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Verdi-Chef Frank Bsirske
© dpa

Tarifrunde 2015: Öffentlicher Dienst will 5,5 Prozent

Die Gewerkschaften läuten die Tarifrunde für die Beschäftigten der Bundesländer ein. Und die Arbeitgeber schlagen Alarm: Zusätzliche Personalkosten von 6,5 Milliarden seien nicht zu tragen.

Jens Bullerjahn sieht die Investitionsfähigkeit der Bundesländer bedroht und die Schuldenbremse in Gefahr. Denn wenn sich die Gewerkschaften mit ihrer Forderung nach 5,5 Prozent mehr Geld durchsetzten, dann wären nach der Berechnung des Finanzministers von Sachsen-Anhalt, 6,5 Milliarden Euro zusätzlich für das Personal der Bundesländer fällig: 2,1 Milliarden Euro für rund 800 000 Angestellte und 4,4 Milliarden Euro für die Beamten, auf die der Tarifabschluss in der Regel übertragen wird. „Wer möchte, dass die Bundesländer die Schuldenbremse einhalten und weiter auf hohem Niveau investieren – zum Beispiel in gute Bildung – der kann diese Forderung nur rundweg ablehnen“, sagte Bullerjahn in seiner Funktion als Vorsitzender der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL). Die TdL ist der Tarifpartner von Verdi, dem Beamtenbund und den Gewerkschaften der Polizisten und Lehrer.

Mindestens 175 Euro pro Monat soll es mehr geben

Am Donnerstag erläuterte Verdi-Chef Frank Bsirske gemeinsam mit den Kollegen der anderen beteiligten Gewerkschaften die Forderung: 5,5 Prozent mehr Geld, mindestens aber 175 Euro; Erhöhung der Azubi-Entgelte um 100 Euro; dauerhafte Übernahme aller Ausgelernten und Erhöhung der Urlaubsdauer für Azubis von 27 auf 30 Tage; Schaffung einer Entgeltordnung für Lehrer und schließlich Verbot von sachgrundloser Befristung. Bsirske nannte zwei Argumente für die Forderung: Der öffentliche Dienst müsse Schritt halten mit der Einkommensentwicklung der Privatwirtschaft, und der öffentliche Dienst müsse attraktiver werden. Dem Verdi-Chef zufolge scheidet in den kommenden zehn Jahren bis zu ein Viertel der Beschäftigten altersbedingt aus. „Nur mit guten Arbeits- und Einkommensbedingungen werden die Länder im Wettbewerb um gute Arbeitskräfte mit der Privatwirtschaft bestehen können“, sagte Bsirske.

Mit der Forderung nach 5,5 Prozent mehr Geld sind die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes exakt auf dem Niveau der IG Metall, die für rund 3,5 Millionen Metaller ebenfalls 5,5 Prozent durchsetzen will. In der Chemie geht die Gewerkschaft mit vier bis fünf Prozent etwas bescheidener in die nächste Tarifrunde. Allerdings gab es für die Chemiebeschäftigten in diesem Jahr mit 3,7 Prozent einen überdurchschnittlich hohen Aufschlag. Referenz für die Bundesländer ist aber weniger die Industrie, sondern der Tarifabschluss für die Beschäftigten beim Bund und bei den Kommunen. Hier setzte Bsirske mit seinen Kollegen im Frühjahr 2014 eine Erhöhung um drei Prozent durch (mindestens aber 90 Euro im Monat) und weitere 2,4 Prozent im März 2015. Darunter werden die Gewerkschaften auch in den Verhandlungen mit den Ländern nicht bleiben wollen. Wobei jetzt schon klar ist, was als Spielmasse in die Verhandlungen kommt: Ein Mindestbetrag von 175 Euro ist kaum durchsetzbar und für die Länder auch nicht akzeptabel. „Der geforderte Mindestbetrag bedeutet in den unteren Einkommensgruppen eine Lohnerhöhung von bis zu elf Prozent“, rechnete Bullerjahn vor. Bei einer Inflationsrate von 0,6 Prozent „lassen die Gewerkschaften hier jeden Realitätssinn vergessen“, meinte der Magdeburger Finanzminister.

Die Lehrer sind wieder eine Problemgruppe

Klaus Dauderstädt, Chef des Beamtenbundes, betonte die Notwendigkeit, den Tarifabschluss im nächsten Frühjahr auch auf die Beamten zu übertragen. Er sprach von einer „entwürdigenden Deckelungs-, Streckungs- und Kürzungspraxis aus dem Jahr 2013“. Damals hatten lediglich Hamburg und Bayern den Tarifabschluss auf ihre Beamten übertragen. Vor allem NRW fiel auf, indem das Bundesland nur in den unteren Besoldungsgruppen Geld drauflegte. Inzwischen ist das vom Landesverfassungsgericht untersagt worden, so dass Dauderstädt von einer „zeit- und inhaltsgleichen Übertragung des Tarifergebnisses“ auf die Beamten im nächsten Jahr ausgehen kann.

Eine besondere Problemgruppe sind die Lehrer. Es gibt keine Eingruppierungsregeln für die rund 200 000 angestellten Pädagogen – was gezahlt wird, liegt im Ermessen der Dienstherren in den Ländern. „Der tarifpolitische Skandal, dass es für die größte Beschäftigtengruppe im öffentlichen Dienst der Länder keinen Tarifvertrag gibt, muss endlich beendet werden“, forderte die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe am Donnerstag. Allerdings lag dieses Thema in den vergangenen Jahren schon häufiger auf dem Verhandlungstisch. Es gab auch deshalb nie ein Ergebnis, weil die Situation in den Bundesländern heterogen ist: Im Osten sind die meisten Lehrer angestellt und deshalb betroffen, im Süden sind sie verbeamtet. Die Verhandlungen beginnen Mitte Februar.

Alfons Frese

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