zum Hauptinhalt
Schon viele Jahre befreundet: Stephan Schwarz (li.) und Eric Schweitzer.
© picture-alliance/SCHROEWIG/Eva

Wahl zum DIHK-Präsidenten: Neue Kammertöne

Der Berliner IHK-Präsident und Recyclingunternehmer Eric Schweitzer soll am 20. März zum DIHK-Präsidenten gewählt werden. Ein Freund gratuliert.

Irgendwann im Frühjahr 2004 sind wir uns zum ersten Mal begegnet, zum Frühstück im Café Einstein Unter den Linden. Einige Monate zuvor war ich zum Präsidenten der Handwerkskammer gewählt worden, Eric Schweitzer sollte künftig Präsident der IHK sein; wir wussten, dass wir miteinander zu tun haben würden.

Wir waren uns auf Anhieb sympathisch. Und mit einiger Verwunderung stellten wir bemerkenswerte Gemeinsamkeiten fest: Beide haben wir unsere Väter früh und auf tragische Weise verloren; beide führen wir unsere Unternehmen gemeinsam mit dem eigenen Bruder; beide verdienen wir unser Geld mit Schmutz, der eine als Entsorger, der andere als Gebäudereiniger. Und beide sollten wir, mit unseren 37 Jahren, künftig die jüngsten Kammerpräsidenten in Deutschland sein.

Wir fanden noch eine weitere, vielleicht die wichtigste unserer Gemeinsamkeiten: Die Liebe zu unserer Heimatstadt Berlin. Wir empfanden die desaströse Wirtschaftslage der Stadt als eine geradezu persönliche Kränkung. Die Arbeitslosigkeit stieg und stieg, im Wirtschaftsvergleich mit anderen Städten war die Hauptstadt fast immer Schlusslicht. Die landeseigene Bankgesellschaft war unter skandalösen Umständen zusammengebrochen, die Stadt kam aus dem Filz, der zu Mauerzeiten gewachsen war, nicht heraus. All dies belastete zusätzlich den ohnehin angespannten Haushalt der Stadt.

Das Programm der rot-roten Landesregierung schien uns nicht gerade ein wirtschaftspolitisches Feuerwerk zu sein. Ausgerechnet der Wirtschaftssenator, Harald Wolf, kam auch noch von der PDS. Na prima. Es war uns klar, dass es unter diesen Bedingungen nicht leicht sein würde, die Interessen der Berliner Wirtschaft selbstbewusst zu vertreten, zumal unsere beiden Kammern allgemein als verfeindete Schwestern galten. Wir mussten zusammenstehen, und wir wussten jetzt, dass wir das auch konnten. Wir verabredeten, uns regelmäßig auszutauschen und möglichst viel gemeinsam zu agieren.

Die finanzielle Lage der IHK war desaströs.

Als Schweitzer dann gewählt wurde, übernahm er kein leichtes Erbe. Die finanzielle Lage der IHK war desaströs. Mit dem Bau des Ludwig-Erhard-Hauses in der Fasanenstraße hatten sich seine Vorgänger heillos übernommen; genau wie die Schöpfer der Bankgesellschaft hatten auch sie nach dem Mauerfall von der Sechs-Millionen-Metropole geträumt. Zu den Altlasten gehörte aber auch die Mentalität des Berliner Establishments. Da war noch viel „altes West-Berlin“, viel Seilschaft und Kungelei. Und da war plötzlich Eric Schweitzer: jung, selbstbewusst, mit lausbubenhafter Harry Potter-Nickelbrille, an der Spitze der altehrwürdigen IHK zu Berlin, unkonventionell im Umgang, laut, kampflustig. Das war ein völlig neuer Stil. Nach seiner ersten DIHK-Vollversammlung erzählte mir Schweitzer amüsiert, wie seine Präsidenten-Kollegen ihm freundlich den Weg zum Raum für die Fahrer gewiesen hatten. Er passte augenscheinlich nicht in die Vorstellungswelt der ergrauten würdigen Herren im Nadelstreif.

Gemeinsam mit Jan Eder, dem Hauptgeschäftsführer der IHK, wirbelte er viel alten Kammerstaub auf – aber Schmutz und Abfall sind ja sein Metier. Das kongeniale Duo scheute sich nicht, dem Establishment in- und außerhalb der IHK ordentlich auf die Füße zu treten. Das sorgte etwa für einen öffentlich ausgetragenen Eklat mit dem altehrwürdigen und sonst so diskreten Verein Berliner Kaufleute und Industrieller. Die von der IHK nach der gescheiterten Länderfusion geforderte Absage an eine gemeinsame Wirtschaftsförderung mit Brandenburg führte sogar zu einer Aktuellen Stunde im Potsdamer Landtag.

Wowereit nennt uns gern das "doppelte Lottchen"

Aus dem bei unserem ersten Gespräch verabredeten regelmäßigen Austausch entstand eine Kooperation zwischen IHK und Handwerkskammer, die einmalig ist in Deutschland. Der Politik gefiel es natürlich nicht, dass die Interessenvertreter der Wirtschaft nun gemeinsam auftraten. Und tatsächlich haben wir die Regierung Wowereit nicht geschont, vor allem Schweitzer nicht – man denke etwa an die Debatte um die Schließung von Tempelhof, die er mit äußerster Heftigkeit geführt hat. Heute ist das Verhältnis zum Regierenden Bürgermeister, der uns gerne mal „das doppelte Lottchen“ nennt, viel entspannter.

