Wirtschaft: Moral des Geldgebens
Was die Politik von den neuen Unternehmern hat.
Wenn Investoren von „moralischen Pflichten“ sprechen, sollte man hellhörig werden. Christophe Maire, einer der erfolgreichsten Finanziers von Start-ups in Berlin und anderswo, sieht sich selbst nicht nur als Geldgeber. „Ich investiere, weil ich an Innovationen glaube“, sagte der Gründer und Geschäftsführer von Txtr, einer Firma, die E-Books vertreibt, am Montag. „Und diejenigen, die es können, haben eine moralische Pflicht, in innovative Unternehmen zu investieren.“ Maire kann es sich erlauben – und er tut es. In mehr als 20 Firmen hat der Partner von Atlantic Ventures investiert, einige hat er mit Gewinn verkauft. Zum Beispiel den Entwickler digitaler Karten Gate5, der 2006 von Nokia übernommen wurde. Heute arbeiten 600 Menschen in Berlin für das Unternehmen.
Boomtown Berlin. „Die besten Leute in Europa kommen hierher, wenn sie an etwas Interessantem arbeiten können“, sagte Maire. Und er hatte eine lange Liste von interessanten Firmen (nicht nur aus Berlin) dabei, die die Geschäftsmodelle vieler Branchen auf den Kopf stellen: Fotografie, Zeitschriften, Shopping, Sound, Erziehung, Produktion. Was im ersten Internet-Hype zur Jahrtausendwende gescheitert sei, funktioniere heute dank des technischen Fortschritts, sagte Maire. Vorausgesetzt, auch die Politik verstehe, was sie an den neuen Unternehmern habe.
Guido Beermann, seit einem Monat Berliner Wirtschaftsstaatssekretär, teilt den Optimismus. „Berlin ist hipper als Paris und überschaubarer als London“, beschreibt er die Anziehungskraft der Stadt. Politisch steuern lasse sich das gleichwohl nicht. Die Politik habe aber einen Gestaltungsanspruch, wenn Branchen vor Umwälzungen stehen. „Berlin kann sie brauchen“, sagt er. Vier Ziele hat sich der neue Staatssekretär vorgenommen: die Gründungs-Dynamik erhalten, IT und Kreative öfter zusammenbringen, technische Ausgründungen aus den Unis fördern und Berlin zum wichtigsten Internetstandort Europas machen. Henrik Mortsiefer
Henrik Mortsiefer
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