtige Aufgabe zu haben.“

Philip Jennings, Generalsekretär der internationalen Gewerkschaft Uni Global Union kritisierte die Nicht-Unterzeichner für ihre Haltung. Ihre Weigerung, das Abkommen zu unterschreiben, sei „ein Fehler, den die Konsumenten nicht vergessen werden“, sagte er. Derweil appellierte Gilbert Houngbo, der Vize-Generaldirektor der Internationalen Arbeitsorganisation, die westlichen Konsumenten sollten trotzdem weiter Kleider made in Bangladesch kaufen. „Ein Boykott der Ware aus Bangladesch wäre eine völlig falsche Entscheidung“, meinte er.

Carla Neuhaus

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