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Nicht der Nominalzins ist entscheidend, sondern der inflationsbereinigte Realzins, sagt Bundeskanzlerin Merkel.
© Klaus-Dietmar Gabbert/AFP

Niedrigzinsen: Merkel: „Der Realzins ist so schlecht nicht“

Angesichts der dauerhaft niedrigen Zinsen sorgen sich Sparer um ihre Bankanlagen. Sie sollten aber die niedrige Inflationsrate berücksichtigen, beruhigt sie Bundeskanzlerin Merkel.

Nicht nur wegen des jüngsten Urteils der Verfassungsrichter zum Anleiheprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) steht fest: Die Zinsen werden noch auf etliche Zeit sehr niedrig bleiben. Sparer müssen sich meist mit 0,20 Prozent für ein Tagesgeldkonto anfinden. Oder noch weniger. Auf dem klassischen Sparkonto ist der Zins längst bei Null.

Der Blick geht dabei aber allein auf den nominalen Zins. Wichtiger ist der reale Zins - der um die Inflationsrate korrigierte Zins. Der zeigt, was beim Sparen tatsächlich herauskommt. „Der Realzins ist so schlecht nicht“, sagt jetzt auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), ähnlich wie zuvor schon Bundesbank-Präsident Jens Weidmann.

Ein Realzins wie zu Zeiten von Helmut Schmidt

Schon zu Zeiten, als die Bundesbank hierzulande noch allein für die Geldpolitik verantwortlich war, habe es Phasen negativer realer Sparzinsen „immer wieder“ gegeben, sagt Weidmann. „Zu Zeiten von Helmut Schmidt“, erinnert Merkel an einen ihrer Vorgänger, „mit einer Inflation von sechs Prozent mindestens, hat Ihnen ein Zinsniveau von drei, vier Prozent auch nicht richtig geholfen“.

Merkel und Weidmann verweisen damit auf die entscheidende Größe zur Berechnung des Zinses, der unter dem Strich übrigbleibt: die Preissteigerungsrate. Wer also sein Geld für einen Zins von einem Prozent anlegt, steht bei einer Inflationsrate von einem Prozent mit leeren Händen da. Im Mai lag die Inflationsrate in Deutschland bei 0,1 Prozent. Wer also auf seinem Tagesgeld-Konto noch einen Zins von 0,20 Prozent erhält, steht mit +0,1 Prozent besser da. Neukunden können aktuell bei Tagesgeldkonten sogar noch mehr rausholen, laut der Finanzberatung FMH in der Spitze bis zu 1,1 Prozent, allerdings meist zeitlich befristet.

 Mehr Phasen mit negativer Verzinsung

Die reale Rendite ist bei solchen Offerten immer noch deutlich höher als mitunter in Zeiten, als die Bundesbank noch das geldpolitische Sagen hatte. Einer Analyse der Notenbank zufolge lag die reale Rendite bei Sparanlagen von Mitte der siebziger bis Mitte der achtziger Jahre fast ständig im negativen Bereich, in der Spitze bei minus drei Prozent. Auch in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts war sie zeitweise mit bis zu zwei Prozent negativ.

Und in etlichen Jahren nach der Jahrtausendwende mussten Sparer wegen der hohen Inflation mit einer negativen Real-Rendite von bis zu einem Prozent leben. „Diese Phasen realer negativer Verzinsung überwogen historisch sogar“, schreibt die Bundesbank für die Zeit zwischen 1967 und 2014. „So lag die mittlere reale Verzinsung über den gesamten Zeitraum sowohl bei Spareinlagen als auch bei jederzeit verfügbaren Einlagen im negativen Bereich“.

Weidmann versteht Sorgen der Sparer

„Natürlich kann ich die Sorgen der Sparer nachvollziehen, die derzeit auf ihre sicheren Anlagen kaum oder keine Erträge erhalten“, sagt Bundesbank-Präsident Weidmann. „Allerdings ist gleichzeitig die Entwertung des Geldes durch die Inflation so gering, dass die reale Verzinsung von Spareinlagen über null liegt. Damit ist sie höher als in den 1970er Jahren, aber auch später, zum Beispiel in den Jahren 2011 bis 2014, als der Realzins sogar negativ war“, so Weidmann in einer Rede Ende April.

Etliche Wissenschaftler und Volkswirte sehen es ähnlich. „Die Geschichte von den armen deutschen Sparern, die ausgenommen werden, stimmt so nicht ganz. Was für den Sparer und Kreditnehmer wichtig ist, ist nicht der Zins den man kriegt - der Nominalzins - sondern der Realzins“, sagt Professor Stephan Hornig von der Hochschule Rosenheim dieser Tage in einem Interview. „Die Unterscheidung zwischen Nominal- und Realzins machen jedoch die wenigsten“.

Andere Experten sehen die Lage allerdings kritischer. Michael Stappel, Volkswirt der DZ Bank, beziffert die Verluste der deutschen Privathaushalte bei Bankeinlagen wegen der niedrigen Zinsen zwischen 2010 und 2015 auf knapp 148 Milliarden Euro im Vergleich zu Zeiten „normaler“ durchschnittlicher Zinsen seit 1995. Nominal. Die Ersparnisse durch niedrigere Kreditzinsen in ebenfalls dreistelliger Millionenhöhe sind dabei auch nicht berücksichtigt.

Natürlich macht sich auch Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) diese Fakten zu eigen. Wegen der Niedrigzins-Politik wird er immer wieder heftig kritisiert. Die realen Leitzinsen seien heute höher als vor 20 oder 30 Jahren, wies er im April den Vorwurf zurück, die EZB enteigne die Sparer.

Fakt ist allerdings: Ob in Bundesbank-Zeiten oder unter der EZB. Real bleibt für die Sparer oft wenig bis nichts übrig. Wer auf das klassische Sparbuch setzt, verliert sogar bei einer Inflationsrate von nur 0,1 Prozent. Daran wird sich erst einmal nichts ändern.

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