Eon-Chef Teyssen über Klimaschutz: „Ohne CO2-Preis wird es teurer“
Der Chef des Energieriesen Eon will einen wirtschaftsweiten CO2-Preis. Im Interview spricht er über Klimaschutz, Populismus und seinen größten Fehler.
Als Chef des Energieriesen Eon hat Johannes Teyssen den Konzern radikal umgebaut und die Konzentration auf Erneuerbare Energien und Netzgeschäft gelegt. Die Kraftwerksparte hat Eon unter ihm abgestoßen.
Fridays for Future und große Sorge vor dem Klimawandel: Plötzlich steht die Einführung einer CO2-Steuer im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Emissionen sollen einen Preis bekommen. Ist das richtig?
Wenn wir es mit dem Klimaschutz ernst meinen, brauchen wir einen wirtschaftsweiten – und nicht nur sektorweiten – CO2-Preis. Alles andere ist Flickwerk und in Wirklichkeit teurer.
Wie geht es am besten?
Man sollte pragmatisch anfangen mit nationalen Abgabenlösungen. Wir schlagen einen sektorenübergreifenden Preis von 30 Euro im kommenden Jahr vor, der dann langsam über einige Jahre auf 35 Euro ansteigt. Das wären Preise, mit denen man etwas bewirken kann. Dabei werden wir beispielsweise im Verkehrssektor den elektrischen Weg gehen müssen. Der Strom wird grüner, und die entsprechenden Kosten müssen von allen Sektoren getragen werden. Sonst hätten wir die absurde Situation, dass sauberer Strom immer teurer wird und nicht zum Einsatz kommt, weil fossile Energie billiger ist.
Wer würde verlieren?
Solche, die besonders intensiv fossile Energien einsetzen. Zum Beispiel der, der in einem besonders großen Haus wohnt, SUV fährt und häufig fliegt. Wir glauben, dass unser Modell sozial und ökologisch aufgeht und sehr schnell Wirkung zeigen wird. Nur mit mutigen Modellen kommen wir jetzt weiter. Ein partieller Mini-CO2-Preis würde nichts bewirken.
Energiepolitik bewegt sich momentan zwischen den Polen Fridays for Future und klimawandelskeptischen Rechtspopulisten. Wie geht ein Energiekonzern damit um?
Linie halten und sich nicht mit jeder Mode gemein machen. Man sollte auch nicht auf irgendwelche Populisten draufhauen und ihnen damit gratis Schlagzeilen liefern. Ich glaube, dass niemand von einem Eon-Chef eine demokratische Belehrung erwartet und dass wir unsere politischen Äußerungen auf Themen konzentrieren müssen, bei denen man uns eine gewisse Glaubwürdigkeit zumisst.
Sie sind seit zehn Jahren Eon-Chef. Wie blicken Sie auf die allmählich zu Ende gehende Ära Merkel zurück? Die Union muss erkennen, dass ihr Ansatz kaum zu einer Minderung der Treibhausgasemissionen führt. Was ist schiefgelaufen?
Darüber muss sich niemand wundern. Wir haben in Deutschland CO2-freien Atomstrom durch CO2-intensiven Kohlestrom ersetzt. Schweden ersetzt Kernenergie durch Windenergie. In Deutschland dagegen wollten wir alles gleichzeitig. Wir wollten schnell Wirkung sehen und sind deshalb teils widersprüchliche und besonders teure Wege gegangen. Die Überförderung der Solarenergie beispielsweise war allenfalls eine Tat für die Entwicklungspolitik, aber nicht für eine nachhaltige Politik in Deutschland. Am Anfang haben wir für wahnsinnig viel Geld die Speerspitze gespielt. Aber jetzt, wo es günstig ist, halten wir uns bei neuen Auktionen zurück. Wir müssen jetzt ehrlich sein und die notwendigen Reformen umsetzen.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat in den vergangenen Wochen schwerste Angriffe aus der Wirtschaft aushalten müssen. Vorwurf: Untätigkeit. Schließen Sie sich da an?
Nein, weil es überzieht. Herr Altmaier hat durchaus sperrige und schwierige Themen befriedet. Beispielsweise, dass es einen Weg zur Lösung der Kernenergiethemen gibt, hat er vom Kanzleramt entscheidend begleitet. Das wäre ohne mutige Steuerung nicht möglich gewesen. Er hat jetzt einen sehr guten Energiestaatssekretär gefunden. Insgesamt hat die große Koalition seit der letzten Wahl noch nicht viel bewegt, aber das trifft auf viele Ministerien zu, nicht nur auf das Bundeswirtschaftsministerium.
Zu Herrn Altmaiers Industriepolitik gehören die nationalen Champions. Auch Eon wurde bei seiner Übernahme von Ruhrgas in den Schröder-Jahren so bezeichnet.
Wir hatten damals eine Ministererlaubnis. Ob wir jemals ein nationaler Champion waren? Heute haben wir jedenfalls nicht den Ehrgeiz, ein solcher zu sein oder zu werden. Als ich Herrn Altmaiers Liste sah, war ich ganz froh darüber, nicht drauf zu stehen. Ich will gar nicht viel Hilfe von der Politik. Wir haben uns teilweise gemeinsam mit der Politik in Schwierigkeiten geritten, aber wir haben uns am eigenen Schopf wieder herausgezogen.
