Recycling: Mit dem Papst für die Kreislaufwirtschaft
Der deutsche Verband der Entsorgungswirtschaft BDE hat ein bewegtes Jahr 2018 hinter sich: Besuch in Rom und Bezug eines Neubaus in Berlin.
Umgezogen in ein neues Haus und dann auch noch beim Papst gewesen und den Segen abgeholt – Peter Kurth hat ein aufregendes Jahr erlebt. Kurz vor Weihnachten konnte sich der Chef des Bundesverbandes der Deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE) dann auch noch über eine gute Nachricht aus Brüssel freuen: Die EU will Einwegplastik ab 2021 schrittweise verbieten und künftig einen Mindestanteil an sogenannten Rezyklaten bei der Produktion von Kunststoffen vorschreiben. Das gibt dem Markt für wiederverwertbare Materialien Schwung. Die 800 Mitgliedsfirmen des BDE, darunter die Berliner Alba Gruppe, können sich auf gute Geschäfte mit der verordneten Wiederverwendung von Wertstoffen aus dem Müll freuen.
Der Markt ist extrem reguliert
„Es geht nicht ohne“, sagt Kurth über die staatliche Vorgabe. Der CDU-Politiker, der kurzzeitig in Berlin als Finanzsenator amtierte (1999 bis 2001), bis 2009 im Vorstand von Alba saß und seitdem als oberster Verbandsvertreter die Interessen der Branche in Berlin und Brüssel vertritt, findet es in Ordnung, wenn staatlich mitbestimmt wird, wie sich Verpackungen zusammensetzen und wie sie aussehen. Das Geschäft mit dem Sammeln, Sortieren und Wiederverwerten von Abfall ist hierzulande nun mal hochreguliert.
Ganz unabhängig von der Politik sieht sich die Müll- und Recylingbranche gerne als Klima- und Umweltschützer. „Wir als Vertreter der Kreislaufwirtschaft fühlen uns durchaus der Schöpfung verpflichtet“, sagt Kurth im Gespräch mit dem Tagesspiegel und im Rückblick auf ein ganz spezielles Ereignis im Spätsommer 2018: Anlässlich einer Branchentagung in Rom gab es Anfang September eine Sonderaudienz beim Papst. Ein Treffen unter Gleichgesinnten. „Wir begrüßen die Mahnungen von Papst Franziskus und appellieren an die Staatengemeinschaft, Ressourcen verantwortungsvoll zu gebrauchen, statt sie zu verbrauchen“, sagt der Verbandsmensch Kurth. Papst Franziskus klingt ganz ähnlich: „Noch ist es nicht gelungen, ein auf Kreislauf ausgerichtetes Produktionsmodell aufzunehmen, das Ressourcen für alle und für die kommenden Generationen gewährleistet.“
Wiederverwertung auf den Philippinen
In Rom vereinbarte der BDE mit dem Malteserorden ein Umweltprojekt in Asien. „Wir wollen gemeinsam auf den Philippinen Plastikmüll einsammeln, bevor der Abfall im Meer landet“, sagt der BDE-Chef. Mehr als vier Fünftel des Plastiks in den Ozeanen des blauen Planeten stamme aus Asien, wo es häufig keine Müllsammlung und schon gar keine Aufarbeitung und Wiederverwertung gebe. Mit Geld und Know-how der BDE-Mitgliedsfirmen und den Kontakten der Malteser vor Ort hofft Kurth nun auf erfolgreiche Entwicklungshilfe in Sachen Müll.
Grundsätzlich habe die Branche „Rückenwind“, weil wegen der Verschmutzung der Meere und wegen des Klimawandels die Bedeutung der Kreislaufwirtschaft in Politik und Öffentlichkeit zunehmend verstanden werde. Auch und gerade in China: „Die Chinesen zeigen eine beeindruckende Konsequenz bei der Umsetzung von Gesetzen“, hat Kurth beobachtet. In chinesischen Städten hätten die Papierkörbe an den Straßen eine Öffnung für Restmüll und eine weitere für wiederverwertbares Material. „Davon sind wir weit entfernt“, klagt Kurth.
Die EU geht voran
Wir Deutschen hätten eine „ambitionierte Umweltgesetzgebung“, seien dann jedoch „zu detail- und genauigkeitsversessen“. Das größte Problem hierzulande „ist generell der Vollzug“, meint Kurth. Die privaten Haushalte etwa würden beim Müllverursachen und -trennen „auf der Stelle treten“. Die EU sei „seit einigen Jahren der Treiber einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft“, Deutschland habe diese Rolle verloren, wie am Beispiel „Minimal Content", deutlich werde: Die deutsche Umweltminister Svenja Schulze (SPD) habe in ihrem vor Kurzem vorgelegten Fünf-Punkte-Plan zum Recycling keinen Mindestanteil an Rezyklaten vorgesehen, die EU indes 25 Prozent bei PET-Einwegflaschen ab 2025.
Hierzulande verursacht jeder Bundesbürger seit längerer Zeit ziemlich konstant gut 460 Kilogramm Müll im Jahr. Davon sind knapp 150 Kilo Wertstoffe wie Verpackungen, Papier und Glas. Positiv entwickelte sich zuletzt das Aufkommen an Bioabfällen, und zwar auf 125 Kilogramm pro Kopf. Der BDE beklagt seit Jahren, dass die Kommunen beim Biomüll nachlässig agieren und viel zu wenig Behälter aufstellten, obgleich es hierzulande 9200 Biogasanlagen gibt, die auch aus den organischen Abfällen Gas produzieren. „Immerhin kommt die BSR langsam in die Gänge“, lobt Kurth die Berliner Stadtreinigung. „Dagegen ist die Biomülltonne in Brandenburg nach wie vor kaum zu sehen.“
Umzug in den Tiergarten
Mit 21 BDE-Mitarbeitern ist Kurth im vergangenen Sommer von der Behrenstraße in Mitte ans Reichpietschufer im Tiergarten gezogen. Gut zehn Millionen Euro hat das Verbandsgebäude gekostet. Der Hausherr fremdelt noch etwas in der kühlen Umgebung aus Sichtbeton, Stahl und Glas. „Jeder zweite Besucher fragt mich, wann denn die Wände verputzt werden“, erzählt Kurth und macht dabei den Eindruck, als warte er auch darauf. Doch selbstverständlich ist er stolz auf das schicke Industriedesign und auf das Abreißblättchen des 26. Juni 2019 im Architekturkalender: die Fassade des neuen BDE-Gebäudes, entworfen von der Berliner Architektin Ursula Hüffer. Kurz zuvor werden die Mitgliedsfirmen des BDE Anfang Juni ihr Verbandhaus einweihen. Gegenüber der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und dem Bauhausarchiv sieht sich der Hausherr nun als Teil eines „kulturellen Dreieck" am Landwehrkanal.
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