Eric Schweitzer vertritt seine Meinung geradlinig und mit Überzeugungskraft, manchmal mit missionarischem Eifer. Bei vielen wirtschaftspolitischen Einschätzungen sind wir uns einig. Es gibt aber auch Themen, über die wir trefflich streiten können, etwa über den Mindestlohn, den er aus ordnungspolitischen Gründen ablehnt, wogegen ich ihn verteidige – und es wurmt ihn sehr, dass ich ebenfalls ordnungspolitisch argumentiere. Ist es ordnungspolitisch richtig, dass die Allgemeinheit gering entlohnte Arbeitsverhältnisse durch Aufstockung subventioniert? Es wird ein Thema bleiben, bei dem wir nie zusammenkommen werden.

Ein weiterer großer Sprung eines zielstrebigen Menschen.

Er mag mir dann vielleicht etwas sturköpfig scheinen; aber es ist genau diese Festigkeit in seinen Überzeugungen, die ihn im politischen Handeln so unkonventionell macht. Sichtlich hat er Freude daran, Vorurteile und scheinbar in Stein gemeißelte Grenzen zu überwinden, wenn es darum geht, die Wirtschaft in unserer Stadt voranzubringen. So kam es für die IHK zu den überraschendsten Allianzen: Mit den nicht wirklich geborenen Partnern Mieterverein und dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) brachte er einen unsinnigen Gesetzentwurf zum Klimaschutz zu Fall. Gemeinsam mit dem DGB forcierte er die Reindustrialisierung Berlins, das in den 90er Jahren zweihunderttausend Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe verlor, nun aber wieder erfreuliche Zuwächse aufzuweisen hat.

Wer glaubt, bei soviel Engagement für die Wirtschaft in unserer Stadt käme das eigene Unternehmen zu kurz, der irrt. Die Alba Group zählt als Berliner Familienunternehmen zu den zehn größten Recyclingfirmen der Welt. Selbst in der Freizeit hört Schweitzer nicht auf, Unternehmer zu sein: Oft habe ich erlebt, dass er bei unseren gelegentlichen Restaurantbesuchen in der Küche nachschaut, wessen Müllbehälter dort stehen. Sind die Tonnen nicht blau, wird sofort ein Verkaufsgespräch mit dem Wirt geführt, an dessen Ende meist ein Vertrag für Alba steht.

Doch Gewinn und Umsatz sind nicht immer die einzigen Ziele eines Unternehmers. Schweitzer engagiert sich persönlich für krebskranke Kinder und natürlich für die Nachwuchsförderung seines Basketballvereins Alba Berlin. Seit vielen Jahren loben wir gemeinsam den Mendelssohn-Preis aus, mit dem das soziale Engagement gerade der kleinen und mittelständischen Unternehmen in unserer Stadt gewürdigt wird. Der Namensgeber Franz von Mendelssohn war übrigens in den 20er Jahren DIHT-Präsident, der bis heute letzte aus Berlin. Ahnte Schweitzer, dass er ihn in diesem Amt einmal beerben würde?

Wir konnten nicht tanzen.

Natürlich kommen bei so viel beruflichem und ehrenamtlichem Engagement Familie und Hobbys häufig zu kurz. Aber auch ein Ehrenamt kann zu nie für möglich gehaltenen Freizeitbeschäftigungen führen. In den Anfängen unserer gemeinsamen Präsidentenzeit lud uns der IHK-Ehrenpräsident Werner Gegenbauer zum Lindenball ein und versammelte an seinem Tisch wichtige Protagonisten der Berliner Wirtschaft. Alles war gut bis zu dem Moment, an dem sich die Gäste zum Tanze erhoben – außer Schweitzer und mir. Wir konnten nicht tanzen. Uns war klar, dass uns eine wesentliche Kompetenz zur Ausübung unserer Ehrenämter fehlte, was schleunigst korrigiert werden musste. So organisierten wir ganz privat einen Tanzkurs, zu dem sich bald wichtige Persönlichkeiten der Berliner Wirtschaft gesellten, die wir beiden Neulinge auf dem wirtschaftspolitischen Parkett dabei kennenlernen konnten. Übrigens sehr zur Freude von Schweitzers Frau Nicole, die eine begeisterte und herausragende Tänzerin ist.

Aus der anfänglich empfundenen Sympathie wurde im Laufe der Jahre eine von Vertrauen geprägte, tiefe Freundschaft. Längst sehen wir uns nicht nur zu offiziellen Anlässen, sondern verbringen auch viel unserer knappen Freizeit miteinander. Ich schätze seine Fairness, sein Tempo, mit dem er Herausforderungen angeht, und seine Verlässlichkeit – auch wenn die manchmal übersteigerte Züge annehmen kann: Steht ein gemeinsamer Termin an, kann man sicher sein, dass 15 Minuten vorher die aufgeräumte Stimme von Eric Schweitzer via Handy daran erinnert. Man kann die Uhr danach stellen.

Am 20. März soll Eric Schweitzer zum Präsidenten des Deutschen Industrie- und Handelskammertages gewählt werden. Ein weiterer großer Sprung eines zielstrebigen Menschen, der im Alter von 24 Jahren bereits promoviert war. Ich freue mich persönlich über seinen Erfolg und nicht zuletzt natürlich darüber, dass mit Eric Schweitzer ein Fürsprecher nicht nur der großen Konzerne, sondern ein Kenner gerade auch der mittelständisch geprägten Unternehmenslandschaft an die Spitze eines der vier großen Wirtschaftsverbände tritt.

Nach den persönlichen Folgen des neuen Spitzenamtes gefragt, sagte Eric Schweitzer kürzlich im Tagesspiegel: „In den nächsten zwei bis drei Jahren gibt es kein Privatleben!“ Als Freund sage ich: Lieber Eric, soweit werden wir es ganz sicher nicht kommen lassen!

Der Autor ist geschäftsführender Gesellschafter der GRG Services Group, Präsident der Handwerkskammer Berlin und Vizepräsident der IHK Berlin.

Stephan Schwarz

Zur Startseite