Vor Trumps Amtsübernahme: Mexiko zwischen Hoffen und Bangen
In der Autohochburg Potosi stehen durch Donald Trumps angekündigten Protektionismus viele Jobs auf dem Spiel. Doch nicht alle sehen das so dramatisch.
„Wir stellen ein“, prangt ein Schild an der Tür zum Café Corazon Santo in der nordmexikanischen Stadt San Luis Potosi. Kein Jahr ist das stilvolle Café im schicken Süden der ehemaligen Bergbau- und Handelsstadt alt, aber das Geschäft boomt. Hausfrauen am Morgen, Geschäftsleute mittags und Jugendliche abends. Oberkellner Pastor Ortiz ist zufrieden und lässt sich nicht einmal davon die Laune verderben, dass US-Präsident Donald Trump den Potosinos die geplante Großinvestition einer Autofabrik von Ford vereitelt hat. „Wir Mexikaner sind Krisen und schlechte Präsidenten gewohnt, wir werden auch mit Trump fertig“, sagt der stämmige Kellner selbstsicher.
Einen halben Kilometer entfernt, am neuen Sitz des Industrieverbandes, ist die Stimmung getrübter. 80 Prozent seines Außenhandels wickelt Mexiko mit den USA ab – da ist nicht viel Spielraum. „Es gibt keinen Tag, an dem Donald Trump nicht auf uns eindrischt“, schimpft Verbandspräsident Raul Martinez. „Auf die Politiker ist kein Verlass, jetzt müssen wir eben selbst nach Lösungen suchen“, ergänzt Salvador Esparza, dessen Firma Espartec Kontrollsysteme für die Autoindustrie fertigt. Neue Absatzmärkte erschließen, steht ganz oben auf der Liste der Wirtschaftsbosse. Stellen einsparen und die Produktion herunterfahren gilt als Notlösung, denn das würde auch die heimische Kaufkraft und damit den Konsum senken und möglicherweise eine Rezession heraufbeschwören.
50.000 Arbeitsplätze sind gefährdet
Für die Region, die auf die Autoindustrie setzt und in den vergangenen Jahren im Schnitt fünf Prozent gewachsen ist, bedeutet Trump eine Katastrophe. 23 Jahre sind vergangen seit Unterzeichnung des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (Nafta), und fast genauso lange hat San Luis Potosi gebraucht, um von einer staubigen Handelsstadt in der Wüste zu einem der fünf am schnellsten wachsenden Bundesstaaten des Landes zu werden.
Und das vor allem deshalb, weil die Autoindustrie Mexiko als idealen Standort entdeckt hat mit seinen billigen Arbeitskräften, seinen niedrigen Steuern und seinen Freihandelsverträgen. Investitionen in Milliardenhöhe und 50.000 Arbeitsplätze stehen alleine in San Luis Potosi auf dem Spiel, wenn Trump seine Drohungen wahrmacht und Strafzölle auf in Mexiko gefertigte Autos verhängt. Schon die ausgebliebene Investition von Ford bedeutet, dass 10.000 Stellen nicht geschaffen werden, rechnet Martinez vor.
Und nicht nur das. Zusätzlich zu seinen protektionistischen Drohungen will Trump auch noch massenweise mexikanische Migranten ausweisen. Alle zwölf Millionen wird es nicht treffen, aber zumindest die geschätzten fünf bis sechs Millionen Illegalen in den USA zittern um ihre Existenz. In Ojo de Agua, einem staubigen Dorf eine Dreiviertelstunde von der Provinzhauptstadt entfernt, hat ein Drittel der Dorfbewohner Angehörige in den USA. Darunter auch Manuela Melendez. Der Bruder der 38-Jährigen arbeitet in Dallas in einem Restaurant und unterstützt sie und ihre vier Kinder regelmäßig mit Geld. Er hat keine Papiere. „Wir sind alle sehr besorgt um ihn.“
Aus den USA könnten viele Rückkehrer kommen
Bislang arbeiten die Unternehmen gerne mit Illegalen, weil sie billiger sind. Doch Juan Mario Cerino von der Vereinigung Potosinischer Auswanderer in Illinois (Acopil), hat gehört, dass Trump fortan die Unternehmen auf Schwarzarbeiter kontrollieren und horrende Bußgelder verhängen will. „Damit wird der Arbeitsmarkt für Mexikaner ohne Papiere auf einen Schlag verschwinden, und sie werden alle freiwillig zurückgehen, ohne dass Trump Massendeportationen veranstalten muss“, fürchtet Cerino.