Nun wollen Sie zusammen mit RWE die Energielandschaft in Deutschland in Eigenregie neu sortieren. Wie läuft es? Gibt es 2020 noch eine eigenständige Bilanzpressekonferenz von Innogy? Das Unternehmen soll ja aufgeteilt werden zwischen Eon und dem derzeitigen Mutterkonzern RWE.
Ich denke schon, dass es die noch geben wird. Wir haben uns ja noch gar nicht entschieden, wie es weitergeht, wenn wir einen Großteil der Aktien von Innogy nach den entsprechenden Genehmigungen übernommen haben werden. Das entscheiden wir, wenn die kartellrechtliche Erlaubnis vorliegt – und keinen Tag früher. Ein Squeeze-Out, also das Herausdrängen und Abfinden bestehender Aktionäre, wenn wir einen Anteil von über 90 Prozent haben sollten, ist nur eine Möglichkeit unter mehreren.
Noch ist gar nicht klar, wann die kartellrechtliche Erlaubnis für die Übernahme der Stromnetze und des Vertriebsgeschäfts von Innogy für Eon vorliegt. Das liegt auch an Ihnen: Sie haben noch nicht alle Unterlagen eingereicht.
Ich habe unglaublichen Respekt vor den Mitarbeitern bei uns, die daran arbeiten – das ist übrigens eine sehr hohe Zahl. Die EU-Kommission stellt sehr viele Fragen mit teilweise sehr kurzen Fristen. Natürlich ist es aber völlig in Ordnung, dass die EU-Kommission nachfragt, das ist ihr Job. Und wir liefern so schnell wir können.
Mit Auflagen müssen sie aber rechnen. Der Ökostromanbieter Lichtblick wirft Ihnen zum Beispiel vor, mit rund 150 Vertriebsmarken in Deutschland in Zukunft den Markt zu dominieren nach der Innogy-Teilübernahme. Da schrumpfe der Wettbewerb spürbar.
Diese Zahl ziehe ich in Zweifel. Die Kunden haben auch dann in quasi jedem Postleitzahlengebiet in Deutschland mehr als 100 Stromanbieter zur Auswahl. Wir würden davon zusammen mit Innogy eine einstellige Zahl stellen und bleiben unter 25 Prozent Marktanteil insgesamt. Das ist nun wirklich keine Gefahr für die Verbraucher und den Wettbewerb. Gerade in Deutschland fällt es mir schwer, gute Gründe für Auflagen zu finden. Bezeichnend ist doch auch, dass es nur Beschwerden von Wettbewerbern, aber nicht von Kunden gibt. Das Motto ist: Tritt mal gegen den Wagen, mal gucken was runterfällt.
Herr Teyssen, Sie sind seit 2010 Vorstandschef von Eon. Der Aktienkurs hat sich seitdem halbiert, der Umsatz ist auf ein Drittel geschrumpft, der Gewinn auf ein Fünftel. Trotzdem haben Sie einen guten Ruf – ist das auch Ihnen ein Rätsel?
Klar ist: Wenn ein Konzernchef ein Unternehmen herunterwirtschaftet, dann muss er weg. Sonst stimmt was nicht. Eon hat sich aber in einem toxischen Cocktail aus politischer Intervention, technologischen Umbrüchen und gesellschaftlichen Widersprüchen gut geschlagen, das sehen auch die Investoren so. Manchmal wünscht man sich, man hätte eine Entwicklung noch etwas früher erkannt. Aber ich glaube, man hat dem Vorstand immer die Ernsthaftigkeit abgenommen, diese Umbrüche als Chance zu sehen und zum Teil auch sehr gut zu nutzen.
Was war ihr größter Fehler?
Wir dachten, dass wir noch eine Runde der alten Energiewelt mitnehmen können, indem wir ins außereuropäische Ausland gehen. Das haben wir mit Gaskraftwerken in Brasilien versucht, das hat nicht funktioniert und das hat leider rund eine Milliarde Euro gekostet. Andere Auslandsgeschäfte sind zum Glück erfolgreicher.
Und worauf sind Sie stolz? Sie haben ihre Kraftwerkssparte an die Börse gebracht...
Die Abspaltung der Uniper war ein sehr wichtiger Schritt. Wir haben früher als andere erkannt, dass die Wertschöpfungskette von Erzeugung bis Vertrieb dauerhaft gebrochen ist. In unserer alten Aufstellung hätten wir kaum überlebt. Eon, aber auch Uniper sind schneller und anpassungsfähiger geworden. Der steinige Weg, die Kraftwerke an die Börse zu bringen in einem separaten Unternehmen, war genau richtig. Und er hat die Neuaufstellung und die Vereinbarung mit RWE erst möglich gemacht.
Johannes Teyssen, 59, ist seit 2010 Chef des Energieriesen Eon.