Traumstart ins Geschäftsjahr:: Nicht einmal der Ölpreis kann die Stimmung bei Siemens trüben
Große Bühne für Joe Kaeser in München: Der Siemens-Chef hat die Aktionäre mit vollen Auftragsbüchern und markigen Sätzen erfreut. Einige davon waren wichtig für Siemens größten Standort - Berlin
Ägypten hat geholfen, Algerien auch. Und nicht zu vergessen der Kunde Deutsche Bahn mit seiner Krisentochter S-Bahn Berlin: Großaufträge aus Weltregionen, aus denen nicht immer nur gute Nachrichten zu erwarten sind, geben dem Technologiekonzern Siemens neue Sicherheit in unruhigen Zeiten. Im ersten Quartal des Geschäftsjahres (Oktober bis Dezember) ist das Volumen der Aufträge um kräftige 27 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf 22,8 Milliarden Euro gewachsen. Der Auftragsbestand erreichte mit 114 Milliarden Euro den höchsten Wert in der Geschichte des vor 168 Jahren in Berlin gegründeten Unternehmens.
Diese und einige andere Nachrichten sorgten am Dienstag für entsprechend gute Stimmung auf der Jahreshauptversammlung mit 7500 Aktionären in München – und bei Anlegern weltweit: Die Aktie, deren Kurs in den vergangenen zwei Monaten kräftig gelitten hatte, legte am Dienstag um sehr starke 8,2 Prozent 90,60 Euro zu. Allerdings hatte das Papier Anfang Dezember noch bei 98 Euro notiert.
Verantwortlich für die Trendwende, zumindest bei der Aktie, war sicher auch Konzernchef Joe Kaesers zentraler Satz des Tages: „Wir sind stark, ich glaube sogar sehr stark, ins neue Geschäftsjahr gestartet. Und das vor dem Hintergrund eines schwierigen geopolitischen und wirtschaftlichen Umfeldes.“ Der Umsatz kletterte in den drei Monaten um acht Prozent auf 18,9 Milliarden, der Gewinn nach Steuern sogar um 42 Prozent auf 1,6 Milliarden Euro. Das veranlasste Kaeser, so früh im Jahr die Gewinnprognose fürs Gesamtjahr anzuheben: um rund 200 Millionen auf 5,6 Milliarden Euro.
"Der Konzernumbau ist im Wesentlichen abgeschlossen."
Ein anderer Satz dürfte vor allem die 347.000 Mitarbeiter weltweit (114.000 davon in Deutschland) ein wenig beruhigt haben: „Der Konzernumbau ist im Wesentlichen abgeschlossen“, sagte Kaeser. „Die frei werdende Energie werden wir in den Markt und die Technologie investieren“, kündigte der 58-Jährige an. Einen entsprechenden ersten Schritt konnte Kaeser nun verkünden: Für knapp eine Milliarde Dollar, also knapp die Hälfte des Quartalsgewinns, kaufte Siemens das Softwareunternehmen CD-adapco aus den USA, ein Spezialist für Simulationen. Die Firma hat Büros in Amerika, Europa und Asien. Damit will Siemens das Geschäft mit der Autoindustrie und die Digitale Fabrik ausbauen.
Doch auch in den traditionellen Geschäftsfeldern, die am größten Konzernstandort Berlin eine wichtige Rolle spielen, läuft es rund. Im vergangenen Jahr waren Mitarbeiter aus Protest auf die Straße gegangen. So stand ein größerer Jobabbau beim Gasturbinenwerk in Moabit im Raum. Im Herbst hatte sich das Unternehmen mit dem Betriebsrat und IG Metall aber darauf verständigt, dass bundesweit, also vor allem an den Turbinenwerken Berlin und Mühlheim, nur 1100 von ursprünglich geplanten 1700 Stellen abgebaut werden. Auch der im Sommer von der IG Metall befürchtete Abbau von bis zu 600 der 2700 Arbeitsplätze am Schaltwerk an der Nonnendammallee ist so kein Thema mehr. Unterm Strich legte die Zahl der Siemens-Mitarbeiter in Berlin sogar um ein paar Dutzend zu – auf exakt 11 575 Stand Ende Dezember. Siemens beschäftigt unter anderem Mitarbeiter der Sparte Healthcare in Adlershof und im Bahntechnikwerk in Treptow.
Berliner S-Bahn bestellte 382 Wagen
Dem Turbinenwerk, dem größten Standort der Stadt, hilft zum Beispiel die Ausrüstung eines Gaskraftwerks in Ägypten für 1,6 Milliarden Euro. Auch in der Sparte Mobility, in der die Zugsparte organisiert ist, freut man sich über die kurz vor Weihnachten eingegangene Bestellung von 382 S-Bahn-Wagen für Berlin.
Lob für Kaesers Gesamtpaket kam von Analysten wie Frederic Stahl von der Schweizer UBS: „Die robuste industrielle Leistung im Quartal dürfte Siemens zu einem der besten Branchenunternehmen dieser Bilanzsaison machen“, sagte er voraus. Er hatte wie andere Marktbeobachter nicht zuletzt wegen der offenbar anhaltend schwachen Konjunktur in China und dem fallenden Ölpreis mit deutlich schlechteren Zahlen gerechnet. Siemens ist ein wichtiger Ausrüster der Ölförderunternehmen, die bei den niedrigen Preisen kaum noch investieren dürften. Tatsächlich räumte Kaeser am Montag ein, dass die Bestellungen zurückgehen – allerdings profitiere sein Haus von der Wartung der installierten Anlagen. mit rtr