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Arbeitsrecht: Muss ich aus Tunesien zurückkehren?

Hat ein Arbeitnehmer seinen Urlaub abzubrechen, wenn der Arbeitgeber ihn zurückruft? Darauf gibt der Berliner Arbeitsrechtler Christoph Abeln Antwort.

Ich bin Bauingenieur, arbeite seit zehn Jahren in einem großen Unternehmen und bin vor zwei Tagen nach Tunesien gereist. Der Urlaub ist seit Anfang des Jahres abgesprochen. Nun ist etwas passiert, was bisher noch nie da war: Mein Chef hat mich angerufen, um mich zurückzuholen. Meine Vertretung sei plötzlich für längere Zeit erkrankt, niemand sonst kenne sich mit dem Fall aus, den ich hinterlassen habe. Muss ich jetzt wirklich den Urlaub abbrechen?

Nach Paragraf 1 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) schuldet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Erholungsurlaub. Zur Erfüllung dieses gesetzlichen Anspruches hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer von der Arbeit freizustellen. Dem Arbeitnehmer ist uneingeschränkt zu ermöglichen, die ihm aufgrund des Urlaubsanspruchs zustehende Freizeit selbstbestimmt zu nutzen.

Dies ist jedoch dann nicht gewährleistet, wenn der Arbeitnehmer trotz der Freistellung ständig damit rechnen muss, zur Arbeit gerufen zu werden. Der Anspruch des Arbeitnehmers würde in diesem Falle nicht erfüllt.

Ein Arbeitgeber muss sich daher, bevor er den Urlaub erteilt, entscheiden, ob er dem Arbeitnehmer den beantragten Urlaub gewährt – oder den Urlaubswunsch wegen dringender betrieblicher Belange ablehnt. Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer jedoch den Urlaub gewährt und ihm dies auch mitgeteilt, so ist er an diese Erklärung gebunden.

Wurde der Urlaub genehmigt, aber noch nicht angetreten, darf er dennoch nur in Ausnahmefällen widerrufen werden. Ein solcher Fall wäre etwa eine plötzliche unvorhergesehene Erkrankung eines Großteils der restlichen Belegschaft. Wurde der Urlaub schon begonnen, sind die Voraussetzungen für einen Rückruf noch strenger. Nur in einer Situation, die den Betrieb existenziell bedroht, darf der Arbeitnehmer zurückgerufen werden.

Hat sich der Arbeitgeber bei der Urlaubsgewährung versprechen lassen, dass der Arbeitnehmer bei betrieblichen Problemen seinen Urlaub abbricht und die Arbeit aufnimmt, so verstößt diese Absprache gegen zwingendes Urlaubsrecht und ist unwirksam. Eine Urlaubserteilung unter einem derartigen Rückrufsvorbehalt ist mit dem in Paragraf 1 des BUrlG festgelegten Urlaubszweck der Erholung nicht zu vereinbaren, weil dem Arbeitnehmer auf diese Weise nicht die Möglichkeit gewährt ist, mehrwöchige Freizeit selbstbestimmt und in freier Verfügbarkeit zu seiner Erholung zu nutzen.

Kommt der Arbeitnehmer einem solchen Ersuchen des Arbeitgebers nach, hat er einen Anspruch auf Schadensersatz. Er kann zum Beispiel den Ersatz der Stornogebühren für den Abbruch des Urlaubs verlangen.

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Christoph Abeln

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