„Damit würde sich Trump selbst ins Bein schießen“, ist der Wirtschaftsminister von San Luis Potosi, Gustavo Puente, überzeugt. Die Migranten seien nicht so ohne Weiteres zu ersetzen. „Wenn ich Trump vor mir hätte, würde ich ihm erklären, dass Nordamerika dank Nafta zu einem Wirtschaftsraum zusammengewachsen ist und dass US-Autobauer wegen der günstigen Fertigung in Mexiko weltweit wettbewerbsfähig sind“, fügt der Politiker hinzu. Dass Ford aufgrund des Drucks von Trump von der geplanten Fabrik abgesehen habe, sei eine schlechte Nachricht für San Luis Potosi, aber nicht der Weltuntergang.
Einige Interessenten für das Ford-Gelände
Fünf Interessenten für das Ford-Gelände hätten sich schon bei ihm gemeldet, dabei sei noch nicht einmal sicher, dass die Firma darauf endgültig verzichte. Denn andere Autobauer halten an ihren Investitionen fest. Wie zum Beispiel BMW, dessen Fabrik in San Luis Potosi 2019 die Fertigung der 3er Limousine aufnehmen will. Der Bau verlaufe planmäßig und Änderungen seien nicht vorgesehen, erklärte BMW-Sprecherin Almut Stollberg. „Das Werk in Mexiko ist Teil unseres globalen Produktionsnetzwerks.“
Auch Autobauer wie Nissan, VW oder Mercedes hoffen, dass der Spuk Trump in vier Jahren vorüber ist und halten an ihren Investitionsplänen fest – das allein reicht Puente zufolge schon aus, um Zulieferer weiter nach Mexiko zu locken. „Wir hatten bislang jährlich Investitionen in Höhe von 800 Millionen Dollar, und ich denke, dass es 2017 sogar mehr wird“, sagt der Wirtschaftsminister, der seit Oktober 17 neue Firmen eingeweiht hat. „Wir werden weiter wachsen, aber sicher langsamer.“ Auch die Chinesen stehen Schlange. Sie könnten Experten zufolge zu den größten Gewinnern werden, sollten sich die USA hinter Protektionismus verschanzen.
Trump als Chance
Nicht nur mit neuen Allianzen könnte Mexiko Gewinn schlagen aus der Absicht Trumps, Nafta neu zu verhandeln, sagt die auf Internationale Beziehungen spezialisierte Politologin Cecilia Costero von der Hochschule Colegio de San Luis. „Im Vertrag fehlen Klauseln zum Technologietransfer, Umwelt-und Arbeitsrechtsauflagen, und die Lösung der Kontroversen vor internationalen Schiedsgerichten war sehr nachteilig für Mexiko“, sagt sie.
Würden die mexikanischen Unterhändler ein Gesamtpaket schnüren und zum Beispiel Migration und Sicherheitsfragen wie den US-Waffenexport nach Mexiko einbringen, könnten sich die Beziehungen ausgeglichener gestalten. Und würde auch nur ein Bruchteil der 1,5 Millionen in den USA lebenden Potosinos zurückkommen, müsste sich die Regierung abseits vom „Ghetto der Autoindustrie“ Gedanken über eine neue Entwicklungsstrategie machen und vielleicht die vernachlässigte Landwirtschaft wiederbeleben, sagt Costero. „Ich sehe Trump deshalb auch als große Chance.“