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Meer investieren. Windparks und Stromnetze sind für Versicherer auf Suche nach stabilen Renditen interessant.
© Wolfhard Scheer/dpa

Deutsche Versicherer: Neue Milliarden für die Energiewende

Mit 1,4 Billionen Euro Anlagebestand sind die deutschen Versicherer die größten institutionellen Anleger der Republik: Bisher investierten sie nur einen Bruchteil davon in erneuerbaren Energien. Das soll sich nun ändern

Selbst dem Fachorgan „Versicherungswirtschaft heute“ war die Meldung vom vergangenen Mittwoch nur wenige Zeilen wert: „Munich Re erwirbt Fotovoltaik-Anlagen in Großbritannien“. Über seine Vermögensmanagementtochter MEAG habe der größte Rückversicherer der Welt Solarparks in Wales, Cornwall und bei Cambridge erworben. Von Investitionen im „mittleren zweistelligen Millionenbereich“ war die Rede. Millionen Pfund? Euro? Fast egal, es waren Peanuts für die Munich Re.

Hier ein paar Millionen in einen Windpark, dort Anteile an einem lokalen Stromnetz – gern auch mal im Ausland: Bei Investitionen in die deutsche Energiewende haben sich die heimischen Versicherer bisher zurückgehalten. Sie sind die mit Abstand größten institutionellen Anleger hierzulande, verfügen über einen Kapitalanlagebestand von insgesamt gut 1,4 Billionen Euro, doch nur rund ein Prozent dieser Summe haben sie in Infrastruktur angelegt – die Hälfte davon im Verkehrssektor, also in Straßen, Brücken und Tunnel. Die andere Hälfte, also kein halbes Prozent, in Energieinfrastruktur. Doch das soll sich bald ändern.

Die im Gesamtverband der Deutschen Versicherer (GDV) zusammengeschlossenen Assekuranzen haben sich nämlich endlich auf eine gemeinsame Position zur Energiewende verständigt. In der offiziellen Position, die dem Tagesspiegel vorliegt, wird die Vorschlagssammlung („Grünbuch“) der Bundesregierung zur Reform des Strommarktes außerordentlich positiv bewertet. Bundeswirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte das Werk im Oktober als Diskussionsgrundlage präsentiert; ihn dürfte nun freuen, dass der GDV schreibt: „Der Großteil der im Grünbuch ausgearbeiteten Vorschläge ist zu unterstützen.“

„Es wird begrüßt, dass die Bundesregierung mit der Vorlage dieses Grünbuchs zur Ausgestaltung des zukünftigen Strommarkts zu einem glaubwürdigen rechtlichen Rahmen beitragen will, auf den Investoren vertrauen können“, heißt es weiter. „Versicherer interessieren sich für die Finanzierung der Produktion und Distribution erneuerbarer Energien, weil diese Anlagen oftmals langfristig kalkulierbare Erträge aufgrund gut prognostizierbarer Abnahmemengen und/oder garantierter Mindestabnahmepreise infolge gesetzlicher Regelungen kennzeichnen.“

Stabilität, also verlässliche Rahmenbedingungen, sind den Versicherern dabei wichtiger als die konkrete Höhe von Einspeisevergütungssätzen für Windräder zum Beispiel. Ihnen geht es darum, dass eine einmal festgelegte Regel auch tatsächlich die vollen 20 Jahre lang ab Anschluss der Anlage gilt (wie etwa bei der Fotovoltaik) und nicht – wie zum Beispiel in Spanien und Italien vor Jahren geschehen – über Nacht für zu teuer befunden und kassiert wird. Zudem sind die Versicherer gegen Eingriffe der Behörden in den tagesaktuellen Strommarkt, also zum Beispiel gegen die kontrollierte Abschaltungen von Großverbrauchern, um akute Preisspitzen abzufedern.

„Die Versicherer haben heute schon mit mehreren Milliarden Euro in erneuerbare Energien investiert und haben ein großes Interesse daran, ihr Engagement auszubauen“, erklärte Axel Wehling, Mitglied der GDV-Hauptgeschäftsführung dem Tagesspiegel ergänzend zum Papier. „Für Infrastrukturinvestitionen insgesamt muss für dauerhafte Rechtssicherheit gesorgt und die Eigenmittelunterlegung angemessen sein“, fügte er hinzu.

Schwerer dürfte sich die Politik, vor allem die in Brüssel, mit einer weiteren Forderung der Versicherer tun: „Speziell bei erneuerbaren Energien ist es wichtig, dass auf internationaler Ebene die Entflechtungsvorschriften flexibilisiert werden“, sagte Wehling. Das heißt, große Investitionen in Erneuerbare würden aus Sicht der Versicherer viel attraktiver, wenn Behörden die strengen Regelungen zur Wettbewerbsförderung lockern würden. Die Versicherer schreckt ab, dass die Wertschöpfungskette in der Stromwirtschaft – also Erzeugung, Transport, Handel und Vertrieb – über die Jahre vom Regulierer immer mehr zerstückelt worden ist. Diese Politik hat dazu geführt, dass es immer weniger große Energiekonzerne gibt, die ein Minus in einem Teil dieser Kette durch Profite in einem anderen Teil ausgleichen können. Zudem fällt es Versicherern leichter, ein Mal viel Geld in ein Unternehmen oder Projekt zu investieren als zigfach Kleinbeträge in viele Projekte.

Was die Branche an Gabriels Strommarktplänen auch schätzt, ist, dass die Belange potenzieller Investoren auf dem Strommarkt künftig automatisch abgefragt werden sollen, bevor ein Gesetz kommt. „Es ist gut, dass die Bundesregierung im Grünbuch den Ansatz verfolgt, dass die Auswirkungen von Reformen im Vorfeld abgeschätzt werden sollen. Damit wird die Finanzierung der Energiewende langfristig stabilisiert“, sagt Wehling, der Spitzenvertreter des GDV.

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