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Okonjo-Iweala erbt von ihrem Vorgänger viele Probleme.
© imago images/Xinhua

"Niemand ist sicher, bis alle sicher sind": Neue WTO-Chefin warnt vor Impf-Nationalismus

Erstmals rückt mit Ngozi Okonjo-Iweala eine Afrikanerin an die Spitze der Welthandelsorganisation. Dort hat sie viele Krisen zu lösen. Covid ist nur der Anfang.

Bei der Welthandelsorganisation bricht eine neue Zeitrechnung an: Erstmals in der Geschichte der 1995 gegründeten Institution wird eine Frau die Position der Generaldirektorin übernehmen. Und erstmals kommt eine Persönlichkeit aus Afrika bei der Besetzung des Topjobs in Genf zum Zuge: Sie heißt Ngozi Okonjo-Iweala. Der Allgemeine Rat der WTO hat der Ernennung der 66-jährigen Nigerianerin an diesem Montag auch formal zugestimmt. Damit wird Okonjo-Iweala für vier Jahre in das WTO-Chefbüro einziehen.

Zum Amtsantritt hat sie deutliche Worte zu den weltweiten Impfbemühungen in der Coronakrise gefunden. In einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur Reuters warnte sie vor nationalistischem Denken bei den Impfprogrammen. "Niemand ist sicher, bis alle sicher sind", sagte sie. "Impfstoff-Nationalismus wird sich zu diesem Zeitpunkt einfach nicht auszahlen, da die Varianten kommen." Wenn die Bürger anderer Staaten nicht geimpft seien, schlage das Virus auf einen selbst zurück.

WTO steckt in einer tiefen Krise

Dort dürfte die frühere Finanzministerin und kurzzeitige Außenministerin ihres Landes kaum Zeit finden, den grandiosen Blick auf den Genfer See und den Montblanc zu genießen. Zu groß sind die Herausforderungen für die Neue. Die Welthandelsorganisation, die einen regelgebundenen und möglichst freien weltweiten Handel garantieren soll, steckt seit Jahren in einer tiefen Krise. Ein Ursprung für die Kalamitäten liegt in der 2001 begonnenen und nie beendeten Welthandelsrunde, die zu einem weiteren Abbau von Zöllen und Subventionen führen sollte.

Das grundsätzliche Problem ist die Abkehr von multilateralen Abkommen zwischen allen 164 WTO-Mitgliedern zugunsten von bilateralen oder regionalen Pakten wie dem neuen „Regional Comprehensive Economic Partnership“ im Pazifik-Raum. Okonjo-Iweala wird versuchen, diesen Trend rückgängig zu machen. Daneben wird die Corona-Katastrophe mit dem eingebrochenen Warenaustausch, der Protektionismus und Handelskriege die Generaldirektorin in Atem halten. Vor allem die Rivalität zwischen den USA und China belasten den Welthandel.

Noch keine konkreten Pläne auf dem Tisch

Die designierte WTO-Chefin wird helfen müssen, die Blockade der Berufungsinstanz des WTO-Schiedsgericht aufzulösen. Und sie will den großen Erwartungen gerecht werden, die Entwicklungsländer an sie richten. Die Frau aus dem Erdölstaat Nigeria gelobt auch: „Wir wollen die WTO verjüngen und reformieren.“

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Genaue Pläne für eine Modernisierung legte Okonjo-Iweala noch nicht auf den Tisch. Immerhin skizziert sie eine neue Rolle für die WTO – im Kampf gegen die Krankheit Covid-19. „Es muss einen gleichen Zugang zu Medizin geben und die WTO könnte Teil der Lösung sein.“ Derzeit liegt ein Vorschlag Indiens und Südafrikas auf dem WTO-Tisch: Inder und Südafrikaner wollen den Patentschutz im Handel mit Medikamenten und Impfstoffen gegen Covid-19 vorübergehend aussetzen, um armen Staaten zu helfen. Die EU und andere reiche WTO-Mitglieder lehnen das Ansinnen aber ab.

Okonjo-Iweala setzte sich gegen fünf Bewerber und zwei Bewerberinnen durch. Sie konnte in der entscheidenden Phase des Rennens auf die EU-Unterstützung zählen. Die USA unter Präsident Donald Trump blockierten jedoch über Monate die Ernennung der Afrikanerin. Die US-Regierung von Joe Biden stellte sich jetzt hinter sie.

"Starke Reputation auf dem internationalem Parkett"

Fachleute wie die frühere Handelsministerin Costa Ricas, Anabel González, trauen „Ngozi“ zu, den Job bei der WTO zu meistern. Okonjo-Iweala habe eine „starke Reputation auf dem internationalen Parkett“. Indes halten Skeptiker Okonjo-Iweala vor, dass sie sich in ihrer Karriere kaum mit Handelsfragen befasst habe und die WTO wenig kenne. „Es stimmt, ich bin kein WTO-Insider, aber das ist eine gute Sache“, sagt sie und verweist auf den „neuen Blick“, den sie auf die schwerfällige WTO werfen könne. Dabei ist sich Okonjo-Iweala bewusst, dass sie als Generaldirektorin keine „direkte Entscheidungsbefugnis“ bei Verhandlungen der Mitgliedsländer hat.

Das Selbstbewusstsein Okonjo-Iwealas speist sich einerseits aus ihrer Herkunft, sie stammt aus einer einflussreichen Familie. Andererseits kann sie eine beeindruckende Karriere vorweisen: Bis zum vergangenen Jahr bekleidet sie die Position des „Chair of the Board“ der globalen Impfstoffallianz Gavi. Und sie rückte in den Board der Standard Chartered Bank und den Board des Kurznachrichtendienstes Twitter ein.

Als Chefin des Finanzressorts Nigerias erreichte sie einen Schuldenerlass für ihr Land. Bei der Weltbank schaffte sie es, zum „Managing Director“ aufzusteigen, also zur Nummer Zwei. Allerdings scheiterte ihr Versuch, ganz an die Spitze der Institution in Washington vorzustoßen. Dass in der WTO an den USA nach wie vor kein Weg vorbeiführt, weiß die kommende Chefin. Das Engagement der Amerikaner sei „absolut wesentlich“, sagt Okonjo- Iwealassie.

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