Tarifpartner schlagen Alarm: Ohne Autoindustrie kein Wohlstand
Gesamtmetall kritisiert die Klimapolitik, Gewerkschaft ruft zur Großdemo auf: Schicksalsjahre für die Industrie
Angst um die Industrie treibt zunehmend die Sozialpartner um. Die IG Metall mobilisiert gerade unter ihren 2,3 Millionen Mitglieder einige zehntausend Demonstranten, um am 29. Juni vor dem Brandenburger Tor für einen sozial fairen und ökologisch nachhaltigen Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft zu werben. „2019 und 2020 sind Schicksalsjahre für die deutsche Industrie“, heißt es im Aufruf der IG Metall. Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall sorgt sich derweil vor allem um in die Autoindustrie, in der auch die IG Metall die meisten Mitglieder hat, und kritisiert die europäische Klimaschutzpolitik scharf.
„Eine totale Fixierung auf die CO2-Reduzierung ohne Rücksicht auf Gesellschaft und Wirtschaft führt ins Chaos“, sagte Gesamtmetall-Chef Oliver Zander dem Tagesspiegel. Die Autoindustrie sei die Leitindustrie in Deutschland, „die Wertschöpfung ist hier mit rund 150 000 Euro pro Kopf und Jahr so hoch wie in keinem anderen Bereich. Wenn das wegbricht, bricht die wichtigste Säule unseres Wohlstands weg“, sagte Zander weiter.
Zweifel an Elektromobilität
Anders als die IG Metall, die die Mobilitätswende Richtung Stromauto nicht in Frage stellt, hat der Arbeitgeberverband durchaus Zweifel. „Woher kommt denn der ganze Strom für die Elektrifizierung des Verkehrs, wenn wir wirklich gleichzeitig aus Kohlestrom und Atomkraft aussteigen wollen?“, fragt der Hauptgeschäftsführer von Gesamtmetall. Autos mit Verbrennungsmotor würden nicht so schnell verschwinden, wie viele meinten. „Wir brauchen noch mehrere Jahrzehnte saubere Diesel“, sagte Zander. Gerade auch in der Verkehrs-, Klima- und Industriepolitik sei „Technologieneutralität ganz entscheidend. Wir sind keine Planwirtschaft. Und neben der Elektromobilität gibt es andere Antriebsarten, die wir auch brauchen“, meinte der Arbeitgebervertreter.
Produktion fällt um sechs Prozent
Die aktuellen Umfeldbedingungen für die deutschen Autohersteller und ihre Lieferanten sind schwierig, was mit der US-amerikanischen Handelspolitik, Diesel und Brexit sowie dem Klimaschutz zusammenhängt. Im ersten Quartal war die deutsche Autoproduktion um sechs Prozent unter dem Vorjahresmonat geblieben. „Wir haben aktuell die Gefahr einer Rezession“, sagte Zander und appellierte an die Politik „alles zu tun, damit die Autoindustrie stark bleibt und mit den Anforderungen von Digitalisierung über autonomes Fahren bis saubere Antriebe zurechtkommt und nicht mit einerÜberregulierung stranguliert wird.“
In den jüngsten Standortrankings habe sich Deutschlands Position verschlechtert. „Aktuell vertreibt die deutsche Energie- und Klimapolitik die energieintensive Industrie aus dem Land und zerstört so Wertschöpfungsketten“, meinte der Gesamtmetaller. Gleichzeitig versuche Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) mit einer Milliarde Euro eine Batteriezellenfertigung zu fördern, um Wertschöpfungsketten zu erhalten. „Das passt nicht ganz zusammen“, meinte Zander. „Gute Strukturen und Rahmenbedingungen sind wichtiger als Fördergelder.“
Großdemo am Brandenburger Tor
Gesamtmetall hatte kürzlich in einer Studie ermitteln lassen, was die Betriebe in der Metall- und Elektroindustrie mit ihren gut vier Millionen Beschäftigten derzeit am meisten belastet: Steuern und Abgaben wurden am häufigsten genannt, es folgen Stromkosten sowie die aus Sicht der Firmen mangelhafte Flexibilität des Arbeitsmarktes.
An der Demo der IG Metall Ende Juni vor dem Brandenburger Tor nimmt Zander nicht teil. Der Arbeitgeber hätte sich ein abgestimmtes Vorgehen der Metall- Tarifpartner gegenüber der Politik durchaus vorstellen können. Die IG Metall setzt aber einen anderen Schwerpunkt, denn neben dem Gewerkschaftsvorsitzenden Jörg Hofmann treten vor dem Brandenburger Tor der Vorsitzende des Naturschutzvereins Nabu sowie Vertreter von Diakonie und Sozialverband Deutschland auf. Für die Unterhaltung der Demonstranten sorgen unter anderem Clueso, Silly, Culcher Candela und Joris.
Soziale Absicherung gefordert
„Die Uhr tickt. Digitalisierung und Klimaschutz krempeln alles um“, heißt es im Demoaufruf der IG Metall. „Es geht um unsere Arbeitsplätze. Es geht um die Zukunft unserer Kinder.“ Ökologie und Soziales dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden. Adressat der Appelle der Gewerkschaft sind Politik und Arbeitgeber, damit die Bundesrepublik „endlich bei der Mobilitäts- und Energiewende durchstartet“. Erforderlich seien „massive Investitionen in Zukunftsprodukte, in Qualifizierung, in Ladestationen für E- Autos, in Stromnetze und öffentlichen Nahverkehr“.
Im Zusammenhang mit der Digitalisierung fragten sich Millionen Menschen, „wo bleibe ich, wenn sich alles verändert?“. Deshalb möchte die größte deutsche Gewerkschaft „die Transformation solidarisch gestalten“ und fordert eine „verlässliche soziale Absicherung in jedem Lebensalter“. Wie die aussehen könnte oder sollte, bleibt indes im Aufruf der Gewerkschaft offen.